Porno probieren: «Viele haben keine Ahnung von ihren Wünschen»
«Cheex» bietet Film- und Audioinhalte sowie Workshops zur Aufklärung an
Fast jede*r kennt es, aber nur wenige sprechen darüber. Versteckt hinter vielen Browser-Verläufen und Inkognito-Modi verbergen sich Inhalte, die viele Nutzer*innen nur zu gern für sich behalten. Erotische und pornografische Angebote sind mittlerweile auf verschiedensten digitalen Kanälen allgegenwärtig, aber für den Grossteil der Gesellschaft immer noch ein Tabuthema.
Von: Michael Mennekes
Eine inklusive Community-Plattform für alle Geschlechter und Präferenzen möchte das ändern, ohne Schamgefühl und Stigmatisierung. «Cheex» bietet, neben Film- und Audioinhalten, auch Tutorials und Live-Workshops an. Der Unterschied zu herkömmlichen Angeboten besteht darin, dass das überwiegend kostenpflichtige Portfolio mithilfe eines Abo-Modells finanziert, und ausschliesslich unter fairen Bedingungen produziert wird. Wie die Aufklärung zu einem sexuellen Selbstverständnis genau funktioniert und welche Angebote es für die queere Community gibt, erklärt uns eine der Gründer*innen, Denise Kratzenberg.
Denise, du hast Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Accounting und Finance studiert. Mit diesem Hintergrund ist die Gründung einer Online-Plattform für sexuelle und pornografische Inhalte nicht ganz so naheliegend. Wie ist die Idee zu «Cheex» entstanden? Das ist schon ein paar Jahre her. Ich habe damals bereits in der Start-up-Szene gearbeitet und wollte aber nie gründen oder mich selbstständig machen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ein grosses aktuelles Problem in unserer Gesellschaft darin besteht, dass die Menschen sich nicht sexuell befreit fühlen. Dabei hat jeder, in welcher Form auch immer, einen Bezug zur Sexualität.
Es ist total spannend, weil ich auch häufig mit Freund*innen darüber gesprochen habe und dafür, dass es alle so bewegt, ist es so gar nicht so in unserer Gesellschaft verankert. Ich habe ich mich dann gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Max gefragt, wie ein Produkt aussehen könnte, das sexuell befreiter macht.
In diesem Prozess entstand die Idee einfach erstmal mit Pornografie zu starten. Acht von zehn Leuten konsumieren dementsprechende Inhalte und unser Ansatz war ein einfacher Zugang, kombiniert mit Aufklärung und einem vielfältigen, stimulierenden Angebot. Eine Plattform die man als richtig coole Bereicherung empfindet, so dass man auch seinen Eltern davon erzählt.
Herkömmliche einschlägige Webseiten sind jetzt nicht etwas, womit ich mich gerne identifiziere. Vor allem spricht niemand darüber und keiner kann nachvollziehen woher der Content stammt.
«Cheex» versteht sich als eine Community. Ihr setzt Euch für eine selbstbestimmte Sexualität ein, frei von Schamgefühl und Stigmatisierung. Neben Filmen gibt es auch Lerninhalte und Live-Workshops. Beispiele sind Tutorials zur Nutzung von Dildos, inkl. Jockstrap oder Sexpositionen für Menschen mit Behinderung. Ist eine Enttabuisierung mit dem Umgang von Sexualität messbar oder zumindest sichtbar? Ich sehe das auf jeden Fall, zum Beispiel am Feedback unserer Community. Viele Nutzer*innen schreiben uns nach dem Besuch unserer Plattform und sagen, dass sie etwas dazugelernt haben und sich besser fühlen. Ein Beispiel dazu ist ein Film mit einer mehrgewichtigen Influencerin, den wir öffentlich gelauncht haben. Da habe ich viele Menschen vor Freude weinen sehen, denn in der Pornografie werden Menschen, jenseits standardisierter Schönheitsideale, leider häufig stigmatisiert und diskriminiert.
Da kann man schon viel verändern, auch bezüglich Werbung. Früher durften wir keine Flyer in Zeitungen oder Zeitschriften streuen, weil wir dieses Pornografie-Label haben. Aber das bricht mehr und mehr auf, und es gibt mittlerweile Magazine, die das gerne unterstützen. Natürlich kann man das, je nachdem was Menschen für eine Haltung zu diesem Thema haben, kritisieren aber du kannst Pornografie nicht totschweigen. Ausserdem wäre das schlimm, denn dann bleibt es unreguliert.
