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Referendum spaltet die Slowakei

Bedroht die Gleichberechtigung Homosexueller die Familie? In der Slowakei möchte eine kirchennahe Bürgerinitiative mit einem Referendum liberale westliche Einflüsse stoppen.

«Deine neuen Eltern sind dich abholen gekommen», sagt die Pflegemutter mit stockender Stimme zum kleinen Adam. Der zeichnet gerade das Bild einer «idealen Vater-Mutter-Kinder-Familie» auf ein Blatt Papier. Dann schwenkt die Kamera zu einem Männerpaar. Das entsetzte Kind fragt aus dem Hintergrund: «Und wo ist die Mama?» Dieser nur 30 Sekunden dauernde TV-Spot entzweit seit Wochen die slowakische Nation.

Der Spot ist der wichtigster Teil einer landesweiten Werbekampagne der «Allianz für die Familie» (AZR). Ein verschrecktes Kind, das gegen seinen Willen von einem Schwulenpaar adoptiert wird, soll die überwiegend katholischen Slowaken zur Teilnahme an einem Referendum zum «Schutz der Familie» mobilisieren. Mit 400 000 Wählerunterschriften hatte die Allianz das an diesem Samstag angesetzte Referendum erzwungen. Als Ziel beschreibt die kirchennahe Initiative auf ihrer Homepage, das Vordringen der westlichen «Gender-Ideologie» in die Slowakei zu stoppen.


TV-Sender lehnen Ausstrahlung ab
Die traditionelle slowakische Familie sei durch das «legislative Wüten» des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der «Homo-Lobby» in der EU bedroht, heisst es. Zum Schutz der Familie müssten schon präventiv die Adoption durch homosexuelle Paare und andere Schritte zur Gleichberechtigung verboten werden. Deshalb lautet eine der drei Fragen: «Sind Sie dafür, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption von Kindern verboten wird?» Eine Antwortmöglichkeit, mit der die Rechte Homosexueller ausgeweitet würden, gibt es nicht.

Allein der vorab im Internet verbreitete TV-Werbespot löste eine solche Welle der Empörung aus, dass die grossen landesweiten Sender allesamt eine Ausstrahlung ablehnten. Man wolle sich nicht dem Vorwurf der Einseitigkeit aussetzen, da es keine Gegenkampagne gebe, argumentierte der reichweitenstärkste Sender TV Markiza.

Schwulenverbände, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und liberalere Internet-User protestierten: Das Video schüre negative Emotionen und zementiere das Feindbild Homosexueller sowie eine unterschwellige Gleichsetzung von homosexuell und pädophil. Dabei beteuern die Initiatoren des Referendums, sie wollten nur «die Interessen der Kinder in den Mittelpunkt stellen».


Nach der Absage der TV-Sender konzentriert sich die AZR-Werbung auf das Internet und eine Plakatkampagne. Deren wichtigstes Motiv ist ähnlich wie im TV-Spot das Bild eines Kindes, das eine Zeichnung mit dem «Wunschbild einer Familie» in der Hand hält. Das Gesicht des Kindes ist jedoch nicht zu sehen. AZR-Sprecher Anton Chromik erläuterte bei der Kampagnen-Präsentation: «Die Kinder haben keine Stimme, weil nur die Wünsche auch homosexueller Erwachsener diskutiert werden». «Sind Sie dafür, dass nur eine Beziehung zwischen Mann und Frau die Bezeichnung Ehe tragen darf?» lautet die zweite Frage.

Katholische Kirchen rufen zum Urnengang auf
Die grösste Wählermobilisierung erwarten Politologen aber von der katholischen Kirche. In einem am vergangenen Sonntag in allen katholischen Kirchen verlesenen Hirtenbrief rufen alle katholischen Bischöfe des Landes gemeinsam zur Unterstützung auf: «Zögert nicht, auch alle eure Bekannten zur Abstimmung zu bewegen!» Auch der Papst würde auf alle Fragen mit einem klaren «Ja» antworten.

Eindringlich mahnen sie in ihrem Hirtenbrief, in anderen EU-Ländern werde die traditionelle Familie schon länger bedroht. In Deutschland zum Beispiel würden Eltern «schikaniert», wenn sie nicht mit der Sexualerziehung ihrer Kinder in der Schule einverstanden seien. Wer verhindern wolle, dass auch in der Slowakei «die Persönlichkeit und Sexualität der Jugend deformiert» werde, müsse zum Referendum gehen.

Die dritte Frage lautet nämlich: «Stimmen Sie zu, dass Schulen nicht von Kindern verlangen können, am Unterricht über sexualkundliche Inhalte teilzunehmen, wenn die Eltern mit den Inhalten nicht einverstanden sind?»


Text: Christoph Thanei (dpa)
Bild: Youtube


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