Delfin, Pinguin und Blob: Queere Tiere treiben es wild
Der Rekord an Geschlechtern pro Lebewesen liegt bei 23’328
Vom After-liebenden Flussdelfin bis zur penisfressenden Zwitterschnecke: Im queeren Tierreich ist ganz schön was los.
Die mikroskopisch kleinen Rädertierchen haben uns seit hunderten Millionen Jahren etwas voraus. Auch Schmetterlinge und Fruchtfliegen schweben quasi über uns. Das Tierreich wimmelt nur so von queeren Bewohner*innen, die auf Gender-Grenzen pfeifen.
Je tiefer wir in ihre Welt eindringen, umso mehr entlarven sie das Wörtchen «normal» als eine Menschenerfindung. (Wobei selbst das Geschlecht des Menschen nicht mal so eindeutig ist: Weiblich und männlich stellen keine festen Kategorien dar, sondern vielmehr zwei Pole, die ein Spektrum bilden.)
Der Biologe Bruce Bagemihl geht davon aus, dass homosexuelles Verhalten bei rund zehn Prozent der Tiere vorkommt. Wie spezifisch die Ausprägung bei allen Gattungen ist, bleibt schwierig zu beantworten, da sich einige Tierarten in der freien Wildbahn besser beobachten lassen als andere.
Regelmässig berichten Tierparks weltweit über Beispiele wie jüngst in Berlin: Ende Januar brütete das männliche Meerespelikan-Pärchen, «Charlie Brown» und «Halle», ein kleines Fleckschnabelpelikan-Küken aus. Seither wächst es in der Obhut seiner beiden fürsorglichen Väter auf, die es adoptiert hatten, nachdem es aus dem Nest seiner Eltern gefallen war (MANNSCHAFT berichtete).
Was Tiere uns voraus haben, ist auch der Umstand, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen niemals nachteilig behandelt werden, sagt Veterinärmedizinerin Pascale Wapf. Wir Menschen können also einiges von ihnen lernen.
Aus ihrem illustren Reich haben wir für dich 13 wunderbar queere Tierchen ausgewählt, von denen es noch viele, viele mehr gibt, über die wir mehr oder weniger oder noch nichts wissen.
Der Amazonas-Flussdelfin Homosexuelles Verhalten ist bei mehreren Delfinarten bekannt und macht bis zur Hälfte ihrer sexuellen Aktivität aus. Das Liebesspiel männlicher Amazonas-Flussdelfine kann Stunden dauern. Dabei streicheln sie sich, berühren sich zärtlich und penetrieren sich in den After, in die Geschlechtsöffnung und sogar ins Spritzloch am Kopf.
Der Clownfisch Hast du gewusst, dass Nemo, der aus dem Film bekannte Clownfisch, trans ist? Er lebt als Paar oder Gruppe in Symbiose mit Seeanemonen. In einer Gruppe lebt das dominante Weibchen oft polyamorös mit einem Harem von Männchen. Doch wenn es stirbt, verwandelt sich das grösste Männchen und wird zum neuen Weibchen.
Wale: Schwuler Sexfilm Ende Februar veröffentlichte die Pacific Whale Foundation eine Sensation: Erstmals wurden zwei Buckelwale bei der Paarung gefilmt. Das Bemerkenswerte daran: Es waren zwei Männchen (MANNSCHAFT berichtete).
Der Albatross Albatrosse sind für ihre Treue und lebenslange Bindung bekannt. Doch so hetero wie viele meinen, läuft das bei den Vögeln nicht ab: Sie paaren sich mitunter gleichgeschlechtlich. Viele der auf Hawaii lebenden Laysan-Albatrosse etwa leben als «lesbische» Elternpaare, nachdem sich eines der Weibchen von einem Männchen begatten liess.
Das Schaf Schafe sind soziale Tiere und unter solchen ist homosexuelles Verhalten gängig: Bei den Hausschafen paaren sich 6 Prozent der männlichen Hausschafe ausschliesslich mit anderen Schafböcken. Seltener beobachtet, aber bekannt, sind auch intergeschlechtliche Schafe, die weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale aufweisen, oder auch solche, bei denen das biologische Geschlecht nicht mit der geschlechtlichen Identität übereinstimmt. Ein Schaf kann sich in seinem Verhalten eher wie ein Tier des anderen Geschlechts verhalten.
Der Monarchfalter Bei einigen Schmetterlingsarten, wie dem Monarchfalter, können Intergeschlechtlichkeit vorkommen. Ein Individuum weist sowohl männliche als auch weibliche Merkmale auf. Dies äussert sich in genitalen Variationen – ein Schmetterling kann sowohl Hoden als auch Eierstöcke haben – bis hin zu Farben, Formen und Muster der Flügel.
