Daniel Newman: «Plötzlich fand man mich begehrenswert»
Er spielte bei «The Walking Dead» und bei «Eastsiders» mit
Nach einer Begegnung mit einem aufgebrachten Fan outete sich Daniel Newman vor drei Jahren medial als bisexuell. Der 38-jährige Schauspieler über rote Haare und die Bedeutung von LGBTIQ-Sichtbarkeit.
Daniel, wir sprechen im Rahmen der Gay Ski Week in Arosa miteinander. Wie gefällt es dir hier? Es ist unglaublich! Ich fahre viel Ski und Snowboard. Die Hüttengaudi auf der Piste war fabelhaft!
Du warst bei «The Walking Dead» zu sehen – einer Zombieapokalypse, in der selbst die Hauptrollen daran glauben müssen. Wie geht man als Schauspieler damit um, wenn man weiss, dass man irgendwann getötet wird? Und zum Zombie wird? (Lacht.) Man gibt immer vollen Einsatz, weil man nicht weiss, wie lange man noch dabei ist und es nicht verbocken will. Ich hatte das Privileg, während dreier Jahre Teil dieser Show zu sein und das noch zu einer Zeit, in der sie als weltweit erfolgreichste Serie im Kabelfernsehen galt.
«Eastsiders» ist als LGBTIQ-Serie hingegen ein Nischenprodukt. Bei «The Walking Dead» sagten alle: «So toll, bist du dort dabei!» Bei «Eastsiders» liebten alle die Rolle, die ich spielte. Es ist unglaublich, wie viele Menschen von dieser Serie besessen sind.
Woran liegt das? Wir werden selten so vielfältig repräsentiert wie in «Eastsiders». Der Mainstream bedient sich nur eines bestimmten schwulen Typus. Daher ist es cool, so viele Facetten der Community auf dem Bildschirm zu sehen. Wir brauchen mehr davon.
«Jung, schwul, gläubig» – Christen, Juden & Muslime im Porträt
Hat dich der plötzliche Ruhm überrumpelt? Nein, ich wusste, worauf ich mich einliess. Bereits als Zwölfjähriger habe ich mich auf den Sets von TV- und Filmproduktionen eingeschmuggelt. Ich bin auf dem Land im US-Bundesstaat Georgia aufgewachsen, da war ausser Dreharbeiten nie etwas los. Ich hing jeweils bei den Statist*innen rum und ging am Abend wieder nach Hause.
Nach einer Weile wurde ich übermütig und stellte mich am Ende des Tages an, als die Gagen ausbezahlt wurden. Da mein Name natürlich nirgends auf einer Liste stand, wurde ich erwischt und nach Hause geschickt. Der Castingdirektor fand mich irgendwie niedlich und liess ein paar Kontakte spielen. Und so bekam ich bald erste Rollen in TV-Serien.
Du bist also nicht über deine Eltern ins Showbusiness gekommen? Nein, aus Langeweile (lacht). Meine Eltern liessen sich früh scheiden und so wuchs ich zuerst bei meinem Vater in der Stadt auf. Ich war der einzige Weisse an der Schule und hielt mich lange für einen schwarzen Rapper (lacht). Als ich zu meiner Mutter aufs Land zog, war ich in einer anderen Welt. Wir hatten sogar ein Rodeoteam. Ich musste also früh lernen, mich anzupassen. Ich imitierte mein Umfeld, um dazuzugehören. Deswegen faszinierte mich die Schauspielerei so sehr. Ich konnte jemand anderes verkörpern und meinem Alltag entfliehen.
Wurdest du als Kind gemobbt? Und wie! Mein Verhalten als Kind war sehr weiblich, dazu bin ich noch rothaarig. Beides Grund genug, um mich zu verprügeln. «Du bist so hässlich», rief man mir immer zu. Kinder können sehr böse sein. Ich fühlte mich in Gruppen unwohl und war Einzelgänger. Daher war es ein grosser Schock für mich, als man mich später in New York fürs Modeln fragte. Plötzlich fand man mich begehrenswert.
Dank deinen roten Haaren hast du es in den «Red Hot»-Kalender geschafft. Ich weiss, jetzt finde ich sie grossartig! Als Kind habe ich meine Haare gehasst.
Farbe bekennen: Was es heisst, ein «Ginger» zu sein
2017 hast du dich medial als bisexuell geoutet. War es schwierig, gegenüber der Öffentlichkeit ein Geheimnis daraus zu machen? Sehr. Jedesmal, wenn ich mich in Agenturen outete, rieten sie mir von einem öffentlichen Coming-out ab. Sie sagten, dass ich meine Schauspielkarriere gleich an den Nagel hängen könne. Schliesslich war das Gegenteil der Fall. Ich wurde nur so mit Angeboten überhäuft.
