Schwulenfeindliche Texte, aber gegen Rassismus: Eminem wird 50
Immer wieder kritisierten Aktivist*innen seine Texte
Keiner hat so eine blitzblanke amerikanische Aufstiegsgeschichte zu bieten: Eminem hat von den dunkelsten Ecken Detroits aus die Rapwelt verändert. Auch Barack Obama wandte sich in entscheidenden Momenten an Eminems Musik.
Von Benno Schwinghammer, dpa
Wie übermenschlich gross der Rapper Eminem ist, zeigt sich alleine daran, dass sogar zwei Wörter seines Superhits «Lose Yourself» reichen, um damit ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Seit vergangenem Jahr bilden sich vor «Mom’s Spaghetti» in Downtown Detroit lange Schlangen – und das trotz des nicht allzu appetitlichen Songtextes: «Seine Handflächen sind verschwitzt, seine Knie schwach, seine Arme schwer/ Auf seinem Pullover ist Kotze, Mamas Spaghetti», rappte Eminem Anfang des Jahrtausends.
«Lose Yourself» wurde zu Eminems wohl einflussreichstem Lied – es geht um den einen Moment, der alles verändern kann, wenn man es nur will. Der Musiker selbst nutzte seine Chance und wurde zu einem der legendärsten – und kontroversesten – Rapper seiner Generation. Am 17. Oktober wird er 50.
Geboren wurde Marshall Bruce Mathers III. 1972 in St. Joseph im US-Bundesstaat Missouri. Seine Kindheit und Jugend waren geprägt von Armut und Vorwürfen von Gewalt und Missbrauch. Die Familie zog in die Problemstadt Detroit in Michigan, wo Mathers mit 14 sein Talent bei Auftritten in Clubs zeigte und sich einen Namen in der Rap-Szene machte. Die Schule interessierte ihn unterdessen nicht, er wiederholte mehrere Klassen und schmiss schliesslich ganz hin.
Eminems erstes Album «Infinite» führte 1996 nicht zum erhofften Durchbruch, doch als er ein Jahr später bei der «Rap-Olympiade» in Los Angeles den zweiten Platz errang, wurde Hip-Hop-Übervater Dr. Dre auf ihn aufmerksam. Dre nahm Mathers auf, das Album «Slim Shady LP» mit dem Hit «My Name is» wurde 1999 mit Eminems Talent und Dr. Dres Authentizität in der Szene zu einem der Alben, die im Nachhinein Megaseller genannt werden. Dazu hagelte es Grammys und MTV Video Music Awards.
Ein Jahr später folgte mit der «Marshall Mathers LP» das bis dahin am schnellsten verkaufte Rap-Album der amerikanischen Geschichte – inklusive kontroversen Songs wie «The Real Slim Shady» und «Stan». Diese Jahre – inklusive Eminems Schauspieldebüt in dem halbautobiografischen Film «8 Mile» – sollten der Höhepunkt seiner Karriere werden und sein Image als weisses Wunderkind im afroamerikanisch dominierten Rap festigen.
Immer wieder warfen Aktivist*innen Eminem dabei aber auch schwulen- und frauenfeindliche Texte vor. Anschuldigungen, denen der Musiker unter anderem 2001 bei einem Duett zusammen mit dem schwulen Sänger Elton John bei den Grammys entgegenzutreten versuchte. 2020 macht er verunglückte Grindr-Witze (MANNSCHAFT berichtete).
Auf seinem Album «Kamikaze» disste er den Kollegen Tyler, The Creator, den er als Schwuchtel beschimpft. Songs aus dessen letztem Album würden sich wie ein Coming-out lesen (MANNSCHAFT berichtete). «Es ist 2018, aber offenbar hat das Eminem niemand gesagt», schrieb die britische Independent daraufhin. Denn man disse niemanden (mehr) aufgrund seiner Sexualität.
An anderer Stelle sorgte Eminem dagegen für Aufsehen mit einer Geste für Menschenrechte: Am Ende der Super-Bowl-Halbzeitshow unter anderem mit Dr. Dre und Snoop Dogg ging er auf die Knie – offensichtlich als Unterstützung für den früheren US-Football-Profi Colin Kaepernick. Der hatte diese Geste 2016 als Zeichen des Protests gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit initiiert und wurde vor allem von der amerikanischen Rechten scharf angegriffen.
Von der Detroiter Unterschicht bis zur grössten Bühne der Welt: Eine so blitzblanke Aufstiegsgeschichte wie die von Eminem gibt es in Amerika nur selten. Sie verlieh Marshall Mathers Authentizität, sein Stil und Talent inspirierten sogar den jungen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama vor den alles entscheidenden TV-Debatten gegen seinen Kontrahenten John McCain.
In seiner Autobiografie «Ein verheissenes Land» schreibt Obama, dass er «Lose Yourself» vor jedem Auftritt gehört habe – das Lied, in dem es darum geht, die eine grosse Chance im Leben zu nutzen. Obama beschreibt, wie er auf dem Weg zu den Debattenorten im Auto sass und im Takt zu Eminem genickt habe. Er spürte «einen Hauch von privater Rebellion, eine Verbindung zu etwas Düstererem und Realerem als all die Aufregung und Ehrerbietung, die mich jetzt umgaben. Es war eine Möglichkeit, die Künstlichkeit zu durchbrechen und mich daran zu erinnern, wer ich war.»
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