SRF-Sportmoderator: «Hatte Angst, von Fans angepöbelt zu werden»

Olivier Borer will helfen, das Anderssein zu enttabuisieren.

Moderator Olivier Borer im Studio von SRF Sport (Bild: Instagram)
Moderator Olivier Borer im Studio von SRF Sport (Bild: Instagram)

Olivier Borer sprach zum ersten Mal im Schweizer Fernsehen über sein Coming-out. Der TV-Beitrag löste viele Reaktionen aus und hat gar einen Zuschauer zum eigenen Outing bewogen. Im Interview mit MANNSCHAFT berichtet Borer, wie es ist, als schwuler Sportmoderator in der heteronormativen Welt des Spitzensports zu arbeiten.

So offen hatten die Zuschauer*innen des Schweizer Fernsehens ihren Sportmoderator noch nie gesehen. Im Boulevardmagazin «glanz & gloria» sprach Olivier Borer über sein Coming-out vor 20 Jahren. Darüber, wie er in einem Dorf im Kanton Solothurn aufwuchs und – scheu wie er war – Angst hatte, diesen Schritt zu machen. Bis ihn eines Tages seine Mutter gefragt hat, ob er schwul sei. Ein emotionaler Beitrag zum Internationalen Tag gegen Homophobie, der viele Reaktionen ausgelöst hatte.



Zu Coming-out inspiriert Vor allem unterstützende und wohlwollende Rückmeldungen habe erhalten, berichtet Olivier Borer im Interview mit MANNSCHAFT. Besonders über die Zuschrift eines Mannes habe er sich gefreut. «Er schrieb, dass ihm der Beitrag über mich den Mut verliehen habe, den letzten Schritt zu gehen und sich zu outen.» Dies sei schliesslich auch der Grund, weshalb er sich dazu entschieden hatte, über dieses Thema am Fernsehen zu sprechen.

Olivier möchte nämlich allen helfen, die Selbstzweifel haben und sich vor eben jenem letzten Schritt fürchten. Ihnen möchte er sagen: «Es ist total normal, wenn man nicht der heteronormativen Welt entspricht. Es ist im Moment vielleicht nicht einfach, aber es wird besser. Freue dich drauf.»

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Gleichzeitig will er mit seiner Offenheit den heterosexuellen Teil der Gesellschaft darauf aufmerksam machen, sensibel mit dem Thema umzugehen. «Ein Coming-out ist auch heute noch nichts Leichtes, sondern sehr oft ein langer, schwieriger Prozess der Findung – nicht zuletzt von sich selbst», sagt Olivier.

«Heteros outen sich täglich» In solchen Fällen hört man immer wieder, dass über sowas nicht gesprochen werden müsse. Auch in Kommentaren über den Auftritt schreiben User*innen, dass das doch etwas Privates sei, das niemand zu wissen brauche. Dem entgegnet Olivier: «Und ob darüber gesprochen werden muss!»

Er spreche ja nicht über intime Details, sondern einfach, dass er einen Mann liebe und mit ihm verheiratet sei. «Es geht darum, dem Thema an sich Aufmerksamkeit zu schenken. Das Anderssein zu enttabuisieren, damit dereinst nicht mehr darüber gesprochen werden muss.»

Heteros outen sich überdies tagtäglich. «Im Privaten oder in den Medien sprechen sie in einer Selbstverständlichkeit über ihre Frau, ihren Mann, ihre Kinder, ihre Ehe.» Da sage dann auch niemand, dass es nerve zu hören, welche sexuelle Orientierung jemand hat.

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Keine Schwulenwitze mehr Auch wenn sich Olivier Borer als SRF-Sportmoderator in der heteronormativen Welt des Spitzensports bewegt, musste er nie schlechte Erfahrungen mit Kolleg*innen machen. Er höre beispielsweise keine Schwulenwitze mehr. Und doch: Auch Olivier kennt keinen anderen schwulen Sportmoderator in der Schweiz.

Den Grund dafür kenne er nicht. Er könne sich jedoch vorstellen, dass es viele Schwule eher zu Kultur, Politik oder Unterhaltung ziehe. «Ich glaube aber nicht, dass die Sportredaktionen als Ganzes homophober sind als andere Redaktionen.» Einzelne schwarze Schafe gebe es natürlich überall.

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Zementiertes Klischee Seine grösste Angst war es, dass ihn Fans im Stadion homophob anpöbeln könnten. Oder dass ihn Spieler beim Interview schräg anschauen. Das alles sei bisher nicht passiert. Olivier ist sich gar nicht mehr so sicher, ob der Sport im Vergleich zur Gesamtgesellschaft punkto Offenheit wirklich schlechter abschneidet.

Vielleicht habe sich über die Jahrzehnte ein Klischee zementiert. «Das Resultat ist ein Klima, in dem sich schwule Exponenten im Sport kaum zu outen wagen. Ich bin froh, dass es Ausnahmen gibt, die das Gegenteil beweisen – auch in der Schweiz.»

Damit verweist Olivier Borer auch auf Curdin Orlik. Über das Coming-out des Spitzenschwingers haben wir hier berichtet.

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