DFB-Generalsekretärin sieht Entwicklung im WM-Land Katar
Hälfte der Deutschen für Boykott
Der Deutsche Fussballbund sieht sich nach einem Arbeitsbesuch von Generalsekretärin Heike Ullrich in Katar darin bestärkt, die Weltmeisterschaft trotz anhaltender Menschenrechtsverletzungen nicht zu boykottieren.
«Ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn Menschen sagen, ich gehe da nicht hin als Fan oder Vertretung. Aber die Aussage der Gastarbeiter war sehr deutlich: weil ihr kommt, weil ihr uns helft und Fragen stellt, hat sich hier extrem viel entwickelt. Insofern nehmen wir gern diese Rolle ein», sagte Ullrich der Deutschen Presse-Agentur vor ihrem Auftritt im Sportausschuss des Bundestages an diesem Montag.
Die 52-Jährige hatte sich jüngst als Mitglied einer Arbeitsgruppe der Europäischen Fussball-Union ein Bild von den Bedingungen in Katar (MANNSCHAFT berichtete) gemacht. «Wir haben uns mit vielen Nichtregierungsorganisationen getroffen, mit dem katarischen Fussballverband, aber auch mit Migrantinnen und Migranten. Eine Hauptaussage von denen war: es ist hervorragend, dass es keinen Boykott gibt. Durch den Fokus auf das Land ist bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sehr viel erreicht worden.»
Dennoch gebe es noch viel zu tun. «Es gibt immer noch Fälle, wo die Gesetzgebung sich zwar verändert, aber nicht implementiert hat. Das ist der Bereich, wo der Fussball sicher helfen kann, diese Punkte immer wieder anzusprechen, um etwas für die Menschen zu verändern. Nicht nur auf dem Weg zur WM, sondern auch danach», betonte Ullrich.
Darüber hinaus seien Themen wir Frauenrechte, LGBTIQ und Pressefreiheit intensiv erörtert worden. «Wir haben viel Entwicklung gesehen, aber auch die Schranken und Barrieren wahrgenommen, die häufig kulturell, durch andere Staatsformen oder religiöse Hintergründe begründet sind», berichtete Ullrich.
Erst kürzlich hatte DFB-Direktor Oliver Bierhoff die Vergabe der Fussball-WM nach Katar deutlich kritisiert. «Wie konnte eine FIFA die Vergabe in dieses Land geben?», fragte der 54-Jährige in einem Interview von RTL/ntv. Schon zuvor hatte Bierhoff erklärt, die Situation für Homosexuelle in Katar sei «inakzeptabel» (MANNSCHAFT berichtete).
Welchen Schikanen die LGBTIQ-Gemeinschaft in Katar tagtäglich ausgesetzt ist, wurde in einer Dokumentation des Senders RTL bildlich belegt (MANNSCHAFT berichtete). «Wir haben grosse Angst vor Bestrafung und Tod, denn das, was wir in unserer Jugend immer wieder gelernt haben, ist, dass Schwulsein eine Verirrung ist, nichts Natürliches», sagt ein 32-Jähriger in dem rund 14-minütigen Kurzfilm mit dem Titel «Rote Karte statt Regenbogen – Homosexuelle in Katar».
48 Prozent der Deutschen für Verzicht Fast die Hälfte der Deutschen ist derweil der Meinung, dass die Nationalmannschaft wegen Menschenrechtsverletzungen und Todesfällen von Bauarbeitern in Katar auf eine WM-Teilnahme verzichten sollte. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor.
48 Prozent der Befragten sprachen sich demnach für einen Rückzug des Teams von Bundestrainer Hansi Flick bei dem vom 21. November bis zum 18. Dezember Turnier aus. 28 Prozent waren der Meinung, dass das DFB-Team nicht auf den Start bei der Weltmeisterschaft im Herbst verzichten sollte. Der Anteil der Personen, die keine Angaben machten, lag bei 24 Prozent.
Katar weiter in der Kritik Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat unterdessen alarmierende Entwicklungen mit Blick auf die Arbeitsbedingungen für Migranten festgestellt. Nachdem sich die katarische Regierung in der Vergangenheit zu weitreichenden Reformen im Bereich der Arbeitsgesetzgebung durchgerungen habe, sei es 2021 zu einem «Nachlassen des Reformfortschrittes» gekommen. Teilweise seien «durch Untätigkeit der katarischen Regierung sogar bereits erreichte Fortschritte rückgängig gemacht» worden, heisst es in einer Stellungnahme von Amnesty International vor der öffentlichen Anhörung des Sportausschusses des Bundestages zur Fussball-WM am Montag.
«Innerhalb der katarischen Wirtschaft formiert sich zunehmend Widerstand gegen die Reformen, aus Sorge Einfluss und Profitmöglichkeiten zu verlieren», heisst es weiter. Verletzungen des Arbeitsrechts bleiben demnach in aller Regel straflos und ohne Konsequenzen. In einer Untersuchung der Arbeitsbedingungen in der privaten Sicherheitsbranche gebe es laut Amnesty International in sechs von acht untersuchten Firmen Arbeitsbedingungen, die der Zwangsarbeit entsprechen. Auch seien 2021 bis zu 70 Prozent aller Todesfälle von Arbeitsmigranten nicht angemessen untersucht worden.
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