«Meine Eltern sagen, LGBTIQ ist Quatsch!»
Queerfeindlichkeit ist in Schulen deutlich gestiegen, wird aus Köln berichtet
Die zunehmend queerfeindliche Stimmung in der Gesellschaft erreicht verstärkt die Schulen, warnt das LGBTIQ-Aufklärungs- und Antidiskriminierungsprojekt «WiR* – Wissen ist Respekt» aus Köln.
«Wir beobachten, dass immer mehr Schüler*innen von Ihren Eltern an der Teilnahme an den Workshops gehindert oder auf ihren eigenen Wunsch entschuldigt werden», sagt Dominik Weiss, Projektleiter von WiR*, dem Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt des Anyway. «In den letzten Monaten nahmen in Extremfällen bis zu zwei Drittel einer Klasse nicht an Workshops teil. In einigen wenigen Fällen mussten die Workshops sogar wegen zu geringer Schüler*innenzahl von den Schulen abgesagt werden.»
Die Workshops von WiR* klären über Lebensweisen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans, inter und queeren Menschen auf, helfen laut Eigenbeschreibung Vorurteile zu reflektieren und leisten einen Beitrag für ein tolerantes Schulklima und eine offene Gesellschaft. Doch die Berater*innen erleben in den vergangenen drei Jahren eine Verschärfung von queerfeindlichen Ressentiments. Dazu trügen Effekte durch das Homeschooling während der Pandemie bei, aber auch die angeheizten gesellschaftlichen Diskurse über Gendern, Regenbogensymbolik im Fussball und das geplante Selbstbestimmungsgesetz, erklärt Anyway gegenüber MANNSCHAFT.
Wenn meine Schwester lesbisch wäre, würde ich sie schlagen und von zuhause rausschmeissen.
Die Stimmung in den Workshops habe sich verändert. «Neben vielen Schüler*innen, die offen und zugänglich sind, gibt es immer mehr, die dem Thema deutlich ablehnend gegenüberstehen. Sie äußern dies auch zunehmend laut, stören die Workshops bewusst durch ihr Verhalten und sind in Teilen verbal aggressiv», sagt Weiss. In den Feedbacks zu den Workshops schrieben Schüler*innen zuletzt auch häufiger Sätze wie «In euren Workshops werden Lügen erzählt!», «Meine Eltern sagen, LGBTIQ* ist Quatsch!», «Es gibt nur Mann und Frau!», «Ich hasse Schwule» oder «Wenn meine Schwester lesbisch wäre, würde ich sie schlagen und von zuhause rausschmeissen.»
Vereinzelt sei es nach Workshops zu Anrufen im Anyway gekommen, in denen einzelne Ehrenamtliche des Aufklärungsprojekt beleidigt oder lächerlich gemacht wurden. «Die Aufklärungsarbeit befindet sich in einem Teufelskreislauf wie wir ihn in den letzten 25 Jahren nicht im anyway hatten», erklärte Jürgen Piger, geschäftsführender Vorstand des Anyway e.V. «Mehr Queerfeindlichkeit sorgt für mehr Nachfrage zu herausfordernden Bedingungen. Mit unseren aktuellen Ressourcen können wir aus diesem Kreislauf nicht herausbrechen.»
Das Anyway sei mit seiner Feststellung gestiegener Queerfeindlichkeit in Aufklärungsworkshops nicht allein. Auch das andere Kölner Aufklärungsprojekt «Schlau Köln» sowie weitere Projekte in ganz NRW machten ähnliche Beobachtungen. Die aktuelle Situation stellt die Antidiskriminierungsarbeit vor neue Herausforderungen. Bisher sind es meist speziell geschulte Ehrenamtliche, die die Workshops für Schulklassen durchführen – und zwar kostenlos und in ihrer Freizeit. Die queerfeindliche Stimmung trübt das Engagement, ist seelisch belastend und in Teilen überfordernd. «Es braucht viel mehr pädagogisches Standing und Qualifizierung, um die Workshops unter diesen Bedingungen durchführen zu können», sagt Dominik Weiss.
Zahlen werden von Anyway nicht erhoben, darum haben wir bei der Polizei Köln nachgefragt, ob sich diese Entwicklung an den registrieren Strafttaten ablesen lässt. Dort erfasst man erst seit Mitte 2021 in einer gesonderten Auswertung Straftaten, bei denen ein queerfeindliches Tatmotiv wahrscheinlich ist.
Mit Blick auf den Vergleich von 2022 zu 2023, lag die Zahl im Jahr 2022 bei rund 20 Straftaten, ein Jahr später bei rund 30 Delikten, darunter Beleidigungen, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Diese gesonderte Erfassung sei noch so «jung“, teilt die Polizei gegenüber MANNSCHAFT, «sodass valide Aussagen zu längerfristigen Entwicklungen queerfeinlicher Gewalt nicht möglich sind». Eine Sensibilisierung sowohl in Gesellschaft wie auch unter Mitarbeitenden habe im Bereich «Queerfeindlicher Gewalt» gegebenenfalls zu einer erhöhten Anzeigenbereitschaft der Betroffenen geführt und spiegle nur das Hellfeld wider, so die Polizei.
Köln, darauf weist die Polizei hin, gelte als «bunte» Stadt. Seit 2023 hat die Polizei Köln mit Kriminalhauptkommissar Thorsten Helmers einen Ansprechpartner für die queere Community. Er setze sich für die Aufhellung des Dunkelfelds, insbesondere im Bereich der Diskriminierung und Hasskriminalität ein. Durch Aufklärung und Beratung wirbt er innerhalb der Community für eine höhere Anzeigebereitschaft und Vertrauen in die Arbeit der Polizei. Das sei in dieser Form in NRW einmalig und zeige die hohe Priorität, die die Polizei Köln dem Thema beimesse.
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