«Dass es in der EU LGBT-freie Zonen gibt, ist einfach unfassbar»
Pudeldame im MANNSCHAFT+-Interview und im Podcast
Pudeldame ist eine Hamburger Band, bestehend aus vier Jungs: Jonas, David, Jon Ander und Nico. Den Frontmann Jonas Nay dürften viele aus dem Fernsehen oder von Amazon Prime kennen («Deutschland 83/86/89»). In ihrer neuen Single «Schön» singen die vier Heteros: «Mein Mann ist schön – von hinten von vorn ist er immer ein Dorn in den Augen der Frauen auch die Männer sie schauen». Das Video ist zugleich ein Statement der Band gegen Homophobie, u.a. in Polen.
Jonas, ich habe ja eigentlich immer ein bisschen Angst, wenn ich höre, dass Schauspieler anfangen zu singen .. Jonas: Ich auch! Aber ich habe ja zuerst gesungen und dann angefangen, schauzuspielern – es war ja umgekehrt. Insofern: Angst unbegründet.
Sowieso. Ich mag Eure Texte und die Musik und die dazugehörigen Videos wirklich. Und man kann auch nicht sagen: Ihr klingt wie X oder wie Y. Ihr habt einen sehr eigenen Stil, und der ist ganz schön funky. David: Danke schön, das geht runter wie Öl.
Jonas hat es schon gesagt: Die Musik war vorher da, du hast ja z.B. auch Filmmusik stu- diert, bevor du mit «Deutschland 83/86/89» oder mit dem TV-Mehrteiler «Tannbach» so rich- tig bekannt geworden bist. Jonas: Ich hab als Knabe im Knabenchor in Lübeck gesungen und wollte eigentlich zur Oper und bin dann bei einem Casting gelandet für eine Kinderserie. So bin ich dann in meinen 10-jährigen Kinderschuhen in diese Branche reingerutscht. Aber das Trio hier – David, Jon und ich – haben schon in der Schulbigband zusammen Musik gemacht und diese Band auch gegründet. Nico ist dann ein bisschen später dazugekommen. Wir haben alle unsere Instrumente studiert und Pudel- dame, oder damals noch Northern Lights, wurde gegründet als eigenständige Band und hatte mit der Personalie, dem Schauspieler Jonas Nay, überhaupt nichts zu tun.
Ich war auch am Anfang auch nur einer von zwei Frontmännern und hab noch Klavier gespielt. Heute hab ich aber gar kei- ne Chance mehr, hinter einem Instrument zu stehen, weil ich so ausrasten möchte auf der Bühne. Ich habe mich dann irgendwann dieser Passion hingegeben und bin dazu übergegangen, nur mit Mikrofon über die Bühne zu hotten. Und ich finde es total schön: Es ist halt Bandmusik, als die ist es konzipiert, das war nie anders.
Eine Frage an die anderen Jungs: Ist das lästig, wenn man so einen berühmten Frontmann hat, oder ist das auch ein bisschen geil? David: Nee, das war immer eine Selbstverständlichkeit. Es hat uns nie einen grossen Nachteil ge- bracht in der Aussenwirkung, weil wir uns als dieses Vierergespann verstehen, und niemand be- sonders exponiert ist. Das ist auch sehr angenehm. Wenn über uns berichtet wird, heisst es sehr selten: Jonas Nay und seine Band – sondern eher: Pudeldame, zu der auch der Schauspieler Jo- nas Nay gehört.
Jetzt kommt das erste Album am 26. März, aber mit Auftritten ist es ja nach wie vor schwie-rig … David: Ja, wir sind auch schon dabei, die Konzerttermine zu verlegen: Sie werden aber auf jeden Fall stattfinden. Wir schieben das solange glücklich vor uns hin, bis es stattfinden kann. Jon: Aber wir sind trotzdem mit einem Konzert am Start: Wir spielen am 26. März in der Prinzen- bar in Hamburg! Jonas: Wir arbeiten schon echt lange an dem Album und haben die Veröffentlichung so lange vor uns hergeschoben, in der verzweifelten Hoffnung, dass es mit Corona eine temporäre Erschei- nung wäre … Die Platte ist ein abgeschlossenes Baby und soll nicht im Schrank verstauben. Da wir uns immer mehr weiterentwickeln, würde sie uns irgendwann vielleicht nicht mehr repräsentie- ren, aber das ist jetzt Pudeldame, der Status Quo, und das wollen wir niemandem vorenthalten. Alle können die Platte jetzt so lange hören, bis sie jedes Wort auswendig können, und wenn die Clubs wieder ihre Tore öffnen können, dann hoffen wir auf eine ganz ganz grosse Party.
Immerhin, Ihr seid die Studioband bei «Late Night Alter». Das ist doch toll, in dem Rahmen regelmässig auftreten zu können. Jonas: Absolut. Wir haben da ein wahnsinniges Privileg. Dass wir da einmal die Woche live spie- len können und getestet zusammen kommen können. Und das geniessen wir natürlich total. Wir sind einfach eine Friendship Connection, die über eine lange Zeit nicht zusammen kommen konn- te. Und das gemeinsame Musizieren und zusammen live Auftreten, das hat uns allen so wahnsin- nig gefehlt. Wir sind immer schon einen Tag vor der Aufzeichnung hier – wir sind alle getestet – und hängen dann zusammen im Hotel rum, trinken Bier und schnacken. Das ist alles auf der Welt wert!
