Schwarz und schwul: Michael Gunning schwimmt gegen Vorurteile
Spott und Hohn in der Schule spornten ihn weiter an
Profischwimmer Michael Gunning tritt neu für Team Jamaika an statt für Grossbritannien. Das Land brauche mehr Vorbilder, sagt die Olympiahoffnung.
In Tokio wäre diese Woche die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele über die Bühne gegangen, hätte Corona nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Neu soll der Event im Sommer 2021 stattfinden. Zu den enttäuschten Spitzenathlet*innen gehört auch Michael Gunning. Der 26-jährige Profischwimmer ist in Jamaika bereits dreifacher Rekordhalter und gilt als grosse Olympiahoffnung für den karibischen Inselstaat.
Aufgewachsen ist Gunning jedoch in Grossbritannien, wo er im Alter von vier Jahren erstmals Bekanntschaft mit dem Schwimmbecken gemacht hat. In der Schule zog er den Neid seiner Mitschüler*innen auf sich. Ein schwarzer Junge im Wasser – das passte ihnen nicht. «Schwarze schwimmen nicht», höhnten sie.
«Das motivierte mich nur, ihnen das Gegenteil zu beweisen und es in den nationalen Kader zu schaffen, wochenlang in der Schule zu fehlen und ihnen dann meine Medaillen zu zeigen», sagt Michael Gunning gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Die harte Arbeit zahlte sich aus. Mit 13 Jahren gewann er für den 200 Meter Schmetterling seinen ersten nationalen Titel, mit 16 Jahren qualifizierte er sich für das britische Team und fuhr an die Europameisterschaften im Freiwasserschwimmen. «Ich tat, was ich liebte, und hatte eine unglaubliche Zeit, mit dem Team wegzufahren und die britische Flagge zu vertreten», sagt er.
Seine Hautfarbe war jedoch nicht das einzige, das ihn von seinen Kamerad*innen unterschied: Michael Gunning ist schwul. In der Schule habe er sich «sehr anders» gefühlt. Das Schwimmbecken sei stets die ideale Gelegenheit gewesen, um ihn von seiner Sexualität abzulenken. «Da ich noch nicht bereit war, meine inneren Gefühle zu verarbeiten, steckte ich meine ganze Kraft ins Schwimmen und hatte dadurch eine gute Nachwuchskarriere», sagt er.
Heute schwimmt Gunning nicht mehr für Grossbritannien, sondern für Jamaika. Für den Wechsel ist ein tragischer Vorfall verantwortlich: Der Terroranschlag in Manchester nach dem Konzert von Ariana Grande im Mai 2017, der 23 Menschenleben forderte. Gunning hat ihn miterlebt. «Es gab meinem Leben eine neue Perspektive. Das war das Jahr, in dem ich beschloss, für Jamaika zu schwimmen, um mehr Menschen zu inspirieren und meine Geschichte zu erzählen», sagt er.
Ehemalige Schwimm-Olympionikin outet sich als lesbisch
Ein Land wie Jamaika auf der Weltbühne zu vertreten, scheint für einen offen schwulen Athleten nicht die offensichtliche Wahl zu sein. Die Insel stellt homosexuelle Handlungen unter Strafe, LGBTIQ-Personen erleben im Alltag oft Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt. Das Magazin Time bezeichnete Jamaika 2006 als «homophobstes Land der Welt».
Als Teil von Team Jamaika sieht Michael Gunning seine Aufgabe unter anderem darin, die Entwicklung von LGBTIQ-Rechten zu beeinflussen. «Die Welt dreht sich langsam und verändert sich. Ich bin mir sicher, dass Jamaika mit der Zeit LGBTIQ-Personen akzeptieren und die Gesetzgebung ändern wird», sagt der britisch-jamaikanische Doppelbürger. «Es ist ein langsamer Prozess. Je mehr Vorbilder wir haben, desto besser.»
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Den früheren Hänseleien in Grossbritannien und den zukünftigen Herausforderungen in Jamaika zum Trotz: Michael Gunnings Blick ist auf die Zukunft und auf Olympia 2021 gerichtet. Die Qualifikationszeiten hat er.
Auch der ehemalige Fussballprofi Thomas Beattie stürzte sich ins Training, um sich nicht mit seiner Sexualität auseinandersetzen zu müssen. Im Juni 2020 feierte er sein mediales Coming-out (MANNSCHAFT berichtete).
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