Marcel Mann: Im Wald vor lauter Bäumen
Eine neue Folge unserer MANNSCHAFT+-Kolumne «Mannstruation»
Unser Kolumnist Marcel Mann hat einen Herbstblues. Ihn konnte nicht mal das «Sommerhaus der Stars» trösten.
Nur die Harten kommen in den Garten, und die Härteren kommen zur Gärtnerin … Neulich war ich am Grab meiner Eltern. Keine Sorge, sie leben noch!
Meine Mutter hat sich nur was gegönnt. Sie hat sich einen Baum auf dem Friedwald gekauft. Wohl während eines seltsamen Anflugs von Nestbautrieb. Aber gut, man sagt ja immer, man solle in seine Zukunft investieren. Bitcoins waren nie ihr Ding. Sie mag Holz.
Nun habe ich die kleine Ulme mit ihr und meinem Vater besichtigt. Ein ganz normaler Sonntagsausflug mit der Familie. Back to the roots. Kennt man. Waldsparziergänge sollen ja gut für Körper und Geist sein. Fun Fact: Es dauerte einen Moment, bis wir bei der letzten Ruhestätte ankamen, denn beide konnten den Baum nicht mehr finden. Da gibt es sogar ein Sprichwort zu.
Zum Baum gehören insgesamt zehn Urnengräber. Wir haben in der Familie überhaupt keine potenziellen zehn Verstorbenen, sodass ich davon ausgehen kann, dass meine Mutter plant nach ihrem Ableben zu vermieten. Sie ist und bleibt ein Sparfuchs. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Spaziergang zum Mehrparteienbaum. Oder ist es ein Mehrgenerationenbaum? Jedenfalls ist es Echtholz.
Ach ja, an alle die kein Auge für das Offensichtliche haben: Es ist Herbst. Auch ausserhalb des Waldes. Nicht meine Lieblingsjahreszeit. Was finden die Leute eigentlich am Herbst? Würde ich eine Rangfolge der Jahreszeiten erstellen, dann stünde selbstverständlich der Frühling mit weitem Abstand an der Spitze. Auf Platz zwei läge der Sommer, dessen Unzuverlässigkeit zwar häufig nervt, der aber durch seine Aussicht auf Sommerurlaub und seine Nähe zum Frühling zu punkten weiß. Zum Winter habe ich ein unterkühltes Verhältnis, schliesslich kann man ihn nur in seltenen Fällen vom Herbst unterscheiden. Meist am Geruch von Zimt und saurem Glühwein. Weihnachten ist immerhin ein Highlight im Jahr und Silvester sowieso. Da saufen sogar die Amateure.
Auch nach langem Nachdenken ist mir bislang noch kein solider Grund eingefallen, dieser bleiernen Zeit zwischen dem Ende der Sommers und dem Beginn der Vorweihnachtszeit viel Positives abgewinnen zu können. Die leuchtend bunten Blätter der Bäume wird in diesem Zusammenhang gerne genannt – doch erinnert sie mich immer nur daran, dass ich bald wieder die Laubbläser um die Wette blasen und pusten mit einem teretorialen Verhalten wie Elche im skandinavischen Frühjahr. Es gibt doch nur eine Hand voll Tage, die wirklich golden sind. Der Rest ist grau und feucht.
Nicht mal das RTL-Trash-Format «Sommerhaus der Stars», welches diese Saison in den Oktober fällt, weiss zu überzeugen. Normalerweise liefern Menschen, die ihre toxischen Beziehungen für Geld zum Lüften nach draussen hängen, mehr ab. Vielleicht hab ich mir auch dran satt gesehen. Es ist ja auch vermutlich nicht viel Geld. Vermutlich gerade so viel, dass es einen durchs Jahr schleppt und man knapp in keine andere Branche wechseln muss. Försterin im Friedwald zum Beispiel. Nee nee, lieber die eigene Würde zu Grabe tragen…
Zurück zum Herbst: Vorgestern habe ich zum ersten Mal in dieser Saison einen Cashmere Pullover getragen (Ja, ich bin auch Fashion-Blogger. Folgt mir auf FlixBus!) und plötzlich wurden es draussen wieder 17 Grad. Das nenne ich Heimtücke einer Jahreszeit. Ich hab sogar nochmal Weiss- anstatt Rotwein getrunken. Dabei hatte ich mit der Farbe für dieses Jahr doch schon abgeschlossen. Aber ich bin ja Flexitarier, ich komme drüber hinweg.
MOOOOment! Halt stop. Herbst ist Weinlesezeit. Und ich liebe Wein! Es ist also nicht alles schlecht. Grundsätzlich bin ich ja eh ein Mensch, dessen Glas eher halb voll ist, aber jetzt ist der Korken geplatzt oder wie es heisst. Beim Vorbeifahren an Weinbergen habe ich mich schon immer gefragt: Kann man an den Farben die Rebsorten erkennen? (Fünf Minuten später)
Danke, Internet! Man kann. Das Farbenspiel ist einfach: Am häufigsten leuchten die Weinberge gelb, weil gelb für alle Weissweinsorten steht. Gelb steht zudem für alle Trollinger. Lemberger hingegen strahlt rot, Spätburgunder nur leicht rötlich, Dornfelder und Cabernet dagegen wunderbar dunkelrot.
Darauf ein Pinot Noir (ist exakt das selbe wie ein Spätburgunder, aber man kommt sich wesentlich internationaler beim Trinken vor). Da sag noch einer, hier würde man nichts fürs Leben lernen. P.S.: Diese Kolumne wurde teilweise angetrunken geschrieben. P.P.S: Trinkt verantwortungsvoll!
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