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LGBT-Delegation in New York: Zwei Tage voller Kontraste

Auf die Plätze, fertig, los! Unser zweitägiger Aufenthalt in New York begann mit einem Treffen beim «Transgender Legal Defense & Education Fund» (TLDEF) – einer Organisation, die sich für die Rechte von Transpersonen engagiert. Der TLDEF setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass Transmenschen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitswesen erhalten oder am Arbeitsplatz nicht diskriminiert werden. Um diese Ziele zu erreichen, nutzt er vor allem den Rechtsweg: Er berät seine Klienten und Klientinnen juristisch und vertritt sie vor Gericht.

Das Recht auf den richtigen Namen
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des TLDEF ist das sogenannte «Name Change Project», erklärt Michael Silvermann. Er ist Geschäftsführer der Organisation und seit zwanzig Jahren als Anwalt in der LGBTI-Bewegung tätig. «Die Änderung des Namens ist ein essentieller Bestandteil des Transitionsprozesses», sagt Silvermann. Hunderte betroffener Personen würden seine Organisation um entsprechende Hilfe bitten und um Ratschläge und rechtliche Vertretung ersuchen. Die Flut an Aufträgen übersteigt die Kapazität des TLDEF bei weitem. Der «Fund» kann aber glücklicherweise auf die Hilfe zahlreicher Juristen zählen, die im Rahmen ihrer Anwaltstätigkeit immer wieder Rechtsfälle des TLDEF als sogenannte «pro bono cases» übernehmen – also als unentgeltliche Rechtsfälle für den guten Zweck. Landesweit werden Michael Silvermann und sein Team von rund 8’000 Anwälten auf pro bono-Basis unterstützt. Um sicherzugehen, dass die Rechtsvertreter über das notwendige Fachwissen verfügen, bildet der TLDEF die Anwälte entsprechend aus.

Im Auftrag der Familienvielfalt
Beim nächsten Gespräch standen Regenbogenfamilien im Fokus. In den neu bezogenen Büroräumlichkeiten des «Family Equality Council» in Manhattan (die Aussicht war spektakulär!) tauschten wir uns mit Geschäftsführer Gabriel Blau und zwei seiner Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter über die Situation gleichgeschlechtlicher Eltern in den USA und der Schweiz aus. Der «Family Equality Council» wurde vor rund 33 Jahren gegründet – von schwulen Vätern, die aufgrund der damaligen Gesetzeslage das Sorgerecht über ihre Kinder verloren hatten. Heute vertritt die Organisation landesweit über neun Millionen Menschen, die in Regenbogenfamilien leben.


Nach wie vor weniger Rechte
Die Tätigkeit des «Council» ist zum einen auf die direkte Unterstützung betroffener Familien im Alltag ausgerichtet, zum anderen arbeitet die Organisation mit Politikern zusammen und lobbyiert sowohl im Staat New York als auch auf nationaler Ebene für die Anpassung familienrelevanter Gesetze. Gleichgeschlechtliche Paare haben zum Beispiel erst in sechs von 50 Bundesstaaten ein geschütztes Adoptionsrecht. Diese Tatsache stehe in einem Widerspruch zur Einstellung vieler Bürger im Land, erklärte uns Gabriel Blau. «Gemäss Umfragen ist die Mehrheit der US-Amerikaner der Ansicht, dass alle dieselben Rechte haben sollten.»

Ein weiteres Gesprächsthema war der «International Family Equality Day» (IFED): Ein Tag, an dem die Familienvielfalt gefeiert und auf die Notwendigkeit der rechtlichen Gleichstellung von Regenbogenfamilien hingewiesen wird. Der diesjährige IFED fand grossen Anklang. Er wurde weltweit in 67 Städten und 32 Ländern gefeiert – unter anderem in der Schweiz, Japan, Israel, Australien, Kanada oder den USA.

Der Geburtsort der LGBT-Pride. Die Stonewall Bar.
Der Geburtsort der LGBT-Pride. Die Stonewall Bar.
Beeindruckender Rundgang im Jugendzentrum
Nach dem «Family Equality Council» besuchten wir das «Ali Forney Center For Homeless LGBT Youth» im Stadtteil Harlem. Das Zentrum kümmert sich um LGBT-Jugendliche im Alter von 16 bis 24 Jahren, die kein Zuhause mehr haben und auf der Strasse leben. In New York sind leider sehr viele junge LGBT-Menschen von diesem Schicksal betroffen: 40 Prozent der obdachlosen Jugendlichen in der Stadt identifizieren sich selbst als schwul, lesbisch, bi, trans oder queer.

Kapazitätsengpässe
Das Ali Forney Center ist 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr geöffnet. Es besteht aus einem sogenannten Drop-In-Center und zehn dazugehörigen Schlafhäusern. Im Drop-In-Center können sich die Jugendliche anmelden, ihre Sorgen mit einem professionellem Team besprechen und im Notfall auch gleich mehrere Nächte dort verbringen. Wer langfristig auf ein Bett angewiesen ist, erhält ein Zimmer in einem der zehn Schlafhäuser. Dabei handelt es sich um Wohnungen, in denen mehrere Jugendliche in betreuten Gruppen zusammen leben. Insgesamt verfügt die Organisation über 89 Betten. 47 davon sind sogenannte Notfallbetten, welche die Jugendlichen während rund drei bis sechs Monaten in Anspruch nehmen können. Wer danach noch Hilfe braucht, kann für weitere zwei Jahre in eines der 42 «Übergangsbetten» wechseln. Die Plätze in den Schlafhäusern sind sehr gefragt: In den meisten Fällen müssen die jungen Leute ein paar Wochen bis Monate warten, bis sie in eine der Wohngruppen einziehen können.


