Ein Jahr PrEP auf Rezept – eine Bilanz

Am häufigsten wurde sie in Berlin abgegeben, in Thüringen am seltensten

Bild: iStockphoto
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Seit einem Jahr wird die HIV-Prophylaxe PrEP in Deutschland von den gesetzlichen Kassen (GKV) übernommen. Wie oft wurde sie verschrieben und welche regionalen Unterschiede gibt es?

Nach einem Beratungsgespräch zur HIV-PrEP und anderen Methoden zum Schutz vor HIV können deutsche Ärzt*innen seit 1. September 2019 die PrEP an Patient*innen verschreiben, wenn ein erhöhtes HIV-Risiko vorliegt. Voraussetzung: das Erreichen des 16. Lebensjahres.

«Die Einführung der PrEP als Kassenleistung ist ein Meilenstein für die HIV-Prävention: eine weitere Möglichkeit, sich vor HIV zu schützen, endlich für fast alle zugänglich, die sie brauchen», erklärt DAH-Sprecher Holger Wicht vor einem Jahr. Wie oft wurde sie seitdem verschrieben?

Von September 2019 bis Juni 2020 wurden rund 60.000 Packungen an Arzneimitteln mit der Wirkstoffkombination Tenofovirdisoproxil/Emtricitabin «zu Lasten der GKV in Apotheken» abgegeben, teilte das Gesundheitsministerium auf MANNSCHAFT-Anfrage mit.

Die folgende Tabelle schlüsselt die Abgabe der PrEP nach KV-Region auf. Am häufigsten wurde sie in Berlin abgegeben, im Juni etwa waren es 1520. Im Vergleich dazu: In der KV Nordrhein waren es 984, in Westfalen-Lippe 388. In Bayern waren es im Juni 881. Besonders hoch lagen die Zahlen im Winter: im Januar 2020 in Berlin etwa bei 1704, in der KV Nordrhein bei 1172 und in Bayern bei 1062 Packungen. In Thüringen wurde die PrEP im Schnitt am seltensten verschrieben.

Quelle: Gesundheitsministerium
Quelle: Gesundheitsministerium

Bisher zahlen nur die gesetzlichen Kassen die PrEP. «Die privaten Krankenkassen haben eigene Regelungen. Nachfragen lohnt sich», rät die Deutsche AIDS-Hilfe.

Das haben wir getan. Doch wie der Verband der Privaten Krankenversicherung uns mitteilte, wisse man nicht, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien die einzelnen Unternehmen der Privaten Krankenversicherung die Kosten für PrEP übernehmen.

Da könne man als Dachverband schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Empfehlung aussprechen oder Positionen vertreten, die die individuellen Entscheidungen unserer Mitgliedsunternehmen als vermeintlich mehr oder weniger angemessen erscheinen lassen würden, teilt man uns mit und empfiehlt: «Sie müssten Ihre Leser also bitte animieren, die Frage der Kostenerstattung für PrEP unmittelbar mit ihrem jeweiligen Versicherer abzuklären.»

Das Gesundheitsministerium erklärt, «massgeblich für die PKV seien die Vorgaben im so genannten Versicherungsvertragsgesetz». «Dieses Gesetz verpflichtet den Versicherer bei der Krankheitskostenversicherung, im vertraglich vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschliesslich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie – im Bereich der Prävention – für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten.

«Da ein Vertrag über eine private Krankheitskostenversicherung auf einer privatrechtlichen Grundlage fusst, müssen darüber hinausgehende Leistungen, die der Prävention zuzuordnen sind, im Bereich der PKV vertraglich vereinbart worden sein. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Versicherer – wie in Ihrem Fall – aus Kulanz eine Kostenübernahme erklärt.» Hierauf habe der Versicherungsnehmer gleichwohl keinen rechtlichen Anspruch.

Bei der Präexpositionsprophylaxe handelt es sich um eine Betreuung und Medikamentenabgabe an Menschen, die nicht mit HIV infiziert sind, aber einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an HIV zu erkranken. Die PrEP ist demnach eine Vorsorgemassnahme und stellt keine medizinisch notwendige Heilbehandlung dar. So kann nach Angaben des PKV-Verbandes zwar davon ausgegangen werden, dass die Kosten für die ärztliche Betreuung für Personen, die sich einem deutlich erhöhten Risiko einer HIV-Infektion aussetzen, in den Rahmen der von der PKV erstatteten ärztlichen Behandlungskosten fällt.

Die Erstattung für die prophylaktische Medikation fällt gleichwohl nicht darunter und wird daher von den einzelnen Versicherern bislang un-einheitlich gehandhabt. Aus gesundheitspolitischer Sicht wäre eine Kostenübernahme der PrEP-Arzneimittel auch durch die privaten Krankenversicherungen wünschenswert, eine Verpflichtung diesbezüglich besteht aber nicht. Auch der PKV-Verband kann lediglich Empfehlungen an die Versicherungsunternehmen geben.

Häufigste Nebenwirkungen: Durchfall, Erbrechen, Kopfschmerzen Truvada könne zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, einschliesslich der Entstehung oder Verschlechterung von Nieren- und Knochenproblemen. Sehr häufige Nebenwirkungen, die bei Personen auftreten, die Truvada einnehmen, sind: Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Hautausschlag und Schwächegefühl. Zur Frage der Nebenwirkungen von Truvada (Wirkstoffe: Emtricitabin und Tenofovir disop-roxil fumarat ) von Gilead hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM folgende Information zusammengestellt; dort werden auch vergrösserte Lymphknoten im Bereich von Hals oder Leiste genannt.

Aber, so das Gesundheitsministerium: Truvada sei eines der am besten verträglichen Medikamente. «Wir weisen i.d.R. vor allem auf die Reduktion der Nierenfunktion (daher regelmässige Kontrollen) und die Magen-Darm-Nebenwirkungen hin. Letztere bemerken die Anwender ja selbst, manchmal wird die PrEP deshalb auch abgesetzt. Auf weitere Nebenwirkungen gehen wir gar nicht ein – auch nicht auf die Auswirkungen auf Knochen.»

Die seien ja sehr theoretisch und eher für HIV-Positive relevant, die Truvada über zwei Jahrzehnte oder mehr einnehmen, erklärt man uns. Zudem mache HIV auch etwas an den Knochen.» Deshalb «erschrecke» man die PrEP-User nicht mit dieser Info – zumal es sich meist nicht um 70-Jährige mit Osteoporose handle.

Die PrEP wird in Österreich nicht von den Krankenkassen übernommen und muss privat bezahlt werden. Dasselbe gilt in der Schweiz.

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