Der Schweizer Tolerantia-Award geht an Henry Hohmann
Der diesjährige Tolerantia-Award Schweiz zeichnet den Aktivisten Henry Hohmann für sein Engagement aus
Jedes Jahr werden die Tolerantia-Awards vergeben. In der Schweiz geht der Preis das erste Mal an eine trans Person. Henry Hohmann wird am 5. Oktober für sein Engagement in der Community ausgezeichnet.
Henry Hohmann ist Kunsthistoriker und arbeitet an einem Berner Museum. Doch am meisten Aufmerksamkeit bekommt er für seine Arbeit als Trans-Aktivist. Von 2012 bis 2018 war Hohmann Präsident respektive Co-Präsident des Transgender Network Schweiz TGNS. Die kürzlich erreichten Meilensteile der Trans-Bewegung seien das Resultat einer jahrelangen Arbeit vieler Aktivist*innen sagt er gegenüber der Mannschaft. 2017 hob etwa der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Sterilisationszwang für trans Menschen auf, 2019 strich die Weltgesundheitsorganisation Trans von der Liste der psychischen Erkrankungen.
Persönlich am meisten berührt haben ihn allerdings zwei besondere Ereignisse. Zum einen die von TGNS 2013 organisierten Solidaritätsbekundung für russische LGBTIQ während der ersten grossen Verfolgungswelle in Russland. Zum anderen eine Podiumsveranstaltung zum Thema trans Kinder in Bern, an der über 200 Leute den Expert*innen und dem Erfahrungsbericht eines 14-jährigen trans Mädchens zuhörten. «Da hätte man eine Stecknadel fallen hören, so still war es», erinnert sich Hohmann.
Seit vielen Jahren engagiert dabei Seit 2018 gehört er nicht mehr dem Vorstand von TGNS an. Seinem Engagement tut dies aber keinen Abbruch. Erst kürzlich war er beispielsweise in der neuen SRF-Serie TABU mit Renato Kaiser zu sehen, wo er unter anderem über Trans aufgeklärt hat. (MANNSCHAFT berichtete)
Dieses aussergewöhnliche und langjährige Engagement gehört ausgezeichnet!
Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, lobt Henry Hohmann in den höchsten Tönen. «2011 wurde das TGNS gegründet – heute ist es nicht mehr wegzudenken. Diese Entwicklung ist auch Henry zu verdanken, der nicht nur in der Gründungsphase grosse Arbeit geleistet hatte, sondern sich in den letzten Jahren mit einem riesengrossen ehrenamtlichen Engagement für die trans Menschen – und die gesamte LGBTIQ-Community – in der Schweiz einsetzte», begründet er die Wahl. «Inzwischen ist er als Präsident von TGNS zurückgetreten, doch engagiert er sich weiterhin politisch und in diversen Projekten. Dieses aussergewöhnliche und langjährige Engagement gehört ausgezeichnet!»
Die Zukunft der Trans-Community Über seinen Gewinn des Tolerantia-Awards Schweiz ist Henry Hohmann dennoch überrascht: «Es gibt so viele Personen in der Schweiz, die sich seit vielen Jahren auf rechtlichem und medizinischem Gebiet oder auch gesellschaftlich für die Trans-Community stark machen.» Alle diese Personen haben den Preis mindestens genauso verdient, meint Hohmann. Deshalb wolle er ihn stellvertretend für alle Transaktivist*innen entgegennehmen.
«Ich bin natürlich auch persönlich sehr glücklich, weil es eine grosse Anerkennung vieler Stunden ehrenamtlichen Engagements darstellt», sagt er. «Aktivismus ist kein Zuckerschlecken, sondern besteht aus hartnäckiger Arbeit, meist hinter den Kulissen, unendlich vielen Sitzungen und Gesprächen, einigen Rückschlägen – und natürlich auch wunderschönen Erfolgen.»
«Aktivismus ist kein Zuckerschlecken»
Für die Zukunft der Trans-Community wünscht sich Hohmann, dass Trans nicht mehr exotisiert wird. «Trans Menschen sollen ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sein, sie sind so normal wie etwa Linkshänder oder Menschen mit roten Haaren – es ist einfach ein Merkmal von vielen einer Person», sagt er. Zudem gebe es noch viel Arbeit im Bereich Aufklärung. Es brauche mehr und bessere Ärzt*innen, die sich mit Trans-Themen auskennen und vorurteilslos damit umgehen. Wegen der fehlenden Gesetzgebung werden trans Menschen ausserdem immer noch im Alltag diskriminiert.
Henry Hohmann fühlt sich auf vielen Gebieten privilegiert, so etwa durch Herkunft, Bildung und Hautfarbe. Somit habe er überhaupt die Ressourcen, sich für andere einzusetzen, wie er gegenüber Mannschaft erzählt. «Und das möchte ich auch weiterhin mit ganzem Herzen tun!»
Ehrung für Johannes Kram und Kathrin Bertschy mit Tolerantia Award
Eine Ehrung für Engagement Die fünf Organisationen MANEO (Deutschland) SOS homophobie (Frankreich), Lambda-Warzawa und Campania Przeciw Homofobil (Polen), The Rainbow Project (Nordirland) und Pink Cross (Schweiz) übergeben jährlich den Tolerantia Award als Gemeinschaftspreis. Die Tolerantia gastiert jedes Jahr in der Hauptstadt einer der fünf Mitgliedstaaten. Die Schweiz ist seit 2016 dabei und bekommt dieses Jahr zum ersten Mal die Ehre. Am 5. Oktober werden die Awards im Rathaus im Herzen von Bern übergeben.
Die Tolerantia-Awards kommen nach Bern
Der seit 2006 jährlich vergebene Tolerantia Awards ehrt Personen, Einrichtungen und Gruppen für ihr herausragendes Engagement. Ihr Engagement betont demokratische Prinzipien wie Gleichberechtigung, Solidarität, gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz sowie Einsatz gegen Homophobie, Rassismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im eigenen Land, in Europa und darüber hinaus.
Das könnte dich auch interessieren
Community
Coming-out-Day: Du bist nicht allein!
Auch im Jahr 2025 kann ein Coming-out als lesbisch, schwul, bisexuell, trans, inter oder queer ein grosser Schritt für einzelne Menschen sein. Am 11. Oktober findet der jährliche Coming-out-Day statt
Von Newsdesk Staff
Schweiz
Bi
Coming-out
Schwul
TIN
Interview
Khalid: «Wenn ich meine queere Identität verdränge, leide ich am Ende»
Das neue Album «After the sun goes down» erscheint an diesem Freitag. Der erste Longplayer seit seinem Outing im Vorjahr.
Von Kriss Rudolph
Queer
Coming-out
Musik
Baden-Württemberg
Homofeindliche Hetze: Prediger wehrt sich erneut gegen Urteil
Trotz Ermittlungen und Durchsuchungen hält eine umstrittene Baptistenkirche an radikalen Ansichten fest. Nun befasste sich ein zweites Gericht mit einem Prediger, der gegen Homosexuelle hetzte.
Von Newsdesk/©DPA
Queerfeindlichkeit
Religion
News
Justiz
Berlin
Schwulenfeindliches Mobbing: Bildungsverwaltung erneut in der Kritik
Der Ehemann eines schwulen Lehrers am Campus Rütli in Neukölln bekommt nachts anonyme Anrufe und wird beleidigt. Stecken Schüler dahinter? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Von Newsdesk/©DPA
Bildung
Deutschland
Queerfeindlichkeit
News