Was gab schliesslich den Ausschlag für das Coming-out? Ich hielt meine Sexualität immer für etwas Privates. Was aber nicht hiess, dass ich mich nicht engagierte. Als ich mich in einer Unterkunft für obdachlose LGBTIQ-Jugendliche in Los Angeles einsetzte, sprach mich eine Frau an und dankte mir, dass ich mich um die Gay-Community kümmerte. Ich sagte ihr, dass ich auch Teil dieser Community sei. Ich dachte, sie würde sich freuen, doch sie wurde richtig wütend. «Wieso stehen Sie nicht öffentlich dazu?», fragte sie. «Realisieren Sie nicht, wie sehr es der Sache schadet, wenn Personen wie Sie ein Geheimnis daraus machen?»
Wer auch auf Frauen steht, will sich nicht unbedingt outen, ausser man verliebt sich in einen Mann.
Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich erinnerte mich, dass ich als Kind keine schwulen oder bisexuellen Vorbilder hatte. Schauspieler, Athleten – erfolgreiche Männer waren nicht schwul. Da wurde mir bewusst, dass ich mit dem ganzen Erfolg, den ich zu dieser Zeit mit «The Walking Dead» hatte, ein Zeichen setzen musste. Auch wenn ich damit nur eine Frau wie sie erreichen würde oder ein solches Kind, wie ich es damals war.
«Asexuelle und trans Menschen fühlen sich deutlich einsamer»
Bisexuelle Menschen haben mit Unsichtbarkeit zu kämpfen. Warum ist das so? Im Süden der USA ein Coming-out zu wagen, ist alles andere als einfach. Wer auch auf Frauen steht, will sich nicht unbedingt outen, ausser man verliebt sich in einen Mann. So war es jedenfalls bei mir. Wieso sollte ich meine Familie, meine Schule oder meinen Arbeitsplatz unnötig «belasten»? Ich bin der Überzeugung, dass eine Mehrheit der bisexuellen Menschen kein Wort darüber verliert – deswegen ist die bisexuelle Community auch so winzig klein. Viele Männer, mit denen ich früher herumexperimentierte, sind heute glücklich mit einer Frau verheiratet und haben Kinder.
Und was noch dazu kommt: Wenn Frauen bisexuell sind, findet es die Gesellschaft toll und sexy. Bei einem Mann heisst es: «Nein, du bist entweder 100 % hetero oder schwul. Bisexuelle Männer gibt es nicht.» Jüngere Generationen sind da offener und sehen auch keine starren Geschlechtergrenzen. Das finde ich toll.
Gibt es Situationen, in denen du dich als bisexueller Mann unter schwulen oder heterosexuellen Männern unwohl fühlst? Nein, sofern man mich nicht in eine Schublade steckt. Ich weiss nicht, ob es an meinem Charakter liegt oder daran, dass ich ein Schauspieler bin, aber ich kann mich heute gut in eine Gruppe integrieren. Solange ich mich nicht verstellen oder verleugnen muss, fühle ich mich wohl.
Hast du einen Rat an Kinder und Jugendliche, die sich fehl am Platz fühlen? Sei stolz auf dich, so wie du bist. Es gibt fast acht Milliarden Menschen auf dieser Erde, irgendwo da draussen wirst du Anschluss finden. Wer auf dem Land aufwächst, fühlt sich schnell einsam und ausgegrenzt. In einer grossen Stadt entdeckst du ein Dutzend, wenn nicht eine ganze Community, die so ist wie du. Es gibt ein Projekt namens «Es wird besser». Und dieser Satz stimmt wirklich, es wird tatsächlich besser. Glücklicherweise gibt es heute Apps, die uns näher zusammenbringen.
Dating-Apps? Manche sagen, es gehe dort nur um Sex. In Wahrheit zeigen dir Apps wie Grindr oder Scruff doch Menschen in deiner Nähe an, die genauso sind wie du. Das ist unglaublich! Es geht um weit mehr als nur um Sex, sondern um Identität, um Familie. Solche Dinge hatte ich als Jugendlicher nicht.
Auf Instagram erhalte ich Nachrichten von Personen in afrikanischen Ländern, die keinen Zugang zu solchen Apps haben oder Angst vor Verfolgung, wenn sie sie nutzen. Sie schreiben mir, dass sie niemanden zum Reden haben. Das ist doch traurig.
Es ist unsere Aufgabe, sichtbar zu sein und unsere Community zu stärken, denn unser grösster Feind ist die Unsichtbarkeit. Solange du unsichtbar bist, kann man dir etwas antun und niemand bekommt etwas davon mit. Das darf nicht sein.
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