«Oh, Mr. Sheffiiiield!» – Sitcom-Klassiker «Die Nanny» wird 30
Die sympathisch-prollige Nanny mischt die New Yorker High Society auf
Schon in den 1990ern war Komikerin Fran Drescher alias Fran Fine eine Kultfigur im TV. «Die Nanny» stellte in der New Yorker Upper Class die Welt eines Broadway-Produzenten auf den Kopf. Legendär sind ihre Kleider. Ihre schwule Fangemeinde ist noch heute gross.
Von Aleksandra Bakmaz, dpa
Sehr kurzer Rock, toupierte Haare und eine Stimme zum Davonrennen: Sechs TV-Staffeln brauchte Kindermädchen Fran als «Die Nanny», um ihr Happy End mit dem Broadway-Produzenten Maxwell Sheffield zu besiegeln. In der Kult-Sitcom gab sich Fran Drescher alias Fran Fine als ewige 29-Jährige aus. Damit ist spätestens jetzt Schluss: Denn die Kultserie aus den 1990er Jahren wird 30.
Die Pilotfolge des CBS-Erfolgs flimmerte erstmals am 3. November 1993 in den USA über die Fernseher. Die deutsche Erstausstrahlung folgte 1995. Menschen in mehr als 100 Ländern kennen «The Nanny». Die Serie sei eine der erfolgreichsten Sitcoms der Welt, erklärt RTL. Ausgezeichnet wurde sie mit zahlreichen Preisen – darunter ein Emmy.
In der schwulen Community fand die Serie schnell grossen Anklang. Das lag nicht zuletzt an der Nanny-Figur der überzeichneten Aussenseiterin und an der Tatsache, «dass ich selbstironisch war, der Stil, das Aussehen, alles – das Gesamtpaket». wie sie vom Out Magazine zitiert wird.
Fran Drescher spielt eine Brautmodeverkäuferin aus Queens, die von ihrem Verlobten Danny Imperiali (Jonathan Penner) verlassen und dann auch noch vor die Tür gesetzt worden ist. Als Vertreterin für Kosmetik versucht sie auf der Upper East Side ihr Glück. Dabei gerät sie durch einen Zufall in ein Vorstellungsgespräch für einen Kindermädchen-Posten bei einem wohlhabenden Briten.
Und sie bekommt die Stelle bei dem verwitweten und gut aussehenden Broadway-Produzenten Maxwell Sheffield (Charles Shaughnessy). Fortan ist sie für die drei Kinder Maggie (Nicholle Tom), Brighton (Benjamin Salisbury) und Gracie (Madeline Zima) zuständig, in Höhen und Tiefen. Dass sich in diesem Arbeitsverhältnis zunehmend auch eine Romanze andeutet, klingt immer wieder in Fran Fines Lieblingssatz «Oh, Mr. Sheffiiiield!» an, den die Nanny genauso gut keifen wie hauchen kann.
In die High Society von New York und dem Leben des versnobten Mr. Sheffield will die sympathisch-prollige Nanny, die sich ständig Lippenstift von den Zähnen wischt und mit ihrer schrillen Stimme auffällt, nicht so recht passen. Frans grösste Rivalin und Gegenspielerin ist C.C. Babcock (Lauren Lane), die gefühlskalte Geschäftspartnerin und heimliche Verehrerin von Mr. Sheffield.
«Auf ihrer Seite hat Fran aber Butler Niles, gespielt von Daniel Davis, und natürlich die Zuschauer», sagt Drehbuch-Professor Timo Gößler von der Filmuniversität Babelsberg. Denn, dass die Nanny das Herz auf dem rechten Fleck habe, sei von Episode eins an klar.
«Die Serie bringt alle Ingredienzien einer guten Sitcom mit», sagt der Experte. «Zwei Welten prallen aufeinander.» Die schrille Fran Fine komme aus einem kleinbürgerlichen jüdischen Umfeld in Queens und passe sich nicht in geringster Weise an. «Das ist genau die Anarchie, die eine gute Sitcom braucht.»
Bei Alf sei das ähnlich. «Er kommt als Ausserirdischer in eine Familie – und in dem Fall hier kommt Fran Fine fast wie eine Außerirdische in die spiessige und versnobte Welt der Upper Class und sieht überhaupt nicht ein, sich anzupassen.» Ganz im Gegenteil sogar: Sie breche mit allen Regeln des Hauses. «Das tut sie aber immer mit dem Herzen auf dem rechten Fleck und deswegen sind wir immer auf ihrer Seite.»
