Dating-Show schickt bisexuelles Paar in die Karibik – wo ihre Liebe strafbar ist
Die britische Sendung «Blind Date» wollte einen «wegweisenden Moment von Bisexualitätsrepräsentation» schaffen, der leider ins Gegenteil umschlug. Wird dadurch eine überfällige Debatte angestossen?
Eine der am häufigsten ignorierten Gruppen in der Buchstabenreihe LGBTIQ sind die Bisexuellen. Deren eigenständige Geschichte und politische Forderungen gehen oft unter im Streit der übrigen Community-Debatten, wobei vielfach bezweifelt wird, ob Bisexualität überhaupt zur Community zählt – denn heterosexuelle Männer finden sie Vorstellung von bisexuellen Frauen «heiss», wenn das bedeutet, sie würden «lesbischen» Sex haben, und bisexuellen Männern wird gern vorgeworfen, sie seien einfach nur «verklemmt schwul» und würden sich nicht trauen, offen zu ihrer «eigentlichen» sexuellen Orientierung zu stehen.
Die neuere Queer-Bewegung, die die Binarität der Welt überwinden möchte, engagiert sich zwar an vielen Fronten, besonders in Bezug auf Transrechte und -sichtbarkeit, aber so gut wie gar nicht für Bisexuelle. Als würden diese für sie ebenfalls nicht «voll» zählen. Für die einen sind sie zu wenig «schwul» oder «lesbisch», für die anderen zu wenig «queer».
Dass die britische Dating-Show «Blind Date» nun erstmals eine bisexuelle Kandidatengruppe aufstellte, kann man in diesem Kontext als überfällig und lobenswert, ja sogar wegweisend ansehen. Unter den TV-Kandidaten war der Kosmetiker Jordan Shannon, der sich als sein Date das Model Jesse Drew ausgesucht hatte.
Moderator Paul O’Grady sagte: «Ich bin sehr glücklich, dass ‹Blind Date› seine Bemühungen in Richtung Inklusivität fortsetzt, indem wir denen, die sich als bisexuell identifizieren, eine Plattform bieten.» Weiter heisst es von O’Grady: «Es hat Spass gemacht, diese Folge zu drehen.»
Allerdings wurde dieser «wegweisende Moment von Bisexualitätsrepräsentation» (wie es eine britische LGBTIQ-Zeitschrift formulierte) schnell zu einer wenig wegweisenden Angelegenheit, als die beiden männlichen Kandidaten zu ihrem Date in die Karibik geschickt wurden, um genau zu sein: auf die westindische Insel St. Lucia. Dort sind sexuelle Handlungen zwischen Männern eine Straftat.
Die Security-Frau des Hotel meinte, dass man für zehn Jahre ins Gefängnis kommt, wenn man beim Sex mit einem Mann erwischt wird!
Jordan und Jesse wussten dies nicht, bis sie vor Ort waren. Jordan erzählte später im Interview mit Boulevardblatt Daily Star: «Auf dem Weg zum Hotel sagte mir das jemand. Und ich dachte nur, was für eine Sch***** ist das denn? Die Security-Frau des Hotel meinte, dass die meisten schwulen Männer versteckt leben würden, weil Homosexualität als Straftat gilt und man für zehn Jahre ins Gefängnis kommt, wenn man erwischt wird.»
Grenzenlos naiv? Der Schock sass tief. Und das erste Date nahm plötzlich eine ganz andere Dimension an. Jordan und Jesse wollten so schnell wie möglich wieder weg. Es gelang ihnen zwar ohne Probleme die Insel zu verlassen und nach Grossbritannien zurückkehren, aber sie waren auf St. Lucia doch «ziemlich nervös».
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Eine Sprecherin des Senders Channel 5 sagte zum Vorfall: «Wir wussten das alles in Bezug auf St. Lucia nicht und werden das mit der Produktionsfirma besprechen.» Bislang haben die drei Produktionsfirmen, die hinter «Blind Date» stecken (So Television, Olga TV Production und Stellify Media) die Angelegenheit nicht kommentiert.
Dass über die rechtliche Situation auf der Karibikinsel vorab nicht nachgedacht wurde, könnte man als grenzenlos naiv bezeichnen. Vermutlich hätten sich die Produzenten bei einem schwulen oder trans Paar durchaus die Mühe gemacht, die Lage vorab genauer zu checken. Da aber über Bisexuelle meist geschwiegen wird und entsprechend wenig publiziert ist, fielen sie bei den Sicherheitsvorbereitungen einfach – mal wieder – durchs Raster. Es ist auch eine Erinnerung ans eigene koloniale Erbe: denn die westindischen Inseln gehören zwar zum britischen Commonwealth, die Queen ist offiziell das Staatsoberhaupt, dennoch gelten dort nicht die gleichen Gesetze in Bezug auf LGBTIQ, wie sie in England gelten. Stattdessen hält man an veralteten britischen Moralvorstellungen fest, die dort einst von den Kolonialherren und -herrinnen eingeführt wurden und die scheinbar schwer wieder loszuwerden sind. (Die Situation kennt man auch von anderswo.)
Der Pendler – bisexuell und glücklich
Vielleicht ist die Debatte um Jordan und Jesse zumindest in Grossbritannien eine Gelegenheit, sich anlässlich der bevorstehenden Pride-Saison stärker mit der Situation von Bisexuellen auseinanderzusetzen. Besonders, weil erst im Februar 2019 eine Umfrage unter jungen Menschen im Alter zwischen 13 und 26 im UK ergeben hatte, dass 57 Prozent sich nicht als «eindeutig heterosexuell» bezeichneten, 76 Prozent meinten, die gängigen Labels würden ihre fluide sexuelle Orientierung nicht treffend beschreiben. Aber gerade wenn man von «fluider sexueller Orientierung» spricht, sollte man sich über die rechtliche Situation von Bisexuellen mehr Gedanken machen.
Ob der Karibikausflug mit all den damit verbundenen Aufregungen Jordan und Jesse bei ihrem ersten Date näher zusammengebracht hat, können Channel-5-Zuschauer und -Zuschauerinnen am 12. Mai sehen, wenn die nächste «Blind Date»-Folge gesendet wird. Vielleicht gibt’s dann auch eine Erklärung der Produzenten und eine Entschuldigung vom Moderator, der zuvor so stolz auf die «Inklusivität» seiner Sendung war?
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