Guter Wein braucht Reife, aber keine Instagram-Storys
In unserer Reihe über queere Winzer*innen: Cordula Fehlow aus Hessen
Um Instagram-Storys und Newsletter schert sich Cordula Fehlow nicht. Als vielleicht einzige Winzerin in Deutschland kommt sie gänzlich ohne Internet aus.
Keine Website, keine E-Mails, kein Internet. Cordula Fehlow ist es gewohnt, gegen den Strom zu schwimmen. Während andere Winzer*innen die Marketingtrommel rühren, Broschüren drucken und am eigenen Webshop herumbasteln, ist die 56-Jährige lieber in ihren Rebbergen unterwegs – und zwar von morgen früh bis in den Abend hinein. Mit ihrem Weingut in Gelsenheim in der Nähe von Frankfurt am Main hat sich die Winzerin in Deutschland einen Namen für hohe Qualität und einen naturverbundenen Weinbau gemacht.
Kommt hinzu: Cordula hat keinen Führerschein. Als vielleicht einzige Winzerin im Rheingau nimmt sie den Zug, wenn sie die Weinberge am Rüdesheimer Berg und in Assmannshausen bewirtschaftet. Schwere Maschinen sind tabu, höchstens Motorsense, Rückenspritze und Rebenschere kommen bei ihr zum Einsatz. Am liebsten arbeitet sie mit der Sichel. Müssen die Trauben zur Presse, setzt sich stets ein guter Bekannter ans Steuer.
Für Cordula steht die Natur an erster Stelle. Sie greift nur ein, wenn es auch wirklich nötig ist. Dennoch kommt eine Biozertifizierung nicht in Frage, mit der Philosophie dahinter bekundet sie ihre Mühe. «Kaufen Menschen Bio, haben sie oft das Gefühl, sich ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt entledigt zu haben», sagt sie. «Von diesem Schwarz-Weiss- Denken müssen wir loskommen.»
Es war auch die Natur, die Cordula nach dem Abitur zu einem Studium der Forstwissenschaften bewegt hatte. Aufgrund einer starken Sehbeeinträchtigung seit ihrer Geburt konnte sie jedoch nicht in den Beruf einsteigen und studierte daraufhin Weinbau. Ihre Dissertation schrieb sie fächerübergreifend. Das erlernte Wissen aus den Forstwissenschaften wendet sie heute noch an, wenn es etwa um Mikrobiologie oder die Bodenstruktur ihrer Reben geht.
Bereits am Anfang ihrer Weinbaukarriere kam für Cordula nur das Beste in Frage. Sie begann mit dem Weinberg in Assmannshausen, heute bewirtschaftet sie auch die 50-jährigen Rebstöcke an der Steillage des Rüdesheimers Bergs – beides Spitzenlagen. Durch ihre mangelnde Sehkraft fühlt sie sich nicht eingeschränkt, im Gegenteil. «Ich musste ja damit umgehen lernen. Es sind eher die Menschen, die damit Mühe haben. Zum Beispiel fehlt das Verständnis, wenn mich ein Kunde in einer halben Stunde im Weinkeller treffen will, ich aber im Weinberg bin.»
Zum Aushängeschild vom Weingut Dr. Cordula Fehlow zählen der Riesling und der Spätburgunder. Ihre Weine tragen Namen wie «Donner» oder «Gunther», angelehnt an die Opern von Richard Wagner, die sie im Rahmen von Lesungen frei interpretiert und auf ihre Weine überträgt.
Auch auf MANNSCHAFT.com: Das Porträt über das Weingut von Holger Hagen und seinem Ehemann René sowie die Geschichte von Martin Rosenberger, Winzer der zwölften Generation.
Erlesener Wein, eingeschworene Gefolgschaft Die Naturverbundenheit, die gewissenhafte Pflege der Rebstöcke und die penible Qualitätsauswahl – Minderwertiges wird aus dem Ertrag entfernt – haben Cordula eine treue Fangemeinde beschert. Mit der Lese des Rieslings wartet sie auf den letztmöglichen Termin, damit die Trauben ihre Aromen voll entwickeln können. Oftmals ist das Laub zu diesem Zeitpunkt schon gelb. Nach einer mehr als halbjährigen Lagerung kommt der Wein in die Flasche. Geht es nach Cordula, soll er auch dort noch weiter reifen, am liebsten gleich mehrere Jahre. Damit setzt die Weinbauingenieurin einen weiteren Gegenpol zur Weinbranche, die vor allem mit jungen und primärfruchtigen Weinen die Masse anspricht.
In ihren Weinbergen verbringt Cordula ihre ganze Zeit, über die Runden kommt sie jedoch nur knapp. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin arbeitet sie nun an einer Strategie, um mit ihrer Philosophie und ihren Weinen präsenter zu sein. Um das Internet scheint sie dieses Mal nicht rumzukommen. Eine Crowdfunding-Kampagne soll die Finanzierung sichern und Unterstützer*innen Rabatte auf ihre Weine gewähren.
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Für Cordula ist Wein ein Kulturgut, das immer mehr zum Massenprodukt verkommt. «Die Menschen wollen den Wein zuhause bestellen und bequem vor die Füsse geliefert bekommen», sagt sie. Sie hofft, dass die Kundschaft wieder vermehrt den Weg in die Weinkeller findet. «Durch das Verkosten und das Wechselspiel mit anderen Weinen lernt man einen Wein erst richtig kennen und entwickelt seinen persönlichen Geschmack.»
Die Weine von Cordula Fehlow werden von Wein-Kiste.com vertrieben.
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