Theologe fordert Ehe für alle in der katholischen Kirche
«Jesus schliesst nicht aus, sondern schliesst ein.»
National- und Ständerat öffnen die Ehe. Nun soll die katholische Kirche nachziehen und homosexuelle Paare im Ehe-Sakrament einschliessen, fordert der Theologe Pierre Stutz.
In einem historischen Schritt stimmte das Parlament der Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare zu. Nur wenige Stunden später erschien auf Kath.ch ein Interview mit dem Theologen Pierre Stutz, in dem er die Ehe für alle auch in der katholischen Kirche forderte.
Die katholische Kirche solle nachziehen und so reagieren, «wie Jesus reagiert hätte», sagt der 67-Jährige. «Jesus schliesst nicht aus, sondern schliesst ein. Aktuell diskutieren manche Bischöfe über eine Segnungsfeier für Schwule und Lesben Das genügt mir bei weitem nicht. Ich fordere das Sakrament der Ehe für alle.» Im Oktober schlug in Deutschland Bischof Heinrich Timmerevers einen Segen für schwule und lesbische Paare vor (MANNSCHAFT berichtete).
Stutz ist selbst offen schwul und lebt seit 18 Jahren mit seinem Ehemann zusammen. «Das, was ich mit ihm in guten und in schlechten Zeiten erlebe, erfahre ich als Sakrament», sagt er.
2013 liess das Paar seine Partnerschaft in Lausanne eintragen, fünf Jahre später schloss es in Deutschland eine Ehe. Für Stutz war dies ein äusserst symbolischer Akt. «Es war eine Anerkennung für mein Leben, für meine sexuelle Orientierung», sagt er. «Ich hatte 49 Jahre gebraucht, um zu meiner sexuellen Orientierung zu stehen. Nun hat die Gesellschaft zu mir gesagt: Du bist okay, du bist normal. Diese Form der Anerkennung tut gut.»
Sollten sich Schweizer Bischöfe nun gegen die Ehe für alle aussprechen, wäre das «kleinkariert», so Stutz weiter. Gerade jetzt vor Weihnachten sei die Botschaft «Gott ist liebe». «Das ist so eine grossartige Botschaft – wie kann man darauf so kleinkariert reagieren und sagen: Die Liebe von Schwulen und Lesben ist keine richtige Liebe, keine Gottesliebe? Das verstehe ich nicht.»
Stutz kommt auch auf das katholische Konzept von Familie zu sprechen und betont, dass besonders Regenbogenfamilien sich in der heutigen Gesellschaft immer noch rechtfertigen müssten. Manche Christ*innen sähen sie als Bedrohung der traditionellen Familie. «So ein Unsinn! Als ob es die heile Familie überhaupt jemals gegeben hat – nicht einmal im Stall zu Bethlehem! Wir müssen Familie vielfältiger denken», sagt er.
Ein Umdenken und eine Besinnung auf christliche Werte fordert Stutz auch im Umgang mit Geflüchteten. «Es macht mich wütend, wie die reiche Schweiz, das reiche Europa mit Flüchtlingen umgeht. Wir lassen sie ertrinken oder setzen sie als billige Tomaten-Pflücker unter sklavenähnlichen Bedingungen in Italien ein», sagt er. Man müsse sich immer wieder aufs Neue mit Geflüchteten solidarisieren. «Auch Weihnachten erzählt eine Flüchtlingsgeschichte.»
Das Interview mit Pierre Stutz ist in voller Länge auf Kath.ch verfügbar. Das Medienportal kath.ch ist nach eigenen Angaben eine Dienstleistung des Katholischen Medienzentrums im Auftrag der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz.
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