Niederösterreich wählt: Darf es auch etwas bunter sein?
Am Sonntag entscheidet sich, in welche Richtung sich das zutiefst patriarchalisch geprägte Land entwickelt
Am 29. Januar wird in Österreichs grösstem Bundesland gewählt. Niederösterreich gilt als letzte Hochburg der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Zuletzt sorgte dort ein Anti-Homo-Haus für Empörung (MANNSCHAFT berichtete).
Von Christian Höller
Keine Wahl ist in Österreich in diesem Jahr so wichtig wie diejenige in Niederösterreich. Am 29. Januar wird in Österreichs grösstem Bundesland ein neuer Landtag gewählt. Seit Bundeskanzler Sebastian Kurz zurückgetreten ist, gilt Niederösterreich als letzte grosse Hochburg der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP).
Der Wahltermin beeinflusst seit Monaten die österreichische Innenpolitik. Die regierende ÖVP unter dem derzeitigen Bundeskanzler Karl Nehammer tut alles, um in Niederösterreich eine Wahlniederlage zu verhindern.
Mit Ausnahme von einigen grösseren Gemeinden und Städten ist Niederösterreich ein zutiefst patriarchalisch geprägtes Land, in der die ÖVP und die katholische Kirche das Sagen haben. Mehr als drei Viertel der Gemeinden werden von einem ÖVP-Bürgermeister regiert. Wichtiges Ziel der Konservativen bei der Wahl am 29. Jänner ist es, ihre absolute Mehrheit im niederösterreichischen Landtag zu verteidigen.
Empörung über Anti-Homo-Haus Queere Menschen haben es in Niederösterreich oft nicht leicht. So gab es in dem Bundesland bis vor Kurzem ein «Anti-Homo-Haus». Dessen Betreiber weigerte sich, Zimmer an queere Menschen zu vermieten, weil er Homosexualität ablehnt und nichts mit Aids und Syphilis zu tun haben wollte, wie es einst auf der Homepage hiess.
Österreich ist bis heute eines der letzten EU-Länder, in dem Schwule, Lesben und Bisexuelle nicht vor Diskriminierung im Privatleben geschützt werden
Um gegen diese und ähnliche Fälle rechtlich vorzugehen, fordert die LGBTIQ-Community in Österreich seit Jahren einen umfassenden Diskriminierungsschutz für queere Menschen. Doch die ÖVP legt sich dagegen quer. «Österreich ist bis heute eines der letzten EU-Länder, in dem Schwule, Lesben und Bisexuelle nicht vor Diskriminierung im Privatleben geschützt werden» kritisiert Mario Lindner, Gleichbehandlungssprecher der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ).
Spitzenkandidatin der ÖVP in Niederösterreich ist die konservative Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die sich früher als österreichische Innenministerin klar gegen die «Ehe für alle» und gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Menschen ausgesprochen hat. Der Begriff Ehe müsse der Beziehung zwischen Mann und Frau vorbehalten bleiben, weil diese Verbindung «grundlegend für unsere Gesellschaft ist», wie die damalige Innenministerin in einem Interview betonte. Ein Adoptionsrecht für homosexuelle Menschen lehnte sie mit der Begründung ab, dass für sie das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehe. Ausserdem haben Kinder ein Anrecht auf Mutter und Vater, wie Mikl-Leitner meinte. Schliesslich hat der österreichische Verfassungsgerichtshof die Regierung in Wien dann doch gezwungen, die Ehe für alle Menschen zu öffnen (MANNSCHAFT berichtete).
Kleine Prides in Niederösterreich Auch wenn in Niederösterreich bislang die Konservativen den Ton angeben, gibt es einige Hoffnungsschimmer in Richtung mehr Diversität. So fand im Juni 2022 in Niederösterreichs Hauptstadt St. Pölten zum zweiten Mal eine Pride statt. Rund 500 Menschen zogen damals durch die Strassen der Stadt. Das waren doppelt so viele wie bei der ersten Pride ein Jahr zuvor. Organisiert wird die Parade vom Verein «St. Pride», der in St. Pölten auch Stammtische für queere Menschen veranstaltet. Als Redner*innen traten auf der Pride Politiker*innen von SPÖ, Grünen und den Neos auf.
Eine Besonderheit war im Vorjahr auch der Mistelbach Pride in Mistelbach an der Zaya – eine Bezirksstadt mit mehr als 11’000 Einwohnern im Weinviertel. Der 22-jährige Michael Rabl gründete dort mit anderen Personen einen Verein, um die Pride zu organisieren. Homosexualität war in der Bezirksstadt bislang meist ein Tabuthema. Dies sollte sich mit der Pride ändern.
Rund 400 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil. Dragqueen Candy Licious, die in Österreich vor kurzem von MANNSCHAFT-Leser*innen zur Queeros-Gewinnerin gewählt wurde, übernahm die Moderation. Bürgermeister Erich Stubenvoll (ÖVP) unterstützte die Pride und hielt eine Rede, obwohl er in einem anonymen Schreiben aufgefordert wurde, die Veranstaltung abzusagen. Stubenvoll gehört in der ÖVP zu den wenigen prominenten Politiker*innen, die offensiv Anliegen von queeren Menschen unterstützen.
Spenden für geflüchtete Menschen Einen Akzent für queere Menschen setzt derzeit auch die Hypo Noe, die Landesbank für Niederösterreich und Wien mit Hauptsitz in St. Pölten. Sie gehört zu den ältesten und grössten Landesbanken Österreichs. Das Land Niederösterreich ist 100-Prozent-Eigentümer des Instituts. Für jede Person, die derzeit bei der Hypo Noe ein Konto eröffnet, spendet die Bank zehn Euro an Queer Base. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die sich für geflüchtete Menschen einsetzt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität fliehen mussten. Das Team von Queer Base berät Personen im Asylverfahren, unterstützt sie bei Behördengängen, vermittelt Therapieplätze, leistet Bildungsarbeit in gesundheitlichen Fragen sowie Beratung in Fragen des Coming-outs und Selbstbestärkung.
SPÖ, Grüne und Neos hoffen, dass Niederösterreich nach der Wahl bunter und vielfältiger wird und dass die ÖVP im Landtag die absolute Mehrheit verliert. Eine Gefahr stellt allerdings die rechtsgerichtete Freiheitliche Partei (FPÖ) dar. Diese legte in Umfragen zuletzt stark zu. Die FPÖ will in Österreich die Ehe für alle wieder abschaffen (MANNSCHAFT berichtete).
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