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«The Imitation Game» bewegt – auch ausserhalb des Kinosaals

«The Imitation Game», ein Film über den Codeknacher Alan Turing, weckt Hoffnungen auf die Begnadigung verurteilter Schwuler – und das nicht nur in Grossbritannien.

(dpa/mst) – In dem für mehrere Oscars nominierten Kinofilm «The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben» spielt Schauspieler Benedict Cumberbatch den Briten Alan Turing, der einen wichtigen Militärcode der Nazis geknackt hat. 1952 wurde er als Homosexueller verurteilt und unterzog sich einer chemischen Kastration, um dem Gefängnis zu entgehen. 1954 nahm Turing sich das Leben. Die Queen hatte ihn Ende 2013 begnadigt. Cumberbatch und andere Prominente setzen sich jetzt dafür ein, dass alle in Grossbritannien verurteilten Schwulen begnadigt werden.

In Deutschland fordern Aktivisten seit langem, dass die Verurteilungen von Homosexuellen nach dem inzwischen abgeschafften Paragrafen 175 kollektiv aufgehoben werden. Womöglich erhalten die Befürworter solcher Begnadigungen jetzt Schützenhilfe von «The Imitation Game»: Der Film könnte aus Sicht des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands dazu beitragen, dass wegen ihrer Homosexualität verurteilte Männer rehabilitiert werden. «Es kommt darauf an, dass ein Problembewusstsein in der Öffentlichkeit erzeugt wird», sagte der ehemalige Bundesanwalt Manfred Bruns der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Karlsruhe. «Dann fühlen sich Politiker genötigt, sich zu äussern – und dann kann es gelingen, etwas durchzusetzen.» Bruns ist Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband Deutschlands.


Der Paragraf 175 – er forderte in Deutschland zahlreiche Opfer

Im Strafartikel 175 war in Deutschland die Feindseligkeit gegenüber Lesben und Schwulen 120 Jahre lang verankert. Er bestrafte «widernatürliche Unzucht» zwischen Personen männlichen Geschlechts. Die Nazis verfolgten Homosexuelle systematisch. Mehr als 100 000 wurden erfasst, 50 000 nach Paragraf 175 verurteilt, Tausende mit dem «Rosa Winkel» in KZs erniedrigt, etwa 7000 ermordet.

Die Bundesrepublik übernahm den vom NS-Regime verschärften Paragrafen. Laut Lesben- und Schwulenverband war er allein in den ersten 15 Jahren der Bundesrepublik Grundlage für die Verurteilung von 45 000 Menschen – mehr als viermal so viele wie in der Weimarer Republik (1918-1933). In der DDR, wo der Paragraf 1968 gestrichen wurde, konnten Schwule meistens unbehelligter leben.


Seit 1969 ist Sex unter Männern auch im Westen nicht mehr strafbar. Es gab eine allmähliche Angleichung an das sonstige Sexualstrafrecht. 1971 kam Rosa von Praunheims Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt» in die Kinos, der auch die verzagte Schwulen-Szene kritisierte. 1972 gab es in Münster die erste deutsche Schwulendemo. Nun gewann die Homosexuellenbewegung an Fahrt, immer mehr Gruppen von Lesben und Schwulen entstanden. Erst 1994 wurde der «Schwulenparagraf» endgültig gestrichen. 1991 sorgte von Praunheim noch mit einem Outing von Hape Kerkeling und Alfred Biolek in einer RTL-TV-Show für ein grosses Medienecho. In den Jahren danach wurden Schwule und Lesben zunehmend zum akzeptierten Teil der Gesellschaft. 2001 bekam Berlins SPD-Bürgermeisterkandidat Klaus Wowereit für den Satz: «Ich bin schwul, und das ist auch gut so» positive Resonanz und wurde gewählt. 2009 wird mit FDP-Chef Guido Westerwelle erstmals ein offen schwuler Politiker Vizekanzler und Aussenminister.


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