«Wenn die Witze zu hart sind, ist das Pech für dich»
Comedy als Grenzüberschreitung: Frank Richter über Tabuthemen und Cancel Culture
Worüber darf man Witze reissen? Fast alles, findet Comedian Frank Richter.
Fehlende Likes auf Instagram oder Beziehungsdrama: Mit viel Charme und einer zünftigen Prise schwarzer Humor zeigt Comedian Frank Richter in seiner Soloshow «Bla Bla Land», wie man persönliche Tiefpunkte in Höhepunkten verwandelt. Nach seinen Anfängen als als Trash-Talk-Kolumnist für MANNSCHAFT zog es ihn auf die Bühnen der Schweiz und Deutschland, auf denen ihm kein Thema zu brisant ist: Sei es seine Sexualität oder den Suizid seines Vaters. Um diese Themen dreht sich «Bla Bla Land». Unser Autor hat seine Show in Bern besucht.
Frank, deine Comedy-Show heisst «Bla Bla Land», was bedeutet dieser Titel? Der Titel entsteht immer als letztes. Dieser ist angeleht an den Film «La La Land», der einerseits eine Komödie und andererseits auch ein Drama ist. Aus welcher Perspektive man den Film sieht, kann das Publikum selbst entscheiden. Meine Show ist da ähnlich. Sie ist selbstverständlich vor allem Komödie, enthält aber auch tragische Elemente — die Perspektive ist entscheidend.
Wie lief die Show in Bern? Ich bin sehr zufrieden. Wenn du Comedy schreibst, musst du die Show vor einem Publikum testen. Das ist wichtig, denn so können Witze und Handlungen geschliffen oder angepasst werden. In der Show hat es Momente, die für mich etwas unangenehm sind. Lustigerweise kommen genau diese Momente beim Publikum sehr gut an.
Welche Momente sind das? Das sind vor allem Szenen, in denen ich in andere Charakteren hineinschlüpfe — ich bin mir das nicht gewohnt. Für die Show arbeite mit einem Regisseur zusammen— er ist der Schuldige (lacht). Schlussendlich macht das die Show dynamischer und gewagter — weil ich selbst aus meiner Komfortzone gehe. Ich fühle mich jetzt sehr wohl während der Show und das sieht man mir auch an.
In deiner Show sprichst du über den Suizid deines Vaters. Gibt es eine Beziehung zwischen dem Tod und Humor? Es gibt eine Beziehung zwischen Tragödie und Komödie. Alles Tragische, was im Leben passiert, kann nach einem Bearbeitungsprozess — mit Abstand und Zeit — in Komödie umgewandelt werden. Daran gibt es auch Schönes: Wenn man über etwas Tragisches auch lachen kann.
Wie ist dieser Bearbeitungsprozess? Es braucht vor allem zeitlichen Abstand. Ich finde es schwierig, wenn Menschen sagen, dass man nicht alles auf der Bühne machen sollte. Macht man es clever genug, geht fast alles. In meiner Show spreche ich über den Suizid. Ein heikles Thema und ein Tabu in unserer Gesellschaft. Selbstverständlich möchte niemand sehen, wie ich mich auf der Bühne therapiere — das mache ich auch nicht. Ich möchte den Suizid thematisieren und in einem humorvollen Kontext über dieses Tabuthema sprechen.
Hat Humor seine Grenzen? Ja, definitiv. Drama, das gerade unmittelbar passiert, ist ungeeignet. Jetzt ist ein schlechter Zeitpunkt für Witze über den Krieg in der Ukraine. Der zeitliche Abstand ist wichtig. Sonst ist alles möglich, aber das heisst auch nicht, dass alles gemacht werden muss. Es gibt Menschen, die provozieren sinnlos. Für mich ist ein Ziel hinter einer Provokation immer wichtig.
Willst du dein Publikum denn provozieren? Manchmal schon. Dann hast du die Aufmerksamkeit und kannst etwas bewegen.
