Gerichte sollen Gewalt gegen LGBTIQ «strafschärfend» berücksichtigen

Bundesjustizminister Buschmann plant weitere Änderungen

Symbolbild (AdobeStock)
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Volle Haftanstalten, hohe Kosten im Justizvollzug: Bundesjustizminister Buschmann will hier Abhilfe schaffen. Zum Beispiel durch Ersatzfreiheitsstrafen, die nur noch halb so lang sind.

Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, soll nach den Vorstellungen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) künftig nicht mehr so viel Zeit ersatzweise hinter Gittern verbringen müssen. Ein Entwurf aus seinem Haus, der am Dienstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt wurde, sieht vor, dass ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr einem, sondern zwei sogenannten Tagessätzen entsprechen soll. Die Zeit hinter Gittern würde dadurch also kürzer.

Wie hoch der jeweilige Tagessatz ist, hängt vom Nettoeinkommen des Verurteilten ab. Geldstrafen, die bei Nicht-Zahlung in die Haftanstalt führen, werden zu etwa einem Drittel wegen kleinerer Diebstähle oder Betrügereien verhängt. Knapp ein Viertel der Fälle betrifft das Schwarzfahren. Eine Entscheidung darüber, ob das Fahren ohne gültigen Fahrschein womöglich demnächst von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird, soll im Zuge dieser geplanten Reform noch nicht getroffen werden. Aus Koalitionskreisen heisst es dazu immer noch, dies werde noch geprüft.

Der Entwurf enthält noch weitere geplante Änderungen auf anderen Gebieten. Unter anderem soll der Katalog der Gründe, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, um «geschlechtsspezifische» und «gegen die sexuelle Orientierung» gerichtete Beweggründe ergänzt werden. Laut Entwurf dient die Aufnahme der Klarstellung der bereits jetzt geltenden Rechtslage, wonach Hass gegen Frauen und LGBTIQ als Tatmotiv unter die Formulierung der «sonst menschenverachtenden» Beweggründe fällt und schon jetzt strafschärfend zu berücksichtigen sei, schreibt Legal Tribute Online.

Kritik kommt von Die Linke.queer. Laut den Bundessprechern, Daniel Bache und Frank Laubenburg, sei die geplante Erweiterung des §46 StGB zwar zu begrüssen, als isolierte Massnahme allerdings völlig unzureichend. «Das Problem beginnt schon bei der verständlicherweise mangelnden Anzeigebereitschaft antiqueerer Straftaten. Der immer wieder vorkommenden Diskriminierung queerer Menschen, die Anzeigen stellen wollen, muss entgegengewirkt werden. Nach wie vor werden immer wieder rechte bis nazistische Strukturen innerhalb der Polizei öffentlich.» Unabhängig arbeitende, staatlich geförderte Beratungsstellen gegen antiqueere Gewalt seien auch deshalb notwendig.

Polizei und Staatsanwaltschaften ignorierten zudem immer wieder antiqueere Tatmotive, heisst es in einer Pressemitteilung der Linke.queer. Als Folge von «Streit» seien anfänglich erst kürzlich ein transfeindlicher Angriff in Herne (MANNSCHAFT berichtete) und der Angriff auf CSD-Teilnehmer*innen in Karlsruhe (MANNSCHAFT berichtete) gewertet worden. «Erst nach massiven Protesten aus der Community änderte die Polizei ihre Bewertung. Wenn aber in der Ermittlungsarbeit antiqueere Motive von Täter*innen gar keine Berücksichtigung finden, können sie auch bei der Urteilsbemessung kaum berücksichtigt werden. Da liest sich dann der neugefasste §46 StGB gut, bleibt aber ohne Konsequenzen», so Bache und Frank Laubenburg.

Der Begriff «geschlechtsspezifisch» solle auch Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Täter gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin mit Gewalt seinen vermeintlichen patriarchalischen Herrschafts- und Besitzanspruch durchsetzen wollte, so das Beispiel aus dem Ministerium. Die ausdrückliche Erwähnung in § 46 StGB solle auch dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen frühzeitig solche Motive aufklärt und berücksichtigt.

Zu einer härteren Bestrafung soll ausserdem führen, wenn ein Mann aufgrund patriarchalischer Denkmuster seine Partnerin oder Ex-Partnerin unter Druck setzt oder ihr Gewalt antut. Das wäre – im Sinne des Referentenentwurfs aus dem Justizministerium – etwa dann der Fall, wenn ein Mann seiner Tochter, Schwester oder Ex-Frau generell das Recht abspricht, ihren Lebenspartner frei zu wählen. Im Jahr 2020 wurden bundesweit 359 Frauen Opfer eines Tötungsdelikts in einer Partnerschaft, wobei die Statistik hier versuchte und vollendete Taten zählt. 139 Frauen starben in dem Jahr durch sogenannte Partnerschaftsgewalt.

Ausserdem soll es einen eindeutig belegten kausale Zusammenhang geben zwischen dem Hang zum übermässigen Konsum alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel und der jeweiligen Tat, wegen der jemand vor Gericht steht. Die Strafaussetzung zur Bewährung bei den in diesen Einrichtungen untergebrachten Tätern soll nicht mehr nach der Hälfte der Haftzeit, sondern erst nach Ablauf von zwei Drittel der Zeit möglich sein. Damit will das Justizministerium verhindern, dass Angeklagte und ihre Anwälte versuchen, aus taktischen Gründen eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu erreichen.

Sollte der Entwurf in diesem Herbst vom Kabinett beschlossen werden, könnte die Reform – vorausgesetzt Bundestag und Bundesrat stimmen zu – im kommenden Frühjahr in Kraft treten.

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