Nachbesserungen am Selbstbestimmungsgesetz gefordert
Zu oft wurde im öffentlichen Diskurs das Beispiel von Frauensaunen bemüht, kritisiert die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung
Die Bundesregierung veröffentlicht den Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz. Die Pläne für eine leichtere Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen werden konkreter.
«Mit dem Selbstbestimmungsgesetz führen wir eine einfache und einheitliche Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrages ein. So geben wir den Betroffenen einen Teil ihrer Würde zurück, die ihnen von Staats wegen jahrzehntelang vorenthalten wurde», sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Sie veröffentlichte das Papier am Dienstag gemeinsam mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Nun können die Verbände bis Ende Mai eine Stellungnahme dazu bei den Ministerien einreichen.
Die Ampel-Parteien hatten das Vorhaben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Jeder Mensch in Deutschland soll den Plänen zufolge künftig sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Das Gesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an trans, inter und nicht-binäre Menschen. Es soll das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen (MANNSCHAFT berichtete).
Der Queer-Beauftragte Sven Lehmann (Grüne) erklärte bereits, an einigen Stellen müsse der Entwurf verbessert werden. «Eine Wartezeit von 3 Monaten ist zu lang und sollte verkürzt werden. Wie das TSG sieht der Entwurf auch noch zu viele Ausnahmen im Offenbarungsverbot vor, etwa für ehemalige Partner*innen. Zudem ist der Verweis auf die Gültigkeit des Hausrechts im Gesetz unnötig, zumal in der Begründung ausgeführt wird, dass sich an den Regeln zum Hausrecht und seiner Begrenzung etwa durch den Diskriminierungsschutz aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nichts ändert. Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetz löst bei den Betroffenen massive Ängste vor neuen Ausschlüssen aus, gerade angesichts transfeindlicher Entwicklungen überall auf der Welt. Wenn Teile des Gesetzentwurfs Angst bei denen auslöst, die er schützen soll, dann müssen sie verändert werden.»
Er werde als Queer-Beauftragter eine eigene Stellungnahme im Rahmen der Ressortabstimmung vorlegen, so Lehmann. «2023 muss das Jahr werden, in dem wir das Selbstbestimmungsgesetz endlich beschliessen.»
Ähnlich äusserte sich die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman: An einigen Stellen müsse der Gesetzentwurf nachgebessert werden. «Das grösste Problem sehe ich im Begründungstext des neuen Selbstbestimmungsgesetzes. Der geht an wichtigen Stellen ungewöhnlich ausschweifend auf Argumente ein, die sich gegen die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt wenden. Man könnte auch sagen, die Gesetzesbegründung lässt sich auf unsachliche Debatten aus den sozialen Medien ein. Das ist fatal», so Ataman.
Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetzesentwurf ist überflüssig.
«Zum Beispiel darf das Selbstbestimmungsgesetz nicht den Eindruck vermitteln, man müsse die Geschlechtsidentität von trans Menschen nicht immer so genau nehmen, etwa wenn sie Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Allein aufgrund der äusseren Erscheinung darf niemand pauschal ausgeschlossen ausgeschlossen werden – hier ist das AGG eindeutig und das darf nicht in Frage gestellt werden.» Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetzesentwurf sei deshalb überflüssig.
Besonders oft wurde im öffentlichen Diskurs das Beispiel Frauensaunen bemüht, so Ataman weiter (MANNSCHAFT berichtete). Dabei seien die meisten Saunen gemischtgeschlechtlich, ohne dass es vergleichbare Debatten um den «Schutzraum Sauna» geben würde. «Das Szenario, Männer würden sich künftig amtlich als Frauen registrieren lassen, um in eine Frauensauna einzudringen, ist nicht schlüssig. Auch von trans Frauen in Saunen sind keine Störungen bekannt. Trans Frauen als Gefahr darzustellen statt als schutzwürdig, ist falsch und infam. Das Selbstbestimmungsgesetz gibt trans, nicht-binären und inter Menschen endlich auch in Deutschland den Schutz und die Rechte, die sie in anderen Ländern längst haben. Nicht mehr und nicht weniger.»
Der LSVD begrüsste zunächst die Veröffentlichung des Entwurfs. «Betroffene und ihre Interessensvertretungen haben seit der Vorstellung des Eckpunktepapiers im Juni 2022 lange auf diesen nächsten Schritt gewartet, der sich mehrfach verschoben hat», sagte Mara Geri aus dem Bundesvorstand. Der Verband wolle die Regelungen nun genau analysieren.
Ähnlich äusserte sich der Bundesverband Trans*. «Viel zu lange hat auf politischer Ebene die Initiative gefehlt, eine menschenrechtsbasierte Regelung auf den Weg zu bringen. Endlich geht die aktuelle Regierung dieses längst überfällige Vorhaben an und präsentiert den Verbänden einen Entwurf», sagte Kalle Hümpfner.
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