Hast du dir im Vorfeld Gedanken über die Reaktion des Publikums gemacht? Ja, es gibt im Programm einige Witze, bei denen die Hälfte des Publikums lacht und die andere Hälfte überrascht ist. Nach dem ersten Witz, weisst du, wie das Publikum reagieren wird und ich kann mich etwas anpassen.
Dann passt du deine Show immer wieder an? Klar! Ich bin nicht nur am Witze senden, sondern auch am Reaktionen empfangen. Es ist wie ein Gespräch zwischen dem Publikum und mir. Das Publikum reagiert auf jeden Witz und ich höre immer zu. Wenn nach einer Grimasse laut gelacht wird, dann mache ich sie beim nächsten Mal vielleicht etwas deutlicher — die Show optimiert sich so immer ein Stück weiter. Die letzte Show ist eigentlich die Beste. Eigentlich müsste ich die Medien an die Derniere und nicht an die Premiere einladen (lacht).
Fühlst du dich als Comedian von der Cancel Culture bedroht? Ich habe Witze, die ich nach zwei, drei Jahren nicht mehr verwende. Ich würde aber nicht sagen, dass ich mich gecancelt habe — ich habe mich optimiert. Leute reagieren auch immer anders, das verändert sich im Laufe der Zeit.
Kann Comedy gecancelt werden? In der Comedy ist das Canceln von Menschen, Themen oder Meinungen problematisch. Eine Comedy-Show sollte ein geschützter Rahmen sein. Ich vergleiche das immer mit der Musikindustrie. Niemand geht an ein Konzert, nur weil er oder sie Musik mag. Man entscheidet sich bewusst für einen Künstler oder eine Künstlerin, weil einem der Stil zusagt.
Bei Comedy ist das anders. Viele sagen: «Ich gehe an eine Comedy-Show, weil ich ja gerne lache». Aber jeder Comedian hat einen anderen Stil und bearbeitet andere Themen. Wenn die Witze zu hart sind, ist das Pech für dich. Sie gehören deswegen aber nicht verboten. Ich finde die Musik von Gölä auch zum Kotzen, aber natürlich darf er weiterhin Konzerte geben. Es ist halt einfach nichts für mich.
Und welche Comedy magst du? Ich finde es spannend, wenn mit Comedy eine Grenzüberschreitung gewagt wird. Es gibt aber Menschen, die das nicht möchten und das ist selbstverständlich berechtigt.
«Mit Comedy kannst du Wissen einfacher vermitteln.»
Welche Funktion hat für dich Comedy? Ich erwarte schon eine gewisse Tiefe — ein Thema, das einem hängen bleibt. Das ist auch ein bisschen mein Ziel: Comedy ist für mich Job und Leidenschaft gleichzeitig. Ich möchte immer meinen Horizont erweitern und mit Comedy Neues entdecken, denn sie kann sehr lehrreich sein. Du kannst Wissen einfacher vermitteln.
Sprichst du auch über queere Themen in deiner Show? In der Schweiz ist das etwas verzwickt. Ein Autor hat mir einmal gesagt: «Setz nie auf die queere Community, die kommen nur, solange du einigermassen gut aussiehst». Hingegen fühlen sich viele heterosexuelle Menschen nicht angesprochen, wenn die Show spezifisch als «queer» gelabelt wird. Aber klar, ich thematisiere auch meine Sexualität. Ich spreche über Superkräfte, die wir Schwulen haben, oder wie ich in Rapperswil meine peinliche Heterorolle durchgezogen habe.
Wie geht es mit der Show weiter? Sie läuft jetzt noch knapp zwei Jahre weiter. Es freut mich sehr, immer mehr Menschen im Publikum zu sehen und Gesicher zu erkennen, die sich die schon die erste Show vor der Pandemie angesehen haben.
Was ist dein Traum? Eine Fanbasis aufzubauen, die mit mir wächst. Das heisst, dass ich langfristig Comedy machen kann.
Möchtest du noch was loswerden? Liebes Publikum, raus aus dem Haus, denn es gibt viel Kultur und Events zu entdecken!
Für «Bla Bla Land» steht Frank Richter demnächst am 4. Mai in Seewen und am 25. Mai in Heerbrugg auf der Bühne. Mehr Termine: Frank Richter
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