Lieben und Leben eines queeren Immigranten
Ocean Vuong schreibt über Amerika – und somit über das amerikanische Versagen
Drei queere Bücher wollen wir dir hier empfehlen: «Verwirrnis» von Christoph Hein und «Ein liebenswerter Mensch» von Odd Klippenvåg. «Auf Erden sind wir kurz grandios» von Ocean Vuong stellen wir ausführlicher vor:
Der erste Satz Ma, ich schreibe, um dich zu erreichen – auch wenn jedes Wort auf dem Papier ein Wort weiter weg ist von dort, wo du bist.
Das Genre Offiziell ist es ein in der Belletristik angesiedelter Roman, doch Vuong lässt viel Lyrik und autobiografische Elemente in sein Debüt einfliessen. Es ist ein Brief an die analphabetische Mutter, die ihn wohl nie lesen wird.
Die Handlung Little Dog wächst in ärmlichen Verhältnissen in Hartford auf, nachdem seine Familie aus dem kriegsgebeutelten Vietnam in die USA eingewandert ist. Aus den zerbrochenen Geschichten seiner Mutter, die sich in Fabriken und Nagelstudios abrackert, und seiner schizophrenen Grossmutter, einer ehemaligen Sexarbeiterin in Vietnam, versucht der Protagonist Little Dog im Verlauf des Buchs seine Identität zusammenzureimen. Während er auf einer Tabakfarm arbeitet, lernt er den weissen Jungen Trevor kennen, der vom Schmerzmittel Oxycodon abhängig ist.
Das Urteil Mit seinem Debütroman ist Vuong ein wahres Kunstwerk gelungen, gleichermassen brutal entsetzlich wie poetisch schön. Es geht um Zerstörung – seelische und körperliche –, um Krieg und Gewalt, aber auch um Liebe, Sehnsucht und Freiheit.
Vuong ist ein Meister darin, die Welt mit den Augen eines Kindes zu beschreiben. Als Little Dog glaubt, die Eltern in der Küche tanzen zu sehen, stellt sich schliesslich heraus, dass sein Vater seine Mutter beinahe zu Tode prügelt. Mit poetischer und schonungsloser Präzision durchdringt der Autor die Fassaden der US-amerikanischen Arbeiterklasse, um die dahinter liegenden Mechanismen zu entblössen und anzuprangern.
Sowohl Little Dogs Mutter als auch sein Geliebter Trevor werden zu Gefangenen des Systems. Sie als unterbezahlte und erschöpfte Arbeiterin, die kaum Schlaf findet. Trevor, der langsam in die Opioidsucht abfällt. Vuongs Buch ist ein Überlebensbericht aus dem kapitalistischen Sumpf Amerikas und verschafft einen seltenen Einblick in das Heranwachsen eines queeren, nichtweissen Erwachsenen.
Roman, 240 Seiten, Hanser Verlag
Greg Zwygart von MANNSCHAFT Magazin hat «Auf Erden sind wir kurz grandios» für uns gelesen.
«Verwirrnis» von Christoph Hein
Deutschland, um 1950: Friedeward und Wolfgang sind ein Paar, geniessen die Sommerferien und reden über Gott und die Welt. Doch keiner darf wissen, dass sie mehr sind als beste Freunde – am allerwenigsten Friedewards strenggläubiger Vater. Als das Paar zum Studium nach Leipzig zieht, finden sie eine Welt gefeierter Intellektueller vor und lernen Jacqueline kennen, die mit einer Dozentin eine heimliche Beziehung führt. Eine dicke Freundschaft entsteht und später ein Plan: Wäre es nicht die perfekte Tarnung, wenn einer von ihnen Jacqueline heiraten würde?
Geschickt verwebt der Chronist Christoph Hein Fakt mit Fiktion. Dabei gelingt ihm eine packende Erzählung, die unter die Haut geht.
Roman, 303 Seiten, Suhrkamp.
Kjerand hat sich seinem Schicksal gefügt. Er ist zeitlebens nicht aus dem kleinen Ort herausgekommen, in dem er zur Schule gegangen ist. Er übernahm den Hof seiner Eltern und verleugnete seine Homosexualität. Das ändert sich radikal, als er mit sechzig die Diagnose Krebs bekommt, zur Strahlentherapie nach Oslo muss und dort seinen Schulfreund Birger wiedertrifft. Birger hat alles anders gemacht. Er ist nach Oslo gezogen, betreibt eine Kunstgalerie, lebt sein schwules Leben. Die Begegnung der beiden stellt alles auf den Kopf.
Ein bewegender Roman des Norwegers Odd Klippenvåg über Reife und Altern, aber auch über die Liebe, die sich langsam zwischen zwei Menschen entwickeln kann.
Roman, 190 Seiten, Albino.
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