«Laut YouTube-Kommentaren bin ich der hässlichste Mensch»
Vielleicht auch mal wieder ein CSD: Im Jahr 2018 habt ihr zum Beispiel auf der Hamburg Pride gespielt. Jonas: Das war für uns ein wahnsinnig besonderes und grössenwahnsinniges Event, da zu spie- len. Wir waren direkt nach Conchita Wurst dran, am Jungfernstieg bei traumhafter Atmosphäre vor mehreren Tausend Leuten mit einer wahnsinnigen Anlage. Und wie das beim CSD so ist: Es geht einfach um Lebensfreude pur und die hat man auch als Künstler auf der Bühne gespürt. Es gibt bei Festivals sonst oft so eine gewisse Distanz zum Publikum, durch die Absperrungen spürt man das schon örtlich. Dazu kommt: Das Publikum hat dich noch nie gehört, zum Grossteil jedenfalls; die Leute sind so drei, vier Meter entfernt. Wir haben es immer wieder schwer gehabt auf Festivals mit Pudeldame-Musik, die Massen vor uns wirklich zu kriegen. Da muss man schon Bock drauf haben. Und auf dem CSD war es komplett anderes: Da hatte man das Gefühl, du bist sofort zuhause. Diese Love, die uns da entgegenkam, wie wir da gefeiert wurden! Das werd ich so schnell nicht vergessen. Es war in Hannover beim CSD auch so. Ich hoffe, dass wir irgendwann nochmal auf einem CSD spielen können, wenn alle wieder rausgehen und miteinander demonstrieren können.
Den Song «Schön» habt Ihr damals schon gespielt, das ist jetzt Eure aktuelle Singe. Und in dem dazugehörigen Video, das ist bemerkenswert, da trifft man die schlimmsten homopho- ben Leute: Von Viktor Orbán und Jarosław Kaczyński über Beatrix von Storch bis Jair Bol-sonaro. Die sind nicht zufällig in dem Video. David: Der Song hat tatsächlich eine ziemlich lange Geschichte. Es war ursprünglich eine Love- story für ne Frau. Die heutige Version ist dann dezidiert für den CSD entstanden. Da wir dort als eine von ganz wenigen Heterobands angefragt wurden, war es uns umso wichtiger, uns da zu po- sitionieren und auch extra was für diesen Anlass zu machen. Und so haben wir uns entschieden, den Song umzutexten. Seitdem ist es bei dieser Version geblieben, auch weil wir das Gefühl hat- ten, dass es dem Song eine gewisse Relevanz gegeben hat, die er vorher nicht hatte. Darum ha- ben wir uns überlegt, wir würden gerne ein Video dazu machen. Es sollte nicht zu intellektualisiert wirken, aber wir wollten gerne Stellung beziehen oder eine Position haben in dem Video. Und es erschien uns logisch, dass wir diese ganz schlimmen homophoben Politiker*innen genommen haben und sie zu nichts weiterem als einem reinen Deko-Element verwendet haben. Für mehr hat es nicht gereicht: Man sieht ihre vor Scham zerfliessenden Gesichter. (lacht)
Dass es Herr Kaczyński es mal zu einem Deko-Element bringen würde … David: Es war gerade für mich auch ein grosses Anliegen: Ich habe polnische Wurzeln und ich ver- folge immer wieder die Situation oder kriege es auch immer mit über Bekannte, die in Polen in den größeren Städten leben. Dass wir in der Europäischen Union ein Land haben, dass «LGBTI- befreite Zonen» einrichtet und die Community als «Ideologie» bezeichnet (MANNSCHAFT berichtete) – das ist einfach unfass- bar. Und so weisen wir mit dem Video zu «Schön» auch daraufhin.
Welche Männer findet Ihr denn eigentlich schön? Jonas: Ich liebe diese Jungs hier. Diese Band verbindet eine Liebe, die größer ist als so vieles in meinem Leben. Ich liebe diese Jungs von ganzem Herzen und ich bin heterosexuell – das ist für mich aber auch völlig irrelevant. Wir sind auch wahnsinnig körperlich miteinander. (lacht) Ehrlich gesagt wurde mir im Zuge dieses Songs erst bewusst, wie unsagbar beschämend es ist, welche Aufmerksamkeit man bekommt, wenn man eine schwule Liebesgeschichte erzählt. Der Text ist ja Banana, es ist einfach ein funky Song. Und dass jemand schwul ist, hetero oder LGBTIQ – das ist doch alles so selbstverständlich. Und dann reicht es, in das Video ein Abziehbild von homophoben Politikern reinzuhauen – mehr braucht es gar nicht. Wir müssen uns nicht hinstellen und irgendwas anprangern. Also, ich liebe diese Jungs über alles und habe auch mit zwei … (zählt in Gedanken nach) … mit einem der Jungs hier rumgeknutscht.
Ich hatte mir Küssen mit Männern irgendwie anders vorgestellt.
Brauchte es dafür Alkohol? Nein. Ich finde einfach, diese Selbstverständlichkeit haben wir hier in Band. Das wollen wir auch nach außen tragen, auch als heterosexuelle Männer. Und ich hab auch bei meinem letzten Film wieder mit jemandem rumgeknutscht, mit einem Schauspieler – das war sehr schön. Ich hatte mir Küssen mit Männern irgendwie anders vorgestellt, als es dann war. Es war sehr weich, es war sehr intim. Und dadurch, dass ich ein kleiner Mann bin, war es etwas Besonderes, weil ich beim Küssen auf meine Zehenspitzen gehen musste. Das war unheimlich romantisch.
Nico war so still die ganze Zeit. Welche Männer findest du schön? Nico: Ich finde natürlich die Jungs schön (die anderen Bandmitglieder bedanken sich artig), und auch David Hasselhoff finde ich sehr schön. David: Wir haben ihn als Pappaufsteller, der begleitet uns immer und steht auf der Bühne. Einfach so, für den Vibe. Wie damals bei «Knight Rider».
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