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Ich bin dann mal raus – Neuer Rekord an Austritten aus Katholischer Kirche

Noch zählt sie 21.645.875 Mitglieder

Kirche
Foto: Karl Fredrickson/Unsplash

Die katholische Kirche in Niedersachsen haben im vergangenen Jahr so viele Menschen verlassen wie noch nie. Insgesamt kehrten 18 033 Menschen den drei katholischen Bistümern im Land den Rücken, so die Deutsche Bischofskonferenz am Montag. Bundesweit sieht es nicht besser aus.

Im vergangenen Jahr sind so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie noch nie. 359.338 Katholik*innen kehrten ihr allein 2021 den Rücken, wie die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Montag in Bonn mitteilte. «Für uns ist das die bisher höchste Zahl», sagte DBK-Sprecher Matthias Kopp.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zeigte sich «zutiefst erschüttert über die extrem hohe Zahl von Kirchenaustritten». Sie sei Zeugnis einer «tiefgreifenden Krise, in der wir uns als katholische Kirche in Deutschland befinden», sagte er. «Es ist nichts schönzureden.»

2020 hatten mit 221 390 Menschen noch deutlich weniger Katholik*innen die Kirche verlassen, 2019 – im Jahr vor Corona – lag die Zahl nach DBK-Angaben bei 272.771.


Die katholische Kirche zählte noch 21.645.875 Mitglieder – das macht 26 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Und von denen geht lediglich ein winziger Bruchteil am Sonntag in die Kirche: Nur noch 4,3 Prozent der Katholik*innen besuchten 2021 regelmässig einen Gottesdienst. Im Jahr davor waren es noch 5,9 Prozent.

Auch die Zahl der katholischen Priester ging um mehr als 2000 deutlich zurück: von 12 565 im Jahr 2020 auf 10 313 im vergangenen Jahr. 2021 gab es noch 9790 Pfarreien in Deutschland – 68 weniger als im Jahr davor.

«Zu diesen Zahlen müssen wir die Erkenntnis hinzulegen, dass mittlerweile nicht nur die Menschen austreten, die zu ihrer Pfarrei schon über einen längeren Zeitraum wenig oder sogar keinen Kontakt hatten, sondern es mehren sich Rückmeldungen, dass Menschen diesen Schritt gehen, die bisher in den Pfarreien sehr engagiert waren», sagte Bätzing. «Es gibt keine Selbstverständlichkeiten mehr für uns als katholische Kirche. Wir müssen uns neu erklären, erläutern was wir tun und warum wir es machen.»


Eine kurzfristige Trendumkehr ist allerdings mehr als unwahrscheinlich. Die nun vorgelegten Zahlen aus 2021 spiegeln noch nicht einmal die Erschütterung wieder, die die katholische Kirche in Deutschland nach dem Münchner Missbrauchsgutachten im Januar dieses Jahres erlebte. Die Auswirkungen der Studie werden sich erst in der Kirchenstatistik niederschlagen, die im kommenden Jahr veröffentlicht wird.

Wir hatten so viele Kirchenaustritte wie noch nie.

Ein Blick in das traditionell katholische Bayern zeigt, dass für das laufende Jahr ein weiterer Negativrekord droht: «Wir hatten so viele Kirchenaustritte wie noch nie», sagte der Sprecher des Kreisverwaltungsreferates München, Johannes Mayer, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Zwischen dem 1. Januar und dem 22. Juni dieses Jahres traten demnach allein in München 14 035 Menschen aus der Kirche aus – über alle Konfessionen hinweg. Im gleichen Zeitraum 2021 waren es 10 472 und 2019 mit 7556 noch deutlich weniger.

Das Bistum Osnabrück verliessen 6146 Christ*innen, im Bistum Hildesheim waren es 10 152. Das Bistum Münster, dessen Gebiet zum Teil auch in Niedersachsen liegt, verzeichnete insgesamt 22 614 Austritte. Die Gesamtzahl der Katholikinnen und Katholiken sank in Niedersachsen auf 1,277 Millionen. Ende 2020 hatte die katholische Kirche noch 1,302 Millionen Mitglieder.

Auch im kleinsten Bundesland Bremen nahm die Zahl der Katholiken ab: Sie sank von 64 874 Ende 2020 auf 62 925 Ende 2021. Der Norden der Stadt Bremen und Bremerhaven gehören zum Bistum Hildesheim, der grössere Teil der Stadt Bremen zum Bistum Osnabrück.

«Mich machen die hohen Austrittszahlen sehr betroffen», sagte dazu der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Es liege auf der Hand, dass die Glaubwürdigkeit der Kirche durch die unzähligen Missbrauchsfälle in den vergangenen Jahren massiv gelitten habe.

Wilmer nannte auch den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten oder homosexuellen Menschen (MANNSCHAFT berichtete), die kirchliche Sexualmoral und die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei kirchlichen Ämtern als Motive für den Kirchenaustritt. «Ich weiss aus vielen Gesprächen und Briefen, dass nicht nur wenig gläubige Menschen, sondern bisweilen auch sehr gläubige Menschen austreten.»

«Der Anstieg der Kirchenaustritte kommt nicht überraschend und ist trotzdem für viele Engagierte in unserem Bistum genauso wie für mich sehr bedrückend», kommentierte der Generalvikar des Bistums Osnabrück, Ulrich Beckwermert. Der Trend setze sich ungebremst fort. Auch Beckwermert stellte fest, dass selbst gläubige Menschen die Kirche verlassen, um ein Zeichen des Protests gegen die Institution zu setzen. Wilmer und Beckwermert verwiesen auf Reformprozesse in der katholischen Kirche, an denen sich beide Bistümer beteiligen.

Auch die evangelische Kirche verzeichnete im vergangenen Jahr einen Mitgliederschwund. So sank die Zahl der Mitglieder der Landeskirche Hannover um 58 000 Menschen auf 2,368 Millionen Mitglieder. Rund 32 000 Menschen traten aus der Landeskirche aus.

Ein auffälliger Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten sei jedoch, dass Katholiken häufiger austräten, weil sie sich wirklich über den Zustand ihrer Kirche aufregten, zum Beispiel über die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen. «Es ist bei den Katholiken deutlich affektiver, das kann man schon festhalten. Aber selbst bei den Katholiken sind es nur 37 Prozent, die konkrete Austrittsanlässe angeben.»


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