«Butt ist kein Porno: als Wichsvorlage ungeeignet»

Das neue Buch von Peter Rehberg beleuchtet queere Männlichkeiten und affektive Sexualitäten im Fanzine Butt

Der Autor Peter Rehberg, mit Mütze (Foto: Schwules Museum)
Der Autor Peter Rehberg, mit Mütze (Foto: Schwules Museum)

Von 2001 bis 2011 wurde die Printversion des queeren Fanzines von Amsterdam aus herausgegeben und prägte mit seinen rosa eingefärbten Fotos das Bild eines neuen schwulen Männertyps. Damit beschäftigt sich das neue Buch von Peter Rehberg «Hipster Porn» (b-books).

Zunächst mal hat Butt, sagt Rehberg, nur bedingt etwas mit Porno zu tun. Man könne auch «Post-Pornografie» dazu sagen, also eine Art von Pornografie, die Pornografie und Pornografie-Kommentar zugleich ist, die also nicht die Konventionen der Pornografie bedient, um zu funktionieren.

Das Fanzine Butt im Jahr 2006/2007
Das Fanzine Butt im Jahr 2006/2007

Sexy und verletzbar Wir erinnern uns – natürlich erinnern wir uns: Damals, zu Beginn des Nullziger Jahre, lag ein Exemplar des Fanzine Butt in der Wohnung eines jeden Schwulen, der etwas auf sich hielt: Die Männer waren weniger genormt als die Körperideale der 1990er, lässiger, behaart, mit Bart. Dieses Image zirkuliert längst auch unter dem Label «Hipster». Aber im Unterschied zu seiner Mainstream-Variante aktiviert der Homo-Hipster das subversive Potenzial der 60er-Jahre Gegenfigur und schafft damit ein machtvolles Bild queerer Männlichkeit. Innerhalb einer schwulen Geschichtsschreibung sind die Butt-Boys damit auch eine Antwort auf die Geschichte von HIV und Aids, ihre Medikamentalisierung und den daraus hervorgegangenen normativen Körper­politiken.

Abseits von triumphierendem Sportsex waren die Männer ebenso sexy wie verletzbar: Butt zeigt(e) schwule Intimität. «Diese Ästhetik des Nichtperfekten ist vor dem Hintergrund der Amateur­kultur des Porn 2.0 zu verstehen», heisst es in der Ankündigung des Verlags. Über die Perspektiven von Queer Theory, Masculinity Studies, Medienwissenschaften und Affekt Theorie wird die Welt des Fanzines lesbar, wie umgekehrt auch deren theoretische Positionen durch Butt herausgefordert werden.

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Wie fragten den Autor: Die meisten Männer wählen andere Körperteile, wenn sie sich mit Pornos beschäftigen. Bei Rehburg war es der Kopf. Was hat ihn an Butt gereizt?

Das Fanzine Butt im Jahr 2002
Das Fanzine Butt im Jahr 2002

«Naja, das instrumentelle Verhältnis zum Porno – Pornogucken als Triebabfuhr – ist das verbreitetste, aber auch dabei passiert natürlich gleichzeitig immer viel mehr. Aber in diesem reduzierten Sinne ist Butt ja auch überhaupt kein Porno: meistens sind die Männer dort allein im Bild, harte Schwänze sind auch eher selten. Als Wichsvorlage ist Butt eher ungeeignet. Also das Interessante bei Butt ist ja, dass mit Pornoelementen gearbeitet wird, die Männer dort sind oft jung und attraktiv und meistens nackt und es wird auch viel über Sex geredet.»

Aber es gehe eben gerade darum, die strikte Trennung zwischen sozialem Leben und Porno als «Urlaub vom Leben» nicht zu akzeptieren, so Rehberg. «Bei Butt ist Sex alltäglich geworden, und auf eine besondere Weise Teil des schwulen Lebens und dabei auch gleichzeitig Gegenstand von Kunst.»

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Weniger mainstreamige Körper  Auf die Frage, ob Butt die Art, wie Pornos konsumiert wurden und werden, verändert hat, sagt Rehberg: «Ich würde eher umgekehrt sagen, dass Butts Ästhetik schon eine Reaktion – das erste Heft erschien 2001 – auf die im Netz zirkulierende Amateurpornografie war. Man sieht weniger mainstreamige Körper als in der kommerziellen Pornografie der 1980er und 1990er. Diesen Stil von Sexbildern online, z.B. auf Dating Portalen, hat Butt aufgegriffen und popularisiert.»

Dass Butt (print) nicht mehr erscheint, sei aber kein Zeichen, dass queere Männer beim Pornokonsum vielleicht doch eher die Standard-Männer mit Sixpack und grossem Gemächt angucken, glaubt Rehberg.



«Bestimmte normative Pornostandards funktionieren eigentlich immer. Ich glaube nicht, dass das Ende von Butt – das letzte Heft erschien 2011 – etwas damit zu tun hat. Butt wurde nicht als Pornoheft im direkten Sinne rezipiert, sondern, ganz anders, als Abbildung einer Lebensweise, eines neuen schwulen Lebensstils, bei dem Sex ganz selbstverständlich dazu gehört oder vielleicht auch im Mittelpunkt steht, aber die Bilder eben nicht von der Frage der Erregungssteigerung monopolisiert werden.»

Der Autor denkt vielmehr, das Heft wurde eingestellt, weil die beiden Herausgeber Job van Bennekom und Gert Jonkers verstanden hätten, dass nach 10 Jahren Butt wenig Experimentelles und Kritisches mehr anzubieten habe und selbst zur Marke geworden sei.

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