Diese Kapitänsbinde zeigt ein farbenfrohes Einknicken vor Katar
Wieso man Meinungsfreiheit und Arbeitnehmerrechte unter dem Motto «One Love» zusammenfasst, versteht vermutlich nicht mal der DFB
Der DFB hat mit anderen Nationen wie England und den Niederlanden eine gemeinsame Aktion angekündigt. Auf der neuen Kapitänsbinde steht «One Love» (MANNSCHAFT berichtete). Doch die Farbgebung entspricht nicht der Regenbogenflagge. Warum das aus mehreren Gründen problematisch ist, dazu unser Kommentar*.
Eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben – und zwar in den echten – hatte Nationaltorwart Manuel Neuer während der EM 2021 getragen (MANNSCHAFT berichtete). Seine liegt nun im Fussballmuseum (MANNSCHAFT berichtete), aber das wird nicht der Grund sein, dass man nun ein neues Modell präsentiert. Was ist am Neuer-Modell, das u.a. auch der Schweizer Kapitän im Spiel der UEFA Nations League gegen Belgien trug, eigentlich ein Jahr später schlecht oder überholt? Die Antwort: nichts. Man knickt hier nur ein vor dem Gastgeberland Katar, ein peinlicher Fallrückzieher, der zum Eigentor führt.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat das Design der neuen Kapitänsbinde für die bevorstehende Fussball-WM am Freitgabend im ZDF verteidigt als «Zeichen für Vielfalt und Offenheit und Toleranz, nicht nur für die LGBTIQ-Szene, sondern auch für Frauenrechte, für Meinungsfreiheit, für Arbeitnehmerrechte». Ausserdem sagte Neuendorf vor dem Nations-League-Spiel gegen Ungarn in Leipzig: «Das alles bildet diese Binde ab, und es ist insofern eine Binde, die für die Werte steht, für die auch der DFB steht.»
Wie er Meinungsfreiheit und Arbeitnehmerrechte unter das Motto «One Love» kriegt, hat er leider nicht erklärt. Vielleicht glaubt Herr Neuendorf aber auch, dass das «G» in LGBTIQ für Gastarbeiter steht. Natürlich ist es wichtig, auch Stellung zu beziehen etwa für Frauenrechte. Aber dann hätte man sich doch wohl für einen Begriff wie «Respekt» oder «Freiheit» entschieden, oder?
Aber «One Love» zu drucken auf etwas, das aussieht wie ein schlechtes Plagiat einer Regenbogenfahne, das soll doch wohl vor allem ein Signal Richtung LGBTIQ-Community sein – aber eben auch an das Gastgeberland Katar, das Regenbogenfahnen nicht dulden will.
Wobei, wir erinnern uns: Die FIFA hatte ja in der Vergangenheit betont, Regenbogenfahnen seien im Stadion erlaubt. Und die katarischen WM-Organisatoren hatten zu Protokoll gegeben, man wolle die Richtlinien des Weltverbands diesbezüglich respektieren. Wozu also das ärgerliche Einknicken der beteiligten Fussball-Nationen?
Ein alter Freund von mir, der eine Vorliebe für drastische Ausdrücke hat, nennt so etwas «arschlose Scheisse». Etwas milder ausgedrückt: Ein klassischer Fall von «Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht».
Man zeigt hier eine mutlose Variation der Regenbogenfahne, um niemanden vor den Kopf zu stossen. Das wäre so, als würden sich jüdische Mitbürger*innen vor einem Ausflug nach Berlin-Neukölln aus (verständlicher) Angst einen Bommel an die Kippa nähen, um erklären zu können, es handle sich um eine Pudelmütze, die sie aus Protest gegen die horrenden Gaspreise tragen.
Die Rechtslage für LGBTIQ in Katar steht derzeit im Zentrum der Kritik – mehr noch, so drückt es sogar die dpa aus, «mehr noch als die bedenkliche Lage für Gastarbeiter». Vertreter der LGBTIQ-Community raten darum von Reisen nach Katar ab, auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (MANNSCHAFT berichtete). Fährt man aber doch, muss man sich dann auch so eine komische, neu interprierte Regenbogenflagge zulegen? Denn: Zeigt man sich mit dem Original, muss man nun erst Recht Angst haben. Denn im Konflitkfall kann man nun nicht mal mehr auf die Mannschaft auf dem Platz zeigen und sagen: Das trägt der Kapitän doch auch! Hier lassen DFB und die anderen Fussball-Topnationen die Mitglieder der LGBTIQ-Community genau gesagt sogar allein.
Das war ein erster Schritt, eine klare Botschaft für Toleranz und für die Menschenrechte, und natürlich umfasst das auch die Schwulen- und Lesbenszene.
Neuendorf kündigte im ZDF an, es könne weitere Aktionen geben. «Das war ein erster Schritt, zehn Länder stehen dahinter, das ist eine klare Botschaft für Toleranz und für die Menschenrechte, und ich bleibe dabei, natürlich umfasst das auch die Schwulen- und Lesbenszene.»
Aus deutscher Sicht kann man nur sagen: Wenn die Elf so glorios aufspielt wie bei der WM 2018, wo bereits in der Vorrunde Schluss war, dann muss man sich diese Peinlichkeit wenigstens nicht lange mit ansehen.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen LGBTIQ-Thema. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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