In allen anderen Branchen gibt es normalerweise Gütesiegel, in der Pornografie nicht. Das liegt einfach nur daran, dass das Thema in der Gesellschaft zu wenig behandelt und besprochen wird.
Inhalte bei dem die Geschlechter Mann und Frau im Mittelpunkt stehen, ist sicherlich der am meisten gewünschte Content. Mit welchen Angeboten versucht Ihr queere Menschen zu erreichen? Wir versuchen natürlich eine inklusive Plattform zu sein. Wir möchten jetzt nicht explizit Content für Frauen oder Männer bzw. für für eine bestimmte Community machen, sondern eigentlich für alle zugänglich.
Im Bereich LGBTIQ gibt es zum Beispiel ein Tutorial über «Pegging». Darunter versteht man gemeinhin Sex mit einem Umschnalldildo, der sich in erster Linie auf die anale Penetration für Menschen mit Prostata bezieht. Jedoch sind die meisten sexuellen Praktiken nicht nur bestimmten Orientierungen vorbehalten. In dem Tutorial machen wir vor allem darauf aufmerksam, dass «Pegging» von jedem genossen werden kann, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. So kann schon bei Kleinigkeiten viel aufgebrochen werden, gerade wenn man alle mit einbezieht.
Wie hoch ist der Anteil von LGBTIQ-Mitglieder? Das kann ich leider nicht genau sagen.
Gibt es Überschneidungen zwischen heteronormativen Themen und LGBTIQ-Themen? An welchen Stellen lösen sich alteingesessene Grenzen zunehmend auf? Wir liefern eine unglaubliche Vielfalt an verschiedenen Körperformen und Geschlechteridentitäten, ergänzt durch Hintergrundinformationen. Dadurch sehen wir, dass die Inhalte auch von verschiedenen Gruppen konsumiert werden. Das vermischt sich, wie beim Beispiel «Pegging».
Diese Sexualpraktik ist auch dafür bekannt, dass sie die traditionelle Machtdynamik untergräbt und insbesondere die vorherrschende heteronormative Vorstellung in Frage stellt, dass ein Mann der Penetrator ist und eine Frau penetriert wird.
Euer Ziel ist es, die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität salonfähig zu machen. Eure Plattform ist jedoch ein geschützter Raum. Für eine «sexuelle Revolution» muss das Umdenken aber auch in die breite Gesellschaft getragen werden. Gibt es konkrete Erfolgserlebnisse, die es in die analoge Welt geschafft haben? Das Spannende ist, dass Sexualität eine unfassbare Neugierde bei Menschen entwickelt. Zum Einen weil es natürlich ein Tabuthema ist und zum anderen weil es jeden bewegt. Wenn ich im Privatleben über «Cheex» spreche, dann wird meistens das gesamte Gespräch am Tisch auf meinen Beruf gelenkt. Andere Themen finden dann oft gar nicht mehr statt (lacht).
Aber auch sonst in der in der Aussenwelt: Im Soho House in Berlin hatten wir nicht-explizite, aber sehr direkte Workshops und das wäre früher, glaube ich, nicht möglich gewesen.
Wenn wir in der analogen Welt einen Workshop anbieten bemerken wir ein unfassbar grosses Interesse und selbst die Universität an der ich studiert habe, eine sehr konservative Institution in der Schweiz, hat mich für ein Interview angefragt. Durch unsere Standards und die Vision kommt unsere Plattform gut an und wird gerne als Gesprächsthema genommen.
Es erfordert Mut sich sehr intimen Themen zu widmen. Was sind die grössten Tabus, die deiner Meinung nach aufgebrochen werden müssen? Es ist ganz komisch: Jeder verhält sich so, als gäbe es keine Pornografie und dass niemand diese Filme schaut. Ein anderer Punkt der mich persönlich noch viel mehr bewegt ist, dass viele Menschen denken, Sexualität würde erst mit der Pubertät beginnen.
Sie beginnt aber schon viel früher im Kindesalter, deshalb ist eine Aufklärung enorm wichtig. Es gibt ja auch eine gewisse kindliche Neugierde und wenn niemand darüber spricht, werden junge Menschen auch häufig nicht aufgeklärt.
Pornografie ist ab 18 Jahren und das finde ich auch total wichtig, denn die Jugend muss geschützt werden. Aber das heisst trotzdem nicht, dass wir nicht aufklären müssen und Sexualität zu einem Tabuthema erklärt wird, nur weil ein Grossteil der Gesellschaft Angst hat etwas falsch zu machen. So ein Verhalten kann einen enormen Schaden anrichten.
