Parlament stimmt für Selbstbestimmung ab 16 Jahren
TGNS und InterAction Suisse sind «erfreut», aber auch «schockiert»
Einfach und unkompliziert sollen trans und inter Personen ab 16 Jahren künftig ihr amtliches Geschlecht ändern können. Organisationen kritisieren, dass Minderjährige dabei das Nachsehen haben.
Neben der Ehe für alle stand am 18. Dezember ein weiterer wichtiger Punkt auf der Agenda in National- und Ständerat: die Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister. Mit einer einfachen Erklärung und ohne medizinische Eingriffe oder ärztlichen Gutachten dürfen trans und inter Personen künftig ihr amtliches Geschlecht anpassen. Die grosse Kammer sagte Ja mit 128 zu 54 Stimmen bei 13 Enthaltungen, die kleine mit 33 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen.
Dieses Recht auf Selbstbestimmung gilt nur für Personen ab 16 Jahren. Es ist eine Kompromisslösung: Der Nationalrat hatte keine Altersbeschränkung gefordert, der Ständerat ein Mindestalter von 18 Jahren. Für Minderjährige ist das neue Gesetz eine Verschlechterung, wie Transgender Network Switzerland (TGNS) und InterAction Suisse in einer Medienmitteilung schreiben. Im Gegensatz zu heute können trans und inter Minderjährige unter 16 Jahren und Menschen unter umfassender Beistandschaft die Änderung künftig nur noch mit Zustimmung der gesetzlichen Vertretung beantragen, selbst wenn sie urteilsfähig sind. Die Organisationen «sind erfreut – aber auch schockiert, dass Bundesrat und Parlament dabei die Rechte und das Wohl von Minderjährigen mit Füssen treten.»
Die beiden Organisationen reagieren mit gemischten Gefühlen auf das neue Gesetz. «Heute könnte ein grosser Freudentag sein für uns: Ein einfaches, auf Selbstbestimmung beruhendes Verfahren wünschen wir uns seit Jahren», sagt Audrey Aegerter, Präsidentin von InterAction Suisse. Man sei erschüttert über den Umgang des Parlaments mit intergeschlechtlichen und trans Jugendlichen.
«Die heutige Entscheidung verschlechtert die Situation von Jugendlichen massiv und widerspricht den Kinderrechten. Mit dieser Entscheidung provoziert das Parlament – bewusst – grosses Leid einer Minderheit und lässt Konflikte in Familien eskalieren.»
Alecs Recher, der die Rechtsberatung von TGNS leitet, ergänzt mit Blick auf die Umsetzung: «Wir werden alle Jugendlichen und verbeiständeten trans und intergeschlechtlichen Menschen unterstützen, damit sie trotz dieser neuen Hürde den korrekten Geschlechtseintrag erhalten! Bundesrätin Keller-Suter und das Parlament fordern wir auf, die praktischen Auswirkungen des Zustimmungserfordernisses zu beobachten und die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.»
InterAction Suisse und TGNS weisen darauf hin, dass das neue Gesetz lediglich den Eintrag im Personenstandsregister betreffe, nicht aber körperliche Eingriffe. Diese betreffen besonders intergeschlechtliche Menschen, darunter vor allem Kinder. Bereits im Säuglingsalter werde an ihnen «medizinisch unnötige» und «nicht dringende» Eingriffe vorgenommen, um die Geschlechtsmerkmale zu verändern. «Hierzu muss in den nächsten Jahren ein explizites Verbot erlassen werden», sind sich beide Organisationen einig.
Gegen den Entscheid kann das Referendum ergriffen werden. Über den Zeitpunkt des Inkrafttretens wird der Bundesrat entscheiden.
Das könnte dich auch interessieren
Unterhaltung
Diese LGBTIQ-Serien im Mai solltest du nicht verpassen
Schon ist der April rum, und alle tanzen schnurstracks in den Mai. Wir Serienjunkies dürfen uns in diesem Monat auf spannende Neustarts und ein Wiedersehen mit alten Bekannten freuen.
Von Robin Schmerer
Schwul
TIN
Serie
Fussball
Nach homofeindlichem Spruch: Kein neuer Vertrag für Kevin Behrens
In der Hinrunde sorgte Kevin Behrens beim VfL Wolfsburg für einen Eklat. Jetzt muss der Stürmer den Klub verlassen.
Von Newsdesk/©DPA
Deutschland
Queerfeindlichkeit
News
Schweiz
Kanton Bern: Wer steckt hinter der neuen rechtsextremen Partei?
Das Rassemblement romand patriote (RRP) tritt am 18. Mai in zwei Verwaltungskreisen des Kantons Bern an. Die neue Partei macht unter anderem mit sexistischen und gewaltverherrlichenden Inhalten von sich reden.
Von Greg Zwygart
News
Politik
Pride
Ob Berlin, Köln oder Zürich: Die CSD-Zukunft ist unsicher
Trumps Kampf gegen Vielfalt und Minderheiten hat auch Auswirkungen auf die Christopher Street Days: Das hatte zuerst die Cologne Pride beklagt. Nun wird bekannt: Auch der Berliner CSD kann auf zahlreiche Sponsor*innen nicht mehr zählen
Von Kriss Rudolph
Schweiz
Deutschland