Vollumfängliche Betreuung…
Im Drop-In-Center erhalten die Jugendlichen kostenlose, warme Mahlzeiten, sie können ihre Kleider waschen und sich duschen. Das Zentrum bietet auch medizinische Versorgung und Rechtsberatungen an. Zudem werden die jungen LGBTQ beim Lösen von Hausaufgaben und beim Vorbereiten von Lebensläufen und Bewerbungen für Jobs oder Universitäten unterstützt. Zu diesem Zweck werden sie einer Betreuungsperson zugeteilt, die sich um die Belange und den Werdegang ihrer Schützlinge kümmert. Das Ali Forney Center arbeitet ausserdem mit zahlreichen Organisation und Institutionen zusammen, in denen die Jugendlichen Praktika absolvieren und Arbeitserfahrung sammeln können.

… mit Erfolg
In vielen Fällen hat dieser Beistand äusserst positive Auswirkungen auf die Zukunft der jungen Menschen. «Wenn sich jemand in unsere Strukturen eingliedert, die verschiedenen Prozesse und Programme durchläuft und engagiert ist, dann sind die Resultate oft sehr erfreulich», sagte die stellvertretende Geschäftsführerin Heather Gay. «Die meisten Jugendlichen haben nach Abschluss der High School ein Jobangebot oder einen Platz an einer Uni in der Tasche und genug Geld auf der Seite, um in ein eigenständiges Leben zu starten.»

Dies zu hören war sehr schön! Vielen Dank an das Ali Forney-Team für den Rundgang, die spannenden Informationen und vor allem für die grossartige und wertvolle Arbeit!

In Teufels Küche
Den zweiten Abend in New York verbrachten wir im Stadtteil «Hell’s Kitchen». Zuerst genossen wir indisches Essen, danach wechselten wir die Strassenseite und schwangen in einer der zahlreichen Gay-Bars das Tanzbein – unter anderem zu diesem Meisterwerk der zeitgenössischen Popmusik: Dance, baby, dance!

Samstag = Touristentag
Hooray, am Tag darauf war Sightseeing angesagt! Wir erhielten eine Tour durch das Stadtviertel «Greenwich Village», in dem sich seit jeher vornehmlich Künstler, Intellektuelle, Szenis und Homosexuelle tummeln. Stadtführer Theodore Barrow von Big Onion Walking Tours nahm uns mit auf einen zweistündigen Spaziergang durch das Quartier und gab viele Episoden und Anekdoten zur Geschichte von Greenwich Village zum Besten.

So erfuhren wir zum Beispiel, dass die ehemalige First Lady Eleanor Roosevelt eine sehr vertraute Beziehung zu einer anderen Frau pflegte oder dass John Lennon und Yoko Ono eine Wohnung in Greenwich Village besassen. Und natürlich besuchten wir das Stonewall Inn – jene LGBT-Bar, in der im Sommer 1969 der sogenannte Stonewall-Aufstand ausbrach. Die New Yorker Polizei führte damals, in der Nacht auf den 28. Juni, eine Razzia im Lokal durch, um die Personalien der mehrheitlich homosexuellen Gäste aufzunehmen. Einige wehrten sich, woraufhin es zu Tumulten kam. Dieser Aufstand gilt als entscheidender Katalysator für die LGBT-Bewegung in den USA.

«Big Gay Ice Cream»: Wenn in New York ist ein Besuch in dieser Eisdiele ist ein Muss!
«Big Gay Ice Cream»: Wenn in New York ist ein Besuch in dieser Eisdiele ist ein Muss!
Gay, gay, gay
Die Tour war nicht nur geschichtlich interessant, wir erhielten auch das komplette Gay-Programm. Wie kleine Kinder erfreuten wir uns an der Tatsache, dass in Greenwich Village eine «Gay Street» existiert. Weiter ging es zur tollsten Eisdiele der Welt: Sie heisst «Big Gay Ice Cream Shop», versorgt die Kundschaft mit den besten Sundae-Kreationen seit Anbeginn der Zeit und auf einem ihrer Ladenfenster prangt voller Stolz ein riesiges, märchenhaftes Einhorn, das regenbogenfarbenes Eis isst. Strike!

Juhui, Broadyway!
Am Abend sahen wir «On the Town», eines der vielen Musicals, die am Broadway aufgeführt werden. Das Stück stammt aus dem Jahre 1944 und erzählt die Geschichte von drei Matrosen, die einen 24-stündigen Landurlaub in New York City zur Verfügung haben. Was folgt ist ein rasanter Trip durch die Stadt und die Jagd nach Spass und -natürlich – der Liebe.

Die fast dreistündige Aufführung war schlicht und einfach grossartig: Die Inszenierung opulent, der Gesang ein Genuss, die Tanzsequenzen berauschend. Ein Musical-Erlebnis, das uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Und dann die nächste Stadt!
Der Sonntag lässt sich so zusammenfassen: Aufstehen, packen, auschecken. Taxi, Bahnhof, Zug nach Albany nehmen. Und so erreichten wir am frühen Abend unser Ziel: Albany, die Hauptstadt des Staates New York. Einwohnerzahl: Knapp 100’000. Der Kontrast zu Manhattan war bemerkenswert. Herrschte dort die Betriebsamkeit eines riesigen Bienenstocks, der von einem wildgewordenen Ameisenvolk überfallen wird, ging es in Albany beschaulich zu und her.

Vor allem eines fiel auf: Es war wunderbar still! Wir konnten die Vögel singen und den Wind in den Blättern der Bäume rauschen hören. Und so verbrachten wir einen gemütlichen Abend auf der Terrasse der lokalen «Cheesecake Factory» – mit Abendsonne im Gesicht und einem kühlen Drink in der Hand.


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