Der Anfang ist immer am schwierigsten. Aus deiner Erfahrung heraus: Wie beginnt man mit Partner*innen ein Gespräch über ein intimes Thema? Für den ersten Schritt wäre es zunächst wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und sich dafür nicht zu schämen. Ganz viele Menschen haben aber keine Ahnung von ihren Wünschen weil diese Experimentierfreude mit der eigenen Person gar nicht stattfindet.
Beim zweiten Schritt geht es um die Kommunikation: Ich persönlich finde es immer einfacher, wenn man etwas rein wirft in den Raum. Das muss nicht vor dem Sex sein, das kann auch danach passieren aber wichtig ist es, einfach mal über das eigene Bedürfnis zu sprechen. In dem Moment zeigt man sich natürlich auch verletzlich und mutig aber wenn man den ersten Stein wirft, fällt es dem Gegenüber meistens auch viel leichter darüber zu sprechen.
Die Bereitstellung von Pornografie und ein dementsprechender Umgang erfordert ein hohes Mass an Verantwortungsbewusstsein. Was ist für Euch die grösste Herausforderung, dieser Haltung gerecht zu werden? Wir haben einen grossen Themenkatalog erarbeitet und unsere festen Standards. Ein wichtiger Punkt ist eine faire Bezahlung der Performer*innen. Wir kämpfen aber auch gegen soziale Hürden und die Zensierung auf Social Media. Die Community fängt ja nicht bei den Leuten an die sich bei uns anmelden sondern bereits davor.
Wir verbreiten Content ja auch auf anderen Kanälen, wie mit unserem Newsletter und da werden wir häufig stark zensiert, obwohl wir eigentlich nur aufklären. Wenn ich zum Beispiel die Brust von einer weiblichen Person abbilde, dann darf ich die nackt nicht zeigen, egal in welchem Kontext. Bei der männlichen Brust ist es aber okay. Grenzwertig ist auch der Bereich Periodenblut. Aber um Diversität sichtbar zu machen, müssen wir einfach auch Verschiedenheit zeigen. Das gehört mit zur Aufklärung.
Andere Bereiche betreffen institutionelles Geld oder Bankenkredite. Mit diesen Themen haben wir zu kämpfen und das ist ein sehr sehr schwieriger und steiniger Weg.
Es gibt ja auch andere Bezahl-Plattformen für Erotik und pornografische Inhalte, zum Beispiel «OnlyFans», «JustforFans“ oder «Loyalfans». Genug «Fans» scheint es also zu geben. Was unterscheidet Euch von anderen Anbieter*innen? Bei uns findet man keinen «User-generated»-Content, sondern wir sind kuratiert. Die Inhalte werden von uns also ausgewählt und begleitet, ergänzt durch den aufklärenden Inhalt. Wir bedienen Video- und Audio-Formate, u.a. mit einem Podcast. Das ist wirklich ein grosser Unterschied, auch um Vielfalt zu gewährleisten und diese Kombination gibt es in diesem Sinne woanders nicht.
Mit wenig Aufwand sind online pornografische Inhalte schnell zu finden. Die sind oft nicht legal, aber gratis. Warum sollten Nutzer*innen dem «schnellen Klick» widerstehen und sich für «Cheex» entscheiden? Früher hatte ich auch diesen Gedanken und auch als wir mit Investor*innen gesprochen haben kam immer die Frage auf, «Wer zahlt denn dafür, wenn es das auch «for free» gibt?». Aber viele Interessierte möchten dafür bezahlen, genau wie die Mitglieder unserer Community. Dadurch wissen sie, dass auch die Performer*innen fair bezahlt werden, denn irgendwer bezahlt immer dafür. Daran erkenne ich, dass die Entwicklung in die richtige Richtung verläuft.
Wir sind nicht auf zweifelhafte oder grenzwertige Inhalte angewiesen.
Ihr werbt mit ausschliesslich fairen Arbeitsbedingungen bezüglich der Inhalte, beispielsweise in den Bereichen Produktion und Volljährigkeit der Darsteller*innen. Neben selbst produzierten Inhalten kauft Ihr auch Filme ein. Wie garantiert Ihr, dass diese Versprechen eingehalten werden und die Performer*innen nicht ausgebeutet werden? Wir lizenzieren am liebsten direkt von den Performer*innen und wenn es um Filme von einer Produktionsfirma geht, achten wir darauf, dass sie die gleichen ethischen Standards haben wie wir. Das überprüfen wir und im Zweifel entscheiden wir uns gegen den Content.
Es gibt auf jeden Fall viele Inhalte die lizensierbar sind, und wir sind nicht auf zweifelhafte oder grenzwertige Inhalte angewiesen.
