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Ex-Mönch Anselm Bilgri heiratet seinen Mann kirchlich

Bei den Alt-Katholiken ist das möglich

Anselm Bilgri
Anselm Bilgri (r) und sein Mann Markus (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Seit Jahren ringt die katholische Kirche in Deutschland um einen moderneren Umgang mit queeren Gläubigen. «Regenbogenpastoral» ist nun auch im Münchner Erzbistum eine Antwort darauf. Ex-Mönch Anselm Bilgri will aber nicht mehr darauf warten, dass sich dort etwas ändert.

Von Britta Schultejans, dpa

Der frühere Benediktinermönch Bilgri hat die Geduld mit seiner früheren Kirche längst verloren. Ende 2020 trat er aus der römisch-katholischen Kirche aus und fand eine neue geistliche Heimat bei den Alt-Katholiken (MANNSCHAFT berichtete). Darum kann er an diesem Samstag etwas tun, was lange undenkbar für ihn war, der jahrzehntelang dem römisch-katholischen Zölibat verpflichtet gewesen ist: Er heiratet seinen Mann. In einer katholischen Kirche mitten in München.

«Ich wollte in einer Kirche sein, in der ich mit meinem Mann verheiratet sein kann», hatte der 68-Jährige, der einst vom späteren Papst Joseph Ratzinger zum Priester geweiht wurde, seinen Übertritt damals unter anderem begründet. Denn bei den Alt-Katholiken ist selbst die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare kein Problem mehr. Die römisch-katholische Kirche dagegen ringt seit Jahren um einen modernen Umgang mit queeren Gläubigen, lässt noch nicht einmal Segensfeiern für homosexuelle Paare offiziell zu – und frustriert so immer wieder liberale Gläubige.


Da wird alt-katholische Kirche für einige zur echten Alternative: Zweites prominentes Beispiel neben Bilgri ist der ehemalige Generalvikar des Bistums Speyer, Andreas Sturm, der seinen Übertritt zu den Alt-Katholiken im Sommer in einem Buch «Ich muss raus aus dieser Kirche» verarbeitete.


Mehr zum Thema: Anselm Bilgris Comeback als katholischer Priester. «Ich wollte in einer Kirche sein, in der ich mit meinem Mann verheiratet sein kann» sagt der Ex-Mönch 


Tatsächlich sind schon im vergangenen Jahr doppelt so viele Menschen der alt-katholischen Kirche beigetreten wie 2020 – wenn sich das Ganze auch noch auf sehr niedrigem Niveau bewegt. 386 Menschen traten 2021 ein, zum Stichtag 31. Dezember lag die Mitgliederzahl seinen Angaben zufolge insgesamt bei 14 923. «Wir wachsen», heisst es aus dem Bistum der Alt-Katholiken. Was für ein Satz für eine katholische Kirche in diesen Zeiten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr kehrten 359 338 Gläubige der römisch-katholischen Kirche den Rücken. Das waren noch fast 86 600 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019.


Und auch wenn die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) inzwischen – angetrieben von der Initiative «Out in Church» – an einem neuen Arbeitsrecht für queere Mitarbeiter arbeitet und die schlagzeilenträchtigen Segensfeiern für Homosexuelle im Rahmen der Aktion «Liebe gewinnt» für die beteiligten Priester offenbar ohne Sanktionen blieb: An der offiziellen Linie der Kirche hat sich nichts geändert. Im März 2021 stellte die Glaubenskongregation des Vatikans klar, dass es «nicht erlaubt» sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, da solche Verbindungen «nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden» könnten.

Erst im September scheiterte ein grundlegender Text zur kirchlichen Sexualmoral bei der Abstimmung im Rahmen des deutschen Reformprozesses «Synodaler Weg» an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe (MANNSCHAFT berichtete). Der Text, der eine Liberalisierung der kirchlichen Sexualmoral anstrebte, stiess zwar in der allgemeinen Abstimmung auf 82 Prozent Zustimmung. Aber nur 33 Bischöfe stimmten für den Text bei 21 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Ein Schlag ins Gesicht all derer, die auf ein starkes Reformsignal hofften.


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Anders die Alt-Katholiken: Schon 1996 wurden nach Angaben des in Bonn ansässigen Bistums in Deutschland die ersten beiden Frauen zu Priesterinnen geweiht. Geschiedene und Wiederverheiratete sind – anders als in der römisch-katholischen Kirche – nicht von der Kommunion ausgeschlossen, es gibt keinen Zölibat, dafür aber flache Hierarchien und eine demokratische Struktur. Das ist im Grunde all das, worum die römisch-katholische Kirche derzeit im Reformprozess Synodaler Weg zäh ringt, das drohende, finale Nein aus Rom zu allem immer vor Augen.

«Es ist gut, dass die altkatholische Kirche wie auch protestantische Kirchen auf diesem Weg der römisch-katholischen Kirche voraus sind», sagt Christian Weisner von der Reformbewegung «Wir sind Kirche». «Für Einzelne mag der Wechsel zur altkatholischen Kirche eine Lösung sein.» Ihm und seiner Initiative sei es aber wichtig, «falsche Theologien und Traditionen sowie das Unrechtssystem innerhalb der katholischen Weltkirche zu verändern.» Er betont: «Das ist mühsam.»

Dass sich trotz der starren und so unveränderlich scheinenden Strukturen vor Ort in den einzelnen Gemeinden etwas ändern kann, zeigt allerdings ein kleiner Trend in den römisch-katholischen Bistümern in Deutschland, der sich «Regenbogenpastoral» nennt und sich auf die Seelsorge für queere Gläubige spezialisiert. In etwa der Hälfte der 27 Bistümer gibt es das inzwischen, schätzt «Wir sind Kirche» – und auch das Erzbistum München hat nun ein solches Projekt.

«Es muss sich ja auch die Praxis verändern und die Praxis hat wahnsinnig viele Handlungsfelder», sagt der Projektleiter Michael Brinkschröder, Mitglied der Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK), der viel Hoffnung setzt in dieses auf zwei Jahre angelegtes Projekt. Der offizielle Startschuss soll am Sonntagabend mit einem Gottesdienst in München fallen. Dann sind Ex-Mönch Bilgri und sein Mann schon einen Tag kirchlich verheiratet.


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