Machtkampf in Portugal: Kriegen die Genossen einen schwulen Chef?
Paulo Rangel war Spitzenkandidat der Europawahl
Die Sozialisten (PS) haben Portugal mit Unterstützung einer bunten Palette linker Parteien sechs Jahre lang solide geführt, ohne Populismus. Das «portugiesische Wunder» wurde im In- und Ausland gefeiert. Damit ist es nun vorbei. Derweil tobt bei der PSD ein Machtkampf.
Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hat zur Beilegung einer Regierungskrise Neuwahlen für den 30. Januar ausgerufen – und dabei alles getan, um die Bürger*innen seines Landes zu beruhigen. «In solchen Momenten gibt es immer eine demokratische Lösung, ohne Drama und Angst», sagte das Staatsoberhaupt am späten Donnerstagabend mit fester Stimme, ja in fast väterlichem Ton. Der Präsident, der in Portugal direkt vom Volk gewählt wird und relativ viel Macht hat, betonte in seiner Rede an die Nation, nach dem Scheitern des Haushaltsentwurfs der linken Minderheitsregierung von Ministerpräsident António Costa (PS) habe er keine Alternative gehabt.
Das Boulevardblatt Correio da Manhã sieht in der noch nicht überstandenen Pandemie, der Versorgungskrise, den steigenden Energiepreisen und nun der innenpolitischen Ungewissheit eine gefährliche Kombination, die einen «schwarzen Winter» ankündige.
Wieso ging Costa praktisch mit keinem einzigen Zugeständnis auf seine Partner zu? Der marxistische Linksblock (BE), die Kommunisten (PCP) und die Grünen (PEV) hatten mit Blick auf die milliardenschweren Corona-Hilfen der EU unter anderem mehr Sozialausgaben gefordert.
Paulo Rangel will den alten Boss Rui Rio stürzen Der ewige Erzrivale der PS, die konservative Sozialdemokratische Partei PSD, wird von einer internen, unschönen Schlacht um den Parteivorsitz erschüttert. Newcomer Paulo Rangel, zuletzt Spitzenkandidat seiner Partei bei der Europawahl 2019, der sich jüngst als schwul outete, will den alten Boss Rui Rio (64) stürzen.
Der 53-Jährige hatte sich Anfang September mit den Worten geoutet: Es sei etwas, das er nie versteckt habe, es sei kein Geheimnis. Allerdings würde er nie in einem Fernsehinterview darüber reden, wenn seine Mutter noch leben würde. Sie war 2019 gestorben.
Auf Twitter wurde Rangel vorgeworfen, er habe – ebenso wie seiner Partei – als Politiker aktiv gegen eine LGBTIQ Gleichstellung gearbeitet.
Doch Costa könnte sich verkalkulieren, meinen einige Beobachter*innen. Es wird befürchtet, dass sich beim Wähler Verdruss und Ärger breit machen und es viele Proteststimmen geben könnte. Davon würde in erster Linie die rechtsextreme Chega! (Es reicht!) von Parteichef Andre Ventura profitieren, die 2019 nur einen Sitz errang, sowie auch die neue Bewegung Liberale Initiative (IL) profitieren, meint etwa «Público»-Kolumnist João Miguel Tavares. Er schrieb: «Chega! und IL können schon die Champagner-Flaschen aufmachen».
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