Queerer Roman aus Russland: Mikita Frankos Debüt «Die Lüge»
Hier werden Tabuthemen der russischen Gesellschaft offen angesprochen
Waisenjunge Miki lebt bei seinem Onkel und dessen Lebenspartner. Eine Familie mit zwei Vätern. Und das gerade in Russland! Aus Kinderaugen erzählt, entwickelt der Roman von Mikita Franko «Die Lüge» seinen ganz eigenen Sog.
Die Verlage in Deutschland sollen sich um Mikita Frankos Debüt «Die Lüge» gerissen haben. So jedenfalls berichtet es vor kurzem Maria Rajer, die Übersetzerin jenes queeren Romans, der nach seiner Veröffentlichung in Russland vor zwei Jahren Furore machte. Jüngst ist das Buch auch in Deutschland erschienen.
Der kleine Ich-Erzähler Miki, dessen Mutter früh an Krebs stirbt, landet statt im russischen Waisenhaus bei seinem Onkel Slawa. Im wohlbehüteten Künstler-Haushalt lebt zudem dessen Lebensgefährte, der ernste Arzt Lew. «Ihr werdet miteinander auskommen müssen. Es bleibt euch nichts anderes übrig», heisst es einmal. Miki lebt sich ein, Lew gewöhnt sich an ihn. Mit der Zeit werden aus zwei Onkeln zwei Väter. Doch spätestens am ersten Schultag beginnt das Versteckspiel.
«Die Lüge» ist eine beeindruckende Coming-of-Age-Story: über die Zwänge der russischen Gesellschaft, in der homosexuelle Paare Angst haben, dass ihnen das Sorgerecht entzogen wird. Über das Innenleben einer Regenbogenfamilie, die zwischen Unsichtbarkeit und der Angst aufzufliegen immer wieder an ihre Grenzen im Miteinander gerät. Und über einen Heranwachsenden, der seinen Platz finden muss – mit all der Zerrissenheit, den Ängsten, den eigenen homophoben Vorurteilen und der Begegnung mit der aufkeimenden Sexualität.
Homosexualität ist in Russland zwar nicht strafbar, doch gibt es ein Gesetz gegen sogenannte «homosexuelle Propaganda» (MANNSCHAFT berichtete). Positive Äusserungen über Schwule oder Lesben vor Kindern ist etwa unter Strafe gestellt. Der Roman ist in Russland nur für Erwachsene frei erhältlich.
«Ich verarbeite bestimmte Dinge aus meiner Kindheit und versuche die Gesellschaft irgendwie zu verstehen», sagte Franko jüngst bei einer Lesung der Stadtbibliothek Bremen über das Buch.
In Kasachstan geboren, versteht sich Franko – heute 25 Jahre alt – als nichtbinär, also weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zugehörig. «Miki ist nur eine Cis-Version von mir mit einem anderen Geburtsdatum», heisst es.
Während Miki im Roman immer wieder mit der Geheimniskrämerei hadert, spricht der Roman insgesamt Tabuthemen der russischen Gesellschaft offen an. Franko erklärt: «Das ist meine Art der Rebellion.»
Auch das deutsche Fernsehen entdeckt nichtbinäre Menschen. Doch nach oben ist noch eine Menge Luft. Ein Überblick in der neuen Ausgabe der MANNSCHAFT (zum Shop)
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