Isherwood und Bachardy – 33 Jahre offene Beziehung
Die Ausstellung «My Dearest Sweet Love» im Schwulen Museum in Berlin beleuchtet die 33 Jahre währende Beziehung zwischen den beiden Künstlern
Am Freitagabend eröffnete im Schwulen Museum (SMU) «My Dearest Sweet Love – Christopher Isherwood & Don Bachardy». Die Schau beleuchtet die lange Beziehung zwischen dem Schriftsteller und dem Maler. Zudem wirft sie ein neues Licht auf Isherwoods prägende Jahre in Berlin zwischen 1929 und 1933.
Gezeigt werden in der sehenswerten SMU-Ausstellung neben Bachardys berühmten Isherwood-Porträts auch seine Bilder amerikanischer LGBTIQ-Aktivist*innen und eine Serie von Männer-Akten. Dazu werden Wayne Shimabukurus Aufnahmen der letzten gemeinsamen Monate des Paares präsentiert. Auch zwei Originale von David Hockney sind Teil der Schau: die weltbekannte Lithographie «Don Bachardy; Christopher Isherwood» von 1976 und ein grossformatiges Bachardy-Porträt aus dem Jahr 2018, das in Berlin zum ersten Mal überhaupt ausgestellt wird.
Der Schriftsteller Christopher Isherwood (1904 – 1986) und der Maler Don Bachardy (geb. 1934) zogen 1953 in Hollywood zusammen, als sowas noch als unerhört galt. An die Ehe für alle dachte damals niemand, in den Medien gab es keine offen schwulen Paare. Isherwood war zu dem Zeitpunkt ein erfolgreicher Drehbuchautor, berühmt für seinen Roman «Goodbye to Berlin», aus dem später das Musical «Cabaret» wurde – die Filmfassung erhielt acht Oscars! Der 30 Jahre jüngere Bachardy begann gerade mit der College-Ausbildung und musste noch seine Identität finden; in den Sechzigerjahren schaffte er den Durchbruch als Künstler.
Eifersucht und Besitzansprüche Isherwood, der sich als Hindu dem Ideal des Nichtbindens verschrieben hatte, unterstützte Bachardys Wunsch nach Unabhängigkeit. Beide hatten nebenher verschiedene Liebhaber, dennoch blieb ihre Beziehung sexuell aktiv. Sie kämpften mit Eifersucht und Besitzansprüchen. Ihre Partnerschaft überlebte und wurde, wie Katherine Bucknell bemerkt, zu einer «homosexuellen Modellbeziehung: bewundert, beneidet, kommentiert, nachgeahmt». 1972 beschrieb Isherwood ihr gemeinsames Leben als «meine Vorstellung vom ‹irdischen Paradies›».
Seine Karriere als Schriftsteller erlebte eine zweite Blüte: «A Single Man» (1964) und «Christopher and His Kind» (1976) sicherten ihm einen Platz im Herzen der jungen Gay-Liberation-Bewegung. Isherwood arbeitete mit Bachardy zusammen an Bühnen- und Filmprojekten, Bachardy malte die Stars und Aktivist*innen seiner Zeit.
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Armistead Maupin («Tales of the City») betitelte die beiden präsidial als «The First Couple». Der Maler David Hockney schuf 1968 das berühmte Doppelporträt, das beide in ihrem Wohnzimmer zeigt. Der Schriftsteller und Essayist Edmund White, der zur Vernissage nach Berlin kam, bemerkte einst: «Wir betrachten eine glückliche Ehe selten als eine echte Leistung, obwohl sie das offensichtlich ist – es handelt sich geradezu um eine ästhetische Errungenschaft. Man braucht dafür Sinn für Proportion, Kreativität, Empathie, Geduld, Durchhaltevermögen, Gelassenheit und Grosszügigkeit des Geistes, genau wie beim Erschaffen eines Romans oder Theaterstücks.»
Und der Autor Christopher Bram («Gods and Monsters») ergänzte: «Weil homosexuelle Paare ihre eigenen Regeln erfinden mussten, wählten sie oft solche, die flexibler und realistischer sind als die, die in der heterosexuellen Ehetradition über Jahrhunderte vorgeschrieben wurden.»
Denke daran, dass körperliche Nähe wichtiger ist als Sex
Die Partnerschaft zwischen den Männern bedurfte der permanenten Selbstreflexion und Neujustierung, dokumentiert in den künstlerischen Werken des Paares, in Tagebüchern, Briefen, Gemälden und Fotografien. Isherwood sagte einmal: «Versuche nicht, deine Beziehung exklusiv zu machen. Versuche, deine Rolle darin so besonders zu machen, dass niemand sie dir streitig machen kann, selbst wenn er Affären mit anderen hat. Denke daran, dass körperliche Nähe wichtiger ist als Sex.» Mehr zum Thema: Monogamie – genügen zwei zum Glücklichsein?
«My Dearest Sweet Love» läuft bis zum 26. August 2019 und wird kuratiert vom früheren SMU-Vorstandsmitglied und MANNSCHAFT-Autor Kevin Clarke, Katherine Bucknell und Joe Rodota von der Christopher Isherwood Foundation und dem Research-Assistenten Chris Paxton. Peter Rehberg kuratiert das Begleitprogramm.
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