In einem Talk hast du gesagt, dass es Menschen oft richtig unangenehm ist wenn sie für diese Inhalte bezahlen. Reden Eure User*innen selbstverständlicher darüber «Cheex» zu abonnieren und siehst du einen Unterschied bei der Nutzung anderer Webseiten? Häufig geht es dort ja nur um extremen Content und die schnelle Bedürfnisbefriedigung. Ja, genau das hat sich auch verändert. Ich habe natürlich am Anfang meine Hausaufgaben gemacht und viele Freund*innen in einer grossen Gruppe gefragt ob sie für Pornografie bezahlen würden. Da meinten sie: «Nein auf gar keinen Fall!».
Aber danach habe ich mehr und mehr Anrufe bekommen, dass viele es doch tun und teilweise ein oder sogar mehrere Bezahl-Abos haben. Die Menschen haben sich dafür geschämt und das fand ich irgendwie total absurd. Eigentlich ist es etwas sehr gutes für Content zu bezahlen. Die Leute sind mir vielleicht auch generell offener gegenüber. Am Anfang hatte ich auch die Befürchtung aber die User*innen bezahlen schon gerne.
Warum ist die Scham in diesem Bereich noch so gross? Ich glaube generell, dass Pornografie konsumiert wird und dass es so wichtig ist, dass User*innen gerne etwas dafür von dem monatlichen Gehalt abgeben, in Form eines festen Abos. Das erzeugt bei manchen Menschen noch ein komisches oder unangenehmes Gefühl. Es ist aber eben auch total spannend. Jeder vierte Klick im Internet geht zu Pornografie. Es kann also nicht so sein, dass man auf einer Party gemeinsam feiert und keiner der anwesenden Gäste Pornos schaut.
Solange es keine «Scam»-Seite (Betrug) ist, sage ich den Leuten immer, dass ich es super finde wenn sie dafür bezahlen.
Aus Deiner Erfahrung heraus: Gibt es eine Tendenz, wer mit der Nutzung offener umgeht? Menschen aus der LGBTIQ-Community oder heterosexuelle Nutzer*innen? Wenn es um Erotik und Pornografie geht sind mir echt viele Menschen total offen gegenüber und deshalb kann ich nicht sagen ob es dahingehend Tendenzen gibt. Ich habe das Gefühl gerade die «Boomer» und die «Gen Z» reden total gerne darüber, aber die Leute in meinem Alter, Mitte bis Ende 30, sind da etwas zurückhaltender. Ich habe eher das Gefühl, dass es eine Altersfrage ist.
Ihr sagt über Euch, dass Ihr anders seid als andere Portale. So bietet Ihr auch Filme an, die Frauen ansprechen und auf die Bedürfnisse aller Geschlechter eingeht. Es gibt ja unendlich viele Wünsche und sexuelle Vorlieben. Jetzt nur auf die Filmsparte bezogen: Allein im Bereich für schwule, erotische Inhalte gibt es ca. zwischen 420 und 530 Kategorien. Wie versucht Ihr dieser unglaublich grossen Nachfrage gerecht zu werden? Wir machen natürlich Analysen und gucken uns Reports an. Das ist die unromantische Seite unserer Arbeit. Wir versuchen uns stetig zu verbessern aber wir können nicht alles abdecken. Manchmal gibt es auch nichts entsprechendes zu einem gewünschten Thema. Dann müssen wir selber produzieren. Dazu ist es meistens auch eine Budgetfrage und ein Balanceakt, denn auf der einen Seite versuchen wir eine möglichst grosse Vielfalt zu zeigen, müssen aber auf der anderen Seite auch berücksichtigen, was die Community interessiert.
Wir möchten auch das Sehverhalten verändern, auch um anzuregen. Das heisst nicht nur das zu zeigen, was die Leute immer sehen und kennen sondern zum Beispiel auch verschiedene Identitäten und Körperformen. Wenn du ständig Filme siehst wo du überzeichnete Geschlechtsteile siehst oder Menschen, mit denen du dich Null identifizieren kannst, dann fühlst du dich noch eingeschränkter in deiner Sexualität.
Verschiedenheit ist normal und etwas Schönes. Wir beschäftigen uns jeden Tag damit, wie wir es schaffen können, Vielfalt zu gewährleisten, Verhalten zu verändern und trotzdem den User*innen gerecht zu werden.
Leck-Techniken und Sexpositionen für alle Geschlechteridentitäten sind äussert beliebt
Euer Angebot geht über visuellen Content hinaus. Ihr bietet auch Audioangebote und Lerninhalte wie Workