Katholikentag in Stuttgart endet mit Aufruf zu umfassender Kirchenreform
Beim Abschlussgottesdienst kamen mehrfach queere Paare zu Wort
Am Ende des Stuttgarter Katholikentags wurde es in einem grossen Abschlussgottesdienst noch einmal feierlich. Dabei gingen die Gläubigen unangenehmen Themen nicht aus dem Weg.
Mit einem Bekenntnis zur Ukraine ist am Sonntag der Katholikentag in Stuttgart zu Ende gegangen. Christ*innen müssten die Ukrainer*innen «in ihrem Ringen um ein Leben in Freiheit und Unversehrtheit unbedingt unterstützen», sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, am Ende eines aufwendig gestalteten Gottesdienstes auf dem Stuttgarter Schlossplatz.
Gleichzeitig betonte sie: «Militär allein kann die weltweiten Krisen, die der Krieg schon jetzt ausgelöst hat, nicht beenden.» In diesem Zusammenhang mahnte sie mehr Geld für den Entwicklungsetat an: «Wir müssen Hungersnöte verhindern.»
Als weitere Botschaft des Katholikentags nannte Stetter-Karp den Aufruf zu einer umfassenden Kirchenreform. «Der Synodale Weg, auf dem die Kirche in Deutschland unterwegs ist, muss spürbare Veränderungen erwirken.» Dieser seit drei Jahren laufende Prozess bemüht sich unter anderem um eine stärkere Stellung von Frauen in der Kirche und um eine menschenfreundlichere Sexualmoral. (MANNSCHAFT+ berichtete über einen schwulen Pastor in Kolumbien, der sagt Gott sei queer und eine LGBTIQ-Inklusion in der Kirche vorlebt.)
In dem Gottesdienst kamen mehrfach auch queere Paare zu Wort. Sie forderten eine Kirche ohne Angst und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.
Auseinandersetzung mit christlichem Antisemitismus Ausgehend von einem Bibeltext, in dem den Juden die Schuld für die Steinigung des Heiligen Stephanus zugeschoben wird, setzte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, mit christlichem Antisemitismus auseinander. «Hier tragen wir Christen eine schwere Bürde», sagte der Limburger Bischof.
«Was das Christentum über die Jahrhunderte durch Abwertung und Verleumdung an Schuld auf sich geladen hat, ist schier unermesslich. Ich bin froh, dass wir heute von und mit unseren Geschwistern im Glauben versöhnt sprechen können. Als Kirche setzen wir uns mit allen Kräften gegen jede Art von Antisemitismus ein.» Die Teilnehmer*innen des Open-Air-Gottesdienstes reagierten darauf mit spontanem Beifall. (MANNSCHAFT berichtete über die Reformdiskussion in der katholischen Kirche.)
Als Symbol des Teilens wurde in dem Gottesdienst ein riesiger Martinsmantel aus 1100 individuell gestalteten Stoffstücken wieder in Einzelteile zerlegt.
Insgesamt verzeichnete der Katholikentag etwa 27.000 Präsenz-Teilnehmer*innen, davon 20.000 Dauerteilnehmer*innen und 7000 Tagesgäste. Beim letzten Katholikentag 2018 in Münster waren mehr als drei Mal so viele Teilnehmer*innen gezählt worden, etwa 90.000. Der starke Rückgang wird zum einen auf die Corona-Pandemie, zum anderen auf die Krise der Kirche etwa durch den Missbrauchsskandal zurückgeführt.
Die humanistische Giordano-Bruno-Stiftung, die sich in der Tradition der Aufklärung sieht, kritisierte die öffentlichen Zuschüsse von Stadt, Land und Bund für den Katholikentag. «Diese absurd hohen Fördersummen sind mit einem weltanschaulich neutralen Staat nicht zu vereinbaren», sagte Aktionsleiter David Farago. (MANNSCHAFT berichtete über die Giordano-Bruno-Stiftung und ihre Forderungen zur Säkularisierung Deutschlands.)
ZdK-Präsidentin Stetter-Karp sagte dagegen, mit vorherigen Katholikentagen könne der in Stuttgart nicht verglichen werden, da es solche analogen Grossveranstaltungen wegen Corona fast zwei Jahre lang nicht mehr gegeben habe.
«Wir sind auferstanden aus einer Zeit der Bedrückung, der Lockdowns, der Vereinzelung», sagte sie. «Wir sind wieder auf dem Weg zu einer Gesellschaft des Miteinanders. Das hat dieser Katholikentag gezeigt.» Dabei hätten sich die Gläubigen nicht gescheut, «den Finger in die Wunden der Zeit zu legen».
Mit Blick auf den nächsten Katholikentag 2024 in Erfurt sagte Stetter-Karp der Deutschen Presse-Agentur, man werde vor Neuerungen und Anpassungen nicht zurückschrecken und dazu «die Erfahrungen in Stuttgart gründlich auswerten».
Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lud zum evangelischen Kirchentag im kommenden Jahr nach Nürnberg ein. De Maizière ist Präsident dieses Kirchentags.
Bischof Bätzing widersprach dem Vorwurf, dass sich in der katholischen Kirche sowieso nie etwas ändern werde. Vieles könnten die deutschen Katholik*innen selbst bewegen. Bei Reformen, die nur mit der Weltkirche zustande gebracht werden könnten, brächten sich die deutschen Katholik*innen auf der von Papst Franziskus angekündigten Weltsynode ein: «Da haben wir eine Chance, die nicht grösser sein kann», sagte Bätzing. «Ich bin sicher, diese Fragen kommen nicht nur aus Deutschland.»
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