Schutz vor Affenpocken? «Safer Sex hilft wahrscheinlich leider nicht weiter»

Es gibt noch viele Unsicherheitsfaktoren

Kolorierte, elektronenmikroskopische Aufnahme von Affenpocken-Viren. (Bild: Andrea Männel/Andrea Schnartendorff/RKI/dpa)
Kolorierte, elektronenmikroskopische Aufnahme von Affenpocken-Viren. (Bild: Andrea Männel/Andrea Schnartendorff/RKI/dpa)

Zuletzt war immer wieder zu hören, dass Safer Sex vor Affenpocken schützen könne. Dem ist aber offenbar nicht so, meint ein Hamburger Infektiologe.

Europa bleibe das Epizentrum des sich vergrössernden Ausbruchs – mit 25 Ländern, die mehr als 1500 Fälle gemeldet hätten, sagte Hans Henri Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, am Mittwoch (MANNSCHAFT berichtete). Das seien etwa 85 Prozent der weltweiten Gesamtzahl. Zwar kaufte die EU 110.000 Dosen Affenpocken-Impfstoff, doch reicht das aus?

Stefan Schmiedel ist skeptisch. Der Infektiologe leitet am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) eine Hochsicherheitsstation, in der Patient*innen, wenn nötig, ganz ohne Kontakt versorgt werden können.

Dass fast alle aktuell in Europa infizierten Personen Männer sind, die mit Männern Sex hatten (MSM) – dafür hat Schmiedel keine befriedigende Erklärung, wie er gegenüber Zeit online (bezahlpflichtiger Artikel) sagt: «Da haben wir Fachleute noch ein paar Fragezeichen, vollständig lässt sich das nicht erklären. Wir scheinen bisher wesentliche Eigenschaften dieser Viren verpasst zu haben.»

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie man eine Ansteckung vermeiden kann. Mit Safer-Sex-Regeln komme man offenbar nicht weiter. «Das, was wir unter Safer Sex verstehen, also Kondome zu benutzen oder Prophylaxepräparate gegen den AIDS-Erreger einzunehmen, wahrscheinlich leider nicht weiter», sagte Schmiedel gegenüber Zeit online.

Da Affenpockenviren auch in den oberen Atemwegen nachweisbar sind, sei denkbar, dass sich Menschen auch durch Speicheltröpfchen anstecken können. Dennoch beobachte man eine Ausbreitung nur unter engen Sexualpartnern. Es sei darum anzunehmen, dass vor allem enge Haut- und Schleimhautkontakte zu Infektionen führten – nicht aber die Übertragung durch die Luft.

Die 40.000 Dosen, die für Deutschland geordert worden, reichten laut Schmiedel nicht aus für die Risikogruppen. Weder dafür, dass sich so alle sexuell besonders aktive Gruppen vorsorglich impfen lassen, noch könnten das diejenigen Menschen, wie etwa kleine Kinder, die ein besonders hohes Erkrankungsrisiko haben.

In Deutschland hat die Ständige Impfkommission die Impfung für bestimmte Risikogruppen und Menschen, die engen Kontakt zu Infizierten hatten, empfohlen (MANNSCHAFT berichtete).

Neuer Name für Affenpocken gesucht Derweil hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angekündigt, den Affenpocken einen neuen Namen zu geben. Es gebe seit langem Bestrebungen, Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen zu benennen, um jeglicher Möglichkeit von Diskriminierung oder Stigmatisierung vorzubeugen, sagte ein WHO-Sprecher am Dienstagabend. Zuvor hatte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf angekündigt, dass es in Kürze eine Entscheidung geben soll.

Der Begriff Affenpocken etwa könne auf eine Herkunft aus Afrika hindeuten, so der Sprecher. Bis Mai waren das Virus und die Krankheit, beide sollen umbenannt werden, zwar fast ausschliesslich aus Afrika bekannt, aber der Name war ohnehin schon irreführend: Das Virus wurde 1958 in Dänemark zwar erstmals bei Affen in einer Versuchsanstalt nachgewiesen. Allerdings dürfte es nach heutigen Erkenntnissen eher unter kleinen Nagetieren verbreitet sein. Die Affen gelten nur als sogenannter Fehlwirt. (mit dpa)

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