«LGBTIQ in Afghanistan sind massiver Verfolgung ausgesetzt»

Hilfsorganisationen fordern dringende Unterstützung

Zivilist*innen am Hamid Karzai International Airport (Foto: U.S. Marine Corps via ZUMA Wire/dpa)
Zivilist*innen am Hamid Karzai International Airport (Foto: U.S. Marine Corps via ZUMA Wire/dpa)

In der afghanischen Hauptstadt Kabul belagern weiterhin Tausende Menschen die Eingänge zum Flughafen. Sie hoffen allesamt auf auf einen Platz in einem Flugzeug, um nach der Machtübernahme der islamistischen Talibankämpfer zu fliehen. Hilfsorganisationen weisen nun auf das Schicksal von LGBTIQ in dem Krisenstaat hin.

Dringende Unterstützung für akut gefährdete Menschen sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in Afghanistan fordern die Rosa Strippe aus Dortmund, Schwulenberatung Berlin und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF).

«Seit der Machtübernahme der Taliban erreichen uns grausame Bilder und Nachrichten von Menschen, die in Afghanistan mit massiver Gewalt, Folter und Tod rechnen müssen», heisst es in einer Pressemitteilung von Samstag. Insbesondere Angehörige sexueller und geschlechtlicher Minderheiten seien durch die radikalen politischen Kräfte, die nun die Macht im Land übernommen haben, gefährdet. Die akute Bedrohung betreffe insbesondere Frauen und Mädchen, aber auch alle Menschen, deren geschlechtliche und sexuelle Identität von der vermeintlichen gesellschaftlichen Norm abweicht und damit (ungewollt)gelebten Widerstand gegen die islamistische Herrschaft bedeutet.

«In der aktuellen Situation, in der täglich bestehende Schutzhäuser für Aktivist*innen aufgelöst werden und Betroffene zum eigenen Schutz untertauchen, ist es besonders schwierig, Strukturen vor Ort zu finden und zu erreichen, die sich für LGBTIQ einsetzen», heisst es in der Mitteilung weiter.

Zum Schutz dieser Menschen fordern die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.), Rosa Strippe e.V. sowie die Schwulenberatung Berlin zum einen die Rettung von Personen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen und/oder sexuellen Identität mit Gewalt und dem Tod rechnen müssen, etwa in Form von Kontingentlösungen; zudem müssten internationale Hilfs-und Kooperationsmassnahmen für LGBTIQ Rechte nachhaltig unterstützt und Wege der Unterstützung von Akteur*innen vor Ort, trotz der Herrschaft der radikal-islamistischen Taliban, gefunden werden.

Während der vergangenen 20 Jahre seien LGBTIQ als Zielgruppe internationaler Hilfs-und Kooperationsmassnahmen ausgeblendet werden. Jene Menschen, die sich in Afghanistan für LGBTIQ Rechte einsetzen, seien bei den aktuellen Evakuierungsversuchen und damit für die politischen Entscheidungsträger*innen unsichtbar. Selbst die direkte, zum Beispiel finanzielle Unterstützung wird dadurch erschwert.

Alva Träbert von Rosa Strippe e.V. erklärt: «Sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in Afghanistan sind massiver LGBTIQ-feindlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung ausgesetzt. Sie erleben sexualisierte Gewalt, Folter, Zwangsheirat, Konversionsversuche, aber auch die Verweigerung von Schutz und medizinischer Versorgung.»

Nach der Aufnahme in Deutschland stehen Flüchtende, die aufgrund ihrer Sexualität und geschlechtlichen Identität Verfolgung und Gewalt erfahren haben, vor der Herausforderung, ihre Erlebnisse und ihre Identität für deutsche Asylbehörden und Aufnahmeeinrichtungen verständlich zu machen. Vielen fehlt das Wissen über ihre bestehenden Schutzrechte innerhalb der EU. Hinzu kommt, dass westliche Identitätskategorien wie schwul, lesbisch, bisexuell, transident für die Geflüchtetenunter Umständen bislang weder bekannt noch relevant waren. Nichtsdestotrotz wurde sexuelle und geschlechtliche Vielfalt von ihrem Umfeld als krankhaft, sündhaft und kriminell stigmatisiert.

Dabei ist in vielen Fällen gerade die strafrechtliche Verfolgung bestimmter sexueller Handlungen ein direktes Relikt europäischer Kolonialbesetzung. Die hohen Barrieren in der Unterstützung vor Ort sowie der Identifizierung von Schutzbedürftigkeit in Deutschland erschweren den Zugang zu Sicherheit massiv.

«Es ist daher wichtig, dass afghanische LSBTIQ* jetzt Schutz und Asyl in Städten finden, in denen es staatliche Verfahren und Community-Angebote gibt, die die Ressourcen und Kompetenz haben, Unterstützung mit adäquaten und sensiblen Angeboten zu leisten», erklärt Stephan Jäkel von der Schwulenberatung Berlin.

Leonie Teigler von der BAfF sagt: «Die psychosozialen Zentren für Überlebende von Krieg, Verfolgung und Flucht bieten LGBTIQ Geflüchteten in Kooperation mit spezialisierten Beratungsstellen einen Raum der Anerkennung und des Vertrauens, sich mit ihrer Identität und den oft traumatisierenden Erfahrungen auseinanderzusetzen.»

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