Die Tüpfelhyäne Tüpfelhyänen-Weibchen sind grösser als die Männchen und führen die Rudel. Da sie maskulinisierende Sexualhormone produzieren, entwickeln sie einen «Pseudopenis», bei dem die stark vergrösserte Klitoris aussieht wie ein männliches Genital. Ein Nutzen könnte sein, dass Weibchen die Paarung kontrollieren durch den erschwerten Zugang für den männlichen Penis.
Das Rädertierchen Seit Millionen von Jahren leben die mikroskopisch kleinen Rädertierchen im Zölibat: Eine Artengruppe vermehrt sich rein parthenogenetisch, also ohne sich sexuell zu vereinigen. Dadurch können die Tiere, die in den Böden unserer Gewässer leben, ohne der Notwendigkeit von Männchen ihren Fortbestand sichern.
Die Fruchtfliege Forscher haben Verhaltensweisen beobachtet, die darauf hindeuten, dass Fruchtfliegen bisexuelle oder pansexuelle Neigungen haben könnten, indem sie sowohl männliche als auch weibliche Partner wählen oder sich nicht von den Geschlechtern ihrer Partner beeinflussen lassen.
Der Königspinguin Männliche und weibliche Pinguine gehen sowohl lebenslang als auch kurzfristig Beziehungen mit Mitgliedern ihres eigenen Geschlechts ein. Regelmässig berichten Zoos über gleichgeschlechtliche Eltern, die sich gemeinsam um ein Küken kümmern: Buddy und Pedro aus Toronto, Skipper und Ping aus Berlin, Electra und Viola aus Valencia (und weitere).
Der Blob Schleimpilze sind keine Pilze, sondern mikroskopische Lebewesen. Sie lieben es feucht, leben in unseren Wäldern und Komposthaufen, und können zu einem riesigen Konglomerat verschmelzen, um gemeinsam Nahrung zu suchen. Ein einziger Blob weist schon acht Geschlechter auf – die gesamte Art sogar rund 700 Geschlechter (durch die vielfältigen Kombinationen).
Übrigens: Den Weltrekord bei der Anzahl von Geschlechtern hält ein echter Pilz. Bei dem einheimischen Spaltblättling, der etwa auf Buchen lebt, sind 23’328 Geschlechter bekannt!
Der Tigerschnegel Tigerschnegel verdanken ihren Namen ihrer markant gestreiften Körperfärbung. Es sind Schnecken, die mit mächtigen Penissen ausgestattet sind, die bis zu einem Viertel ihrer Körperlänge erreichen können. Während des Paarungsakts verflechten sich ihre Penisse miteinander. Andere Arten von Nacktschnecken gehen noch weiter: Sie haben gigantische Geschlechtsteile, die sie während der Paarung gegenseitig verspeisen. Warum sie dies tun, ist bis heute ein Rätsel.
Der Reismehlkäfer Reismehlkäfer leben gern da, wo wir Menschen Getreide, Mehl, Reis, Nüsse und Trockenfrüchte lagern. Die Männchen deponieren ihr Sperma im Genitaltrakt des anderen Männchens. Dieser überträgt das fremde Sperma, wenn er sich danach mit einem Weibchen paart.
Die Strumpfbandnatter Bei den nordamerikanischen Strumpfbandnattern sind die ausgewachsenen Weibchen meist deutlich grösser als die Männchen. Unter letzteren gibt es «Transvestiten», die in ihrem Körperbau und Verhalten den Weibchen ähneln und sogar Sexuallockstoffe imitieren. Indem sie so andere Männchen verführen, können sie den eigenen Körper warmhalten.
Sonderausstellung «Queer — Vielfalt ist unsere Natur»Das Naturhistorische Museum Bern erhielt für seine Sonderausstellung über das «Queerreich» einen Diversity-Award und eine Auszeichnung der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz. Von 2021 bis 2023 bot sie eine Entdeckungsreise in die Vielfalt der Geschlechter und sexuellen Ausrichtung bei Tieren und Menschen. Hier gelangst du zum virtuellen Rundgang.
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«Was Queerness ist, entscheiden wir individuell für uns selbst» – Lauren John Joseph hat sich einen Namen als nicht-binäre*r Perfomance-Künstler*in, Autor*in und Journalist*in gemacht. Lauren John Joseph ist mit Solo-Theaterstücken auf der ganzen Welt aufgetreten, diverse Preise gewonnen. MANNSCHAFT+-Interview zum Roman-Debüt «Wo wir uns berühren».
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