Eine Nacht mit … Udo Kier
Wachbleiben mit einem der grössten Film-Schurken
Zwielichtiger Bösewicht oder skurriler Typ – dafür ist kaum jemand so bekannt wie der deutsche Schauspieler Udo Kier. Seit Jahrzehnten ist er in Hollywood wie in Arthaus-Filmen eine feste Grösse.
Schon in der Jugend zog er gern Frauenkleider an. Erst war Udo Kier Arbeiter bei Ford am Fliessband, aber er erkannte schnell, dass er mit seinem Aussehen Geld verdienen konnte. So entschied er sich, Model in der Modebranche zu werden. Danach ging er in New York auf die Schauspielschule und erreichte in den Filmen «Dracula» und «Frankenstein» erste Berühmtheit durch seine exzentrisch-schaurigen Auftritte.
Bald tauchte er in ganz verschiedenen Formaten auf. Er war in Musikvideos von Madonna oder Serien von Steven Spielberg zu sehen und spielte an der Seite von Nicole Kidman, Arnold Schwarzenegger und John Malkovich. Zu seinem Privatleben und zu seiner Sexualität äusserste er sich lange nicht. Erst 2022 erklärte er in einem Interview, dass er seit 20 Jahren in einer festen Beziehung mit einem Mann lebe.
Es ist kaum möglich, sich einen Überblick über Udos gesamtes Werk zu verschaffen. Deswegen hier ein paar Perlen von ihm, die aus seinem künstlerischem Schaffen herausragen. Es ist alles dabei: frühe kraftvolle Auftritte und späte zärtlich hinreissende Darstellungen.
#M – eine Stadt sucht einen Mörder (2019) Als bekannt wurde, dass Lars Eidinger und Udo Kier mitspielen, fragte sich vielleicht mancher, wer den irreren Typen darstellen würde. Klar hat Eidinger die Hauptrolle gekriegt. Aber auch Udo blieb sich treu – er braucht nur wenige Auftritte um seine Strahlkraft auf die Leinwand zu bringen. Es geht um den Filmklassiker «M» aus dem Jahr 1931. Dieser handelt von einem Serienmörder, der in einer deutschen Stadt sein Unwesen treibt. 2018 ist das Ganze in Österreich noch einmal als Serie verfilmt worden.
Udo Kier spielt hier eigentlich fast eine Lars von Trier – Rolle. Eine Figur, die einfach auftaucht, kaum etwas sagt, aber doch unheimlich und unergründlich im Raum steht. Bei Lars von Triers «Melancholia» ist Kier der Hochzeitsplaner, in «Nymphomaniac» der Kellner und in «Dogville» der Mann im Anzug». (Diese Filme sind natürlich an dieser Stelle auch alle empfohlen). In «M» ist Kier der Fuchspelzmann. Wieder so ein Typ, der auftaucht, bei dem man nicht weiss: gefährlich oder ungefährlich? Zumindest aber zwielichtig.
#Brawl in cell block 99 Bradley, gespielt von Vince Vaughn, verliert seinen Job als Automechaniker und wird Drogenkurier. Dann geht es immer weiter bergab. Er kommt in den Knast und ist dort immer härterer Gewalt ausgesetzt. Bradleys Frau wird entführt und er soll nun einen anderen Häftling umbringen, um seine Frau frei zu bekommen. Allerdings sitzt der andere Gefangene in einem Hochsicherheitsgefängnis. Nun muss Bradley alles tun, um dorthin zu gelangen. In dem Film geht es so hart zu, dass er auf dem deutschen Markt erstmal nur gekürzt heraus kam. Mittlerweile ist er aber ganz zu sehen.
Udo Kier spielt in diesem Film den Placid Man. Er ist derjenige, der den Kontakt zwischen Bradley und den Entführern seiner Frau herstellt. Damit läuft alles über ihn, er entscheidet am Ende über Leben und Tod.
#Iron Sky Endlich kommt heraus, was auf der Rückseite des Mondes so los ist. Dort sitzen Nazis, die sich da verschanzt haben und planen, die Weltherrschaft an sich zu reissen. Selbstverständlich darf bei so einer völlig überdrehten Satire auch Udo Kier nicht fehlen. Er verkörpert natürlich folgerichtig den «Führer» der Gruppe mit dem eingängigen Namen Wolfgang Kortzfleisch. Der sitzt nun seit Ende des Zweiten Weltkrieges auf der Rückseite des Mondes und schmiedet seither an dem Plan, die Erde vom Mond aus zu erobern.
Der Film kam überhaupt nur über eine Crowdfuning-Kampagne zustande, die aber immerhin 7,5 Millionen Dollar einbrachte. Und obwohl es ja eigentlich eine ziemliche Trash-Handlung ist, lief der Film sogar auf der Berlinale. Vor allem aber, so war oft in der Kritik zu lesen, wohl wegen der starken Darstellung von Udo Kier als Mond-Nazi, der gerne von allen gefürchtet wäre, aber letztlich doch ein Würstchen ist.
#My private Idaho Zwei Sexarbeiter schlagen sich durchs Leben. Die Hauptrollen in diesem Film haben die noch sehr jungen Schauspieler Keanu Reaves und River Phoenix. Der eine von beiden sehnt sich nach seiner idyllischen Kindheit zurück und ist auf der Suche nach seiner Mutter. Der andere will gegen seinen Vater revoltieren und bricht aus – erbt aber am Ende dennoch das Vermögen seiner Eltern und ist damit abgesichert. Die beiden schlingern durchs Leben und entfremden sich mit der Zeit immer weiter voneinander.
Udo Kier spielt den Sexarbeiter Hans Klein aus Deutschland, der sich in die USA gerettet hat. Er begleitet die beiden, hilft ihnen und sie bieten ihm dafür auch ihre Dienste an. Es ist eigentlich eine typische Udo Kier – Rolle. Eine Nebenrolle, die aber aufgrund seines Spiels so präsent bleibt, dass er gar nicht viel Zeit auf der Leinwand braucht.
#Swan Song Eigentlich ist der Lack ab, könnte man meinen. Früher einmal war Pat ein gefragter Friseur und lebte mit seinem Freund David zusammen. Nun sitzt er in einer Senioren-«Residenz» und faltet Papierservietten. Dann kommt ein Auftrag rein: Er soll die verstorbene Rita für ihren letzten Auftritt im Sarg frisieren. Doch Pat lehnt ab, denn Rita hatte ihn als Kundin verlassen, und bei der Beerdigung seines Partners war sie auch nicht da. Solle sie doch mit «schlechtsitzender Frisur beerdigt werden», mault Pat. Aber dann überlegt er es sich, denn das Altenheim empfindet er auch als ätzend und viel passieren wird da wohl ohnehin nicht mehr.
«Swan Song» aus dem Jahr 2021 ist ein Liebeslied an eine untergegangene Welt, an das Analoge, die Schwulenbars ohne Online Dating und an die Schwulenikonen vor dem Discozeitalter wie Judy Garland und Shirley Bassey. Pit Patsenbarger gab es wirklich in Ohio und was ihn mit Udo Kier verband: die grossen blaue Augen. Für Udo war es ohnehin eine Rolle, die ihm nahe lag: «Das muss ich nicht spielen, das bin ich», sagte er später rückblickend auf den Film.
5 queere Tipps für die Sommerwochen in Wien (MANNSCHAFT berichtete)
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