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Max Riemelt eröffnet mit «Kopfplatzen» den Salzgeber Club

Im Film geht es um Markus, den pädophile Sehnsüchte quälen – immer wieder wird er von Selbsthass gepackt

Max Riemelt Kopfplatzen
Foto: Salzgeber

Am 2.4. startet der Traditions-Verleih des Queer Cinema den Salzgeber Club. Die Streaming-Premiere bestreitet das Drama «Kopfplatzen». Max Riemelt («Freier Fall», «Sense8») spielt einen Pädosexuellen, der gegen die immer lauter werdenden Rufe in seinem Kopf ankämpft.

Eigentlich ist ein Wort, das in diesen Tagen Hochkonjunktur hat… Eigentlich sollte am 2. April der Film «Kopfplatzen» des Regisseurs Savaş Ceviz in die deutschen Kinos kommen. Und eigentlich sollten wir aus diesem Anlass Hauptdarsteller Max Riemelt zum Interview treffen. Doch durch Corona kam dann alles anderes. Der Film feiert nun – am gleichen Datum – exklusive Premiere auf der Webseite des Verleihs (salzgeber.de) und ist dort als erster von mehreren Film des so genannten Salzgeber Clubs für vier Wochen im Stream zu sehen. Und mit Riemelt sprachen wir stattdessen am Telefon.

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In «Kopfplatzen» spielt Riemelt den Architekten Markus, der zwischen Erfolg im Beruf und Sport mit den Kumpels ein auf den ersten Blick sehr normales Leben fühlt. Doch Markus steht auf kleine Jungs, die pädophilen Gedanken quälen ihn, immer wieder wird er von Selbsthass gepackt. Ausleben tut er seine Neigung nur zu Bildern aus dem Internet und in Chatrooms. Hin und wieder traut er sich mal, im Schwimmbad Fotos von Kindern in Badehose zu schiessen. Doch als nebenan die alleinerziehende Jessica (Isabell Gerschke) mit ihrem achtjährigen Sohn einzieht, lassen sich die Gefühle zusehends schwerer kontrollieren.

Hilfe von aussen ist schwer zu bekommen: Als sich Markus seinem Hausarzt offenbart, schmeisst dieser ihn raus. Und ein Therapeut ermahnt ihn vor allem, seinem inneren Drang zur Tat nicht nachzugeben. Was nichts daran ändert, das sein Geheimnis ihn zusehends innerlich zersetzt.


«Natürlich hatte ich grosse Berührungsängste. Das Thema ist ja eigentlich ein so grosses Tabu, dass kaum wirklich darüber gesprochen wird», sagt Riemelt über seine erste Reaktion, als sein guter Freund Ceviz ihm von dem Film erzählte. «Als Kinofilm konnte ich mir die Thematik anfangs gar nicht vorstellen, geschweige denn selbst die Hauptfigur zu spielen. Auch weil ich ja selbst Vater bin. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich mich mit dem Gedanken anfreunden konnte – und auch danach gab es noch immer wieder Phasen, in denen ich mir unsicher war.»

Betroffene hat Riemelt zu Recherchezwecken nicht getroffen, aber Empathie und Mitgefühl für das Leben mit einer Neigung, die man sich nicht freiwillig aussucht, wollte er trotzdem aufbringen – und beim Publikum auslösen. Natürlich in dem Wissen, dass «wir von einem einzelnen Menschen, nicht generell von einer sexuellen Neigung», wie der Hauptdarsteller betont.

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Nicht jedes Detail in «Kopfplatzen» ist immer stimmig (etwa im Verhalten mancher Figuren) und man wünscht sich in etlichen Szenen, der Film würde noch einen Schritt weiter gehen, was das Ausloten und Durchdringen von Markus’ Gefühlsleben angeht, etwa was die Beziehung angeht, die er mit Jessica beginnt, oder auch das Verhältnis zur eigenen Verwandtschaft, in der es auch einen Neffen gibt. Doch wohl auch, um den Zuschauer*innen manchen Abgrund zu ersparen, setzen Riemelt und sein Regisseur vor allem darauf, die Verzweiflung, Abgeschottetheit und Melancholie spürbar zu machen, die mit der nicht ausgelebten Sexualität einhergeht. Und das gelingt ihnen – sowohl in Riemelts Spiel als auch in Ceviz’ visueller Umsetzung mit beklemmender Eindringlichkeit.

Ein bisschen Zeit für weniger ernste Themen ist dann im Telefonat mit Riemelt trotzdem noch. Dass er – «Freier Fall» (dessen Fortsetzung immer noch auf sich warten lässt) und «Sense8» sei Dank – von Schwulen auf der ganzen Welt gefeiert wird, ist ihm gleichermaßen bewusst wie fremd. Wenn ihm ehrliche Zuneigung entgegen gebracht wird, die nichts mit einer Reduzierung auf Äusserlichkeiten angeht, freut ihn dass allerdings sehr. So wie etwa bei einer Pride-Parade in Brasilien, wo er und das «Sense8»-Team besonders gefeiert wurden.

«Dass die Serie dort gerade bei Teenagern so viel Eindruck gemacht hat und sie ermutigt hat, zu ihrer Identität zu stehen, finde ich toll.» (Eine Pornoseite wollte die «Sense8»-Fortsetzung finanzieren – MANNSCHAFT berichtete).

Nur über die erneute Zusammenarbeit mit «Sense8»-Macherin Lana Wachowski darf er allerdings noch nicht sprechen: um «The Matrix 4» herrscht grösste Geheimhaltung. Bleibt also zu hoffen, dass die Arbeit daran bald weitergehen kann – und der Film (in dem neben Keanu Reeves und Carrie-Ann Moss auch Neil Patrick-Harris, Jada Pinkett-Smith und Jonathan Groff mit von der Partie sein werden) wie geplant 2021 in die Kinos kommen kann.


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