London: Erste offen lesbische Polizeichefin tritt zurück

Seit ihrem Amtsantritt 2017 war sie umstritten

Dame Cressida Dick bei ihrer Ankunft im New Scotland Yard im Zentrum Londons (Foto: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa)
Dame Cressida Dick bei ihrer Ankunft im New Scotland Yard im Zentrum Londons (Foto: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa)

Der jüngste Skandal war einer zu viel für Cressida Dick: Die Chefin der Londoner Polizei muss gehen. Von Beginn an in der Kritik, schaffte sie es nie, die renommierte Behörde zu reformieren. Ihr Rückzug kommt für die Regierung zum unpassenden Zeitpunkt.

Von Benedikt von Imhoff, dpa

Ein Beamter als Entführer und Mörder, mehrere als Vergewaltiger, andere schreiben sich homophobe, sexistische und rassistische Nachrichten – die weltweit gerühmte Londoner Polizei gibt seit Monaten ein jämmerliches Bild ab. (MANNSCHAFT berichtete) Jetzt folgte die längst erwartete und von vielen als überfällig empfundene Konsequenz: Londons Bürgermeister Sadiq Khan entzog Polizeichefin Cressida Dick das Vertrauen, die 61-Jährige trat daraufhin zurück. Zwar genoss Dick den Rückhalt der britischen Regierung, aber in der Hauptstadt war sie seit ihrem Amtsantritt 2017 umstritten. Premierminister Boris Johnson stürzt die Personalie dennoch in ein weiteres Dilemma.

Letztlich waren es einfach zu viele Skandale, die unter Dicks Führung passierten – und gegen die sie offensichtlich kein Mittel fand. Das Fass zum Überlaufen brachte nun, dass mehrere Beamte der Direktion im Bezirk Charing Cross per Chat Vergewaltigungsfantasien und diskriminierende Botschaften teilten. Die unabhängige Polizeiaufsicht betonte, es handele sich nicht um Einzelfälle. Damit begann 2022 für Dick so, wie das Vorjahr endete.

Kritiker höhnen, die erste Frau an der Spitze von Scotland Yard habe sich allein 2021 häufiger für Fehler entschuldigen müssen als dass wichtige Fälle aufgeklärt worden seien. Am eindrücklichsten ist der Fall Sarah Everard: Ein Beamter entführte, vergewaltigte und ermordete die 33-Jährige. Bei einer Mahnwache gingen Beamte unter Verweis auf die Corona-Regeln mit Gewalt gegen demonstrierende Frauen vor (MANNSCHAFT berichtete). Es folgten Entschuldigungen, weil zwei Beamte Fotos von Leichen machten und an Freunde schickten, eine unabhängige Kommission institutionelle Korruption in der Behörde feststellte sowie Polizeifehler dazu führten, dass ein Serienmörder mehr Opfer umbringen konnte.

Bereits Dicks Amtsantritt war überschattet. Sie war die verantwortliche Ermittlerin, als Beamte 2005 einen unschuldigen Brasilianer für einen Selbstmordattentäter hielten und erschossen. Dabei galt die Senkrechtstarterin, die 1983 als Streifenpolizistin begann, als Vorzeigebesetzung. Sie war die erste Frau an der Spitze der Metropolitan Police und die erste offen homosexuell lebende Führungskraft. Lange wehrte Dick Rücktrittsforderungen ab. Nur wenige Stunden, bevor sie doch dem Druck nachgab, hatte sie noch betont, sie habe «absolut nicht die Absicht» zurückzutreten.

Der widerwillige Rückzug hat die konservative Regierung kalt erwischt. Offensichtlich hatte Bürgermeister Khan, Mitglied der oppositionellen Labour-Partei, seinen Vorstoss nicht mit Innenministerin Priti Patel abgestimmt, die Dicks Vertrag erst vor wenigen Monaten um zwei Jahre bis 2024 verlängert hat.

Schon streut die Regierung, Khan habe allein aus politischem Interesse gehandelt. Premierminister Boris Johnson und Innenministerin Patel sprachen Dick demonstrativ Lob und Anerkennung aus. Kein Wort der Kritik. Für Johnson birgt die Personalie Brisanz. Denn es ist an seiner Innenministerin – in Absprache mit Bürgermeister Khan – den Top-Posten der wichtigsten Polizeibehörde des Landes neu zu besetzen.

Die Aufgabe ist delikat: Denn wegen der «Partygate»-Affäre steht der Premier selbst im Visier. Ermittler wollen auch den 57-Jährigen wegen der mutmasslichen Feiern in seinem Regierungssitz befragen. Auch dieser Fall hatte zum Druck auf Dick beigetragen. Die Met weigerte sich lange, die Lockdown-Partys in der Downing Street näher unter die Lupe zu nehmen. Als sie es dann doch tat, führte das dazu, dass ein interner Ermittlungsbericht nur in knapper Form erscheinen durfte.

Der Chef der oppositionellen Liberaldemokraten, Ed Davey, forderte, Johnson dürfe am Auswahlprozess nicht mitwirken. «Ein Mann, gegen den die Met strafrechtlich ermittelt, darf nicht in der Lage sein, zu wählen, wer dafür verantwortlich ist», twitterte Davey.

Für eine Weile soll Dick Medienberichten zufolge noch im Amt bleiben, um eine geordnete Übergabe zu ermöglichen. Als möglichen Nachfolger werden laut BBC und dem Online-Portal «Politico» einige Kommissare gehandelt, die bereits in anderen Landesteilen Polizeieinheiten geleitet haben. Bürgermeister Khan mahnte, der oder die Neue müsse das Vertrauen der Londoner in die Met wiederherstellen. Eine Wortwahl, die zeigt, wie tief die Gräben sind.

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