Nicht nur der Humor der Nanny, sondern auch ihre Looks begeistern. Auf Instagram widmet sich die Seite «whatfranwore» (Was Fran trug) mit mehr als 380 000 Followern den extravaganten und auffälligen Outfits des Kindermädchens – mit Leoparden-Muster, Schachbrett-Design oder im Muster einer Backsteinmauer. Die Kleider waren in der Regel nicht von der Stange, sondern von bekannten Luxusmarken wie Chanel, Christian Lacroix und Moschino hergestellt. «Was sich ein normales Kindermädchen jenseits des Sitcom-Universums natürlich niemals leisten könnte», wirft Serien-Experte Gößler ein.
Fran Drescher sei nicht nur die Hauptdarstellerin der Sendung gewesen, sondern auch Ideengeberin, erläutert Gößler. Ganz viel von ihrer eigenen Biografie stecke in der Serie. Ihr Vorname und die Namen der Eltern seien gleich. Die schrullige Großmutter Yetta (Ann Morgan Guilbert) beruhe in Teilen auf ihrer eigenen Grossmutter.
Drescher habe sich mit der Rolle zu einer Art Kunstfigur gemacht. «Man kann sich auch nicht vorstellen, dass die Rolle jemand anderes spielt», sagt Gößler. Der Erfolg gebe ihr recht.
Im deutschen Fernsehen lief «Die Nanny» auf zehn Sendern, bei RTL zuletzt im Jahr 2006, wie dessen Sprecher erklärt. Bei RTL+ sei «Die Nanny» noch bis zum vergangenen Jahr zu sehen gewesen.
Quoten aus den 1990ern zu der Sendung könne er nicht liefern, das Archiv reiche nicht mehr so weit zurück, sagt der Sendersprecher. «Ich kann jedoch sagen, dass es bei uns immer erfolgreich lief und weil es so erfolgreich lief, wir auch nach den ersten paar Jahren einen deutschen Vorspann in Auftrag gegeben und gezeigt haben, der heute noch im Einsatz ist.» Aktuell ist die Serie werktags bei Warner TV Comedy im Morgen- und Mittagsprogramm zu sehen.
Ein Sprungbrett für eine grosse Hollywood-Karriere war die Kultserie für die Darsteller nicht. Während sie in der Sitcom ein Happy End feiern konnte, musste Schauspielerin Fran Drescher privat viele Schicksalsschläge hinnehmen und private Krisen überstehen. Dazu zählten eine Krebserkrankung und die Scheidung von Peter Marc Jacobson. Dass ihr Ex-Mann schwul ist, erklärte sie vor etlichen Jahren. Die beiden hatten 1978 geheiratet, im Alter von 21 Jahren. «Wir waren noch Kinder und wussten nicht, wer wir wirklich sind», erzählt Drescher. Sie hätten sich im Guten getrennt.
Im aktuellen Hollywood-Doppelstreik der Autor*innen und Schauspieler*innen gilt sie als Frontfrau.
Zum Ende der Serie tuckerte sie vor allem in deutlich kleineren Rollen durch die Fernseh- und Filmlandschaft. Zuletzt war die heute 65-Jährige vor allem als Präsidentin der Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA in den Schlagzeilen. Im aktuellen Hollywood-Doppelstreik der Autor*innen und Schauspieler*innen (MANNSCHAFT berichtete) gilt sie als Frontfrau – und auch sonst ist Drescher politisch engagiert. Die weltweite Berühmtheit, die ihr die Serie gebracht habe, sei unbezahlbar, hatte Drescher in einem Interview gesagt. Diese Plattform nutze sie, um ihre Stimme zu erheben.
Um den restlichen Nanny-Cast ist es nach dem Serien-Ausklang 1999 eher ruhig geblieben. Gastrollen in bekannten US-Serien wie «Law und Order» oder «CSI» hatte etwa Maxwell-Sheffield-Darsteller Charles Shaughnessy. Und auch Madeline Zima alias Gracie war in kleineren Rollen in Serien-Erfolgen wie «Californication» zu sehen.
Viele Fans wünschen sich ein TV-Comeback der Serie. Gerüchte dazu gibt es schon seit Jahren. Die hatte Fran Drescher im Mai wieder selbst in einem Interview angefacht. Vor dem Streik habe es Gespräche dazu gegeben, sagte sie. «Wir werden sehen, was passiert.»
Lesbisch, lässig, lustig – das ist Hannah Gadsby. Netflix zeigt ihr 3. Programm: «Something Special» (MANNSCHAFT berichtete)
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