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Evangelische Kirche soll Homosexuellen gegenüber Schuld bekennen

Schlussstrich ist nicht!, findet der Berliner Pfarrer Alexander Brodt-Zabka

Evangelische Kirche
Pfarrer Alexander Brodt-Zabka (Foto: Pixabay, kleines Bild: Martin Kirchner)

Die Evangelische Kirche (EKD) ist in der Pflicht eines Schuldbekenntnisses Lesben und Schwulen gegenüber, schreibt Pfarrer Alexander Brodt-Zabka vom Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte in einem Gastbeitrag für MANNSCHAFT.

Ende Juli kündigte die Pfarrerin für Erinnerungskultur der Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Marion Gardei, gegenüber der
Berliner Wochenzeitung Die Kirche ein Schuldeingeständnis gegenüber Homosexuellen an. «Es ist längst überfällig in Bezug auf das Verhalten der Amtskirche in der Nazi-Zeit». Dazu hat Pfarrer Alexander Brodt-Zabka einen Gastbeitrag für MANNSCHAFT geschrieben. Sein Ehemann Jörg Zabka ist ebenfalls Pfarrer, in der Martin-Luther-Gemeinde in Berlin-Lichterfelde

Umgang mit homosexuellen Klerikern in der Kirche ist «niederträchtig»

Anfang Juli 2019 bat der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vor dem Kirchenparlament um Vergebung für das Unrecht, das seine Landeskirche gleichgeschlechtlich orientierten Menschen angetan hatte. Wörtlich sagte Bischof Frank Otfried July: «Für viele schmerzhafte Erfahrungen, die homosexuelle Menschen im Rahmen der Kirchen machen mussten, bitten wir um Vergebung. Wir bedauern zutiefst, dass es Lieblosigkeit und Ausgrenzung in Gemeinden gibt und gruppenbezogene Vorurteile, die die christliche Annahme verstellen.»

Diese Bitte um Vergebung ist erstaunlich, zählt doch die Evangelische Landeskirche in Württemberg zu einer der wenigen evangelischen Landeskirchen in Deutschland, die sich in der Frage des Umgangs mit homosexuell liebenden Menschen nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Gemeinsam mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens ist sie für ihre besonders rigide Haltung in der Frage nach öffentlichen Segnungsgottesdiensten gleichgeschlechtlicher Paare oder dem Zusammenleben von Schwulen und Lesben im Pfarrhaus bekannt. In den meisten anderen der 20 evangelischen Landeskirchen Deutschlands ist die «Trauung für Alle» schon lange Realität: es wird nicht mehr unterschieden zwischen hetero- oder homosexuellen Brautpaaren. In der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz können gleichgeschlechtliche Ehepaare seit drei Jahren kirchlich heiraten, also noch vor Einführung der staatlichen Ehe für Alle.


Ist jetzt alles gut? Sollte nicht endlich ein Schlussstrich gezogen werden unter die Tradition der Diskriminierung und Ausgrenzung gleichgeschlechtlich lebender und liebender Menschen in den Kirchen? Ziel erreicht und fertig? Christinnen und Christen wissen um Schuldzusammenhänge. Wir leben aus dem Glauben heraus, dass ein Leben ohne Schuld gar nicht möglich ist und wir alle auf Vergebung angewiesen sind. Wir akzeptieren es, dass wir ein gerechtes Leben nicht aus unserer eigenen Kraft hinbekommen, uns also nicht am eigenen Schopf aus den Schuldzusammenhängen des Lebens ziehen können. Das unterscheidet unseren Glauben zum Beispiel vom Buddhismus, der letztlich auf Selbsterlösung abzielt.

In diesem Zusammenhang ist auch die bemerkenswerte Bitte um Vergebung von Bischof July aus Württemberg zu sehen. Gerade in seiner Landeskirche gibt es eine grosse Gruppe evangelikal eingestellter Christinnen und Christen, die die Diskriminierung von Schwulen und Lesben auch heute noch mit Bibelstellen rechtfertigen, ohne sie im jeweiligen Kontext zu sehen (und andere, für sie selbst vielleicht sehr unbequeme Bibelstellen unter den Tisch fallen lassen).

Schlussstrich geht nicht! Endlich ist auch in unseren evangelischen Kirchen erkannt worden: «Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm/in ihr.» (1. Joh. 4, 16) Und Liebe ist nun einmal vielfältig und begegnet in ganz unterschiedlichen Konstellationen. Gerade diese noch recht junge Erkenntnis verpflichtet dazu, sich der eigenen Schuldgeschichte zu stellen und die Opfer um Vergebung zu bitten.


Evangelische Kirche ging gegen schwule Pfarrer vor
Die evangelische Kirche gehörte in Teilen zu den lautstarken Kritikern einer Revision des Naziparagraphen 175, als dieser im Westen Deutschlands Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre überarbeitet wurde. Schwule Pfarrer, die ihre Liebe offen leben wollten, wurden bis weit in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts aus dem Amt entfernt unter Verlust ihrer Versorgungsbezüge, oft gegen den Willen der eigenen Gemeinde. Leider gab es auch nicht wenige, besonders «fromme» Gemeinden, die lesbische Frauen und schwule Männer mehr oder weniger offen diskriminiert haben.

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Leid wurde verursacht, mitunter Biographien zerstört. Das gehört, trotz vieler anderer positiver Beispiele – die evangelische Kirche in der DDR beispielsweise bot Lesben- und Schwulengruppen unter ihrem Dach Raum und Schutz – zu der traurigen Realität der Geschichte. Und noch im Jahr 2000 musste sich mein Mann, ebenfalls Pfarrer, hier in Berlin vom damaligen Personalverantwortlichen sagen lassen, er halte ihn wegen seiner Lebensform für nicht würdig, Pfarrer zu werden und dürfe niemals mit einem Mann in ein Pfarrhaus ziehen – wir wohnen bis heute, wo all das kein Thema mehr ist, privat.

Schlussstrich ist nicht!

All das sind Beispiele und ist Teil der Geschichte der evangelischen Kirche, der sie sich stellen muss, überall in Deutschland. Sie hat Schuld auf sich geladen, das muss benannt, bekannt und um Vergebung gebeten werden. Nicht nur in Württemberg, auch in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Von unserer Beauftragten für Erinnerungskultur, Pfarrerin Marion Gardei, ist zu hören, dass dies auch von Seiten der Kirche in Vorbereitung ist. Denn Schlussstrich ist nicht! Wir alle sind im Leben auf Vergebung angewiesen, das ist unsere christliche Grundüberzeugung. Und da ist die Kirche auch und gerade den Lesben und Schwulen gegenüber in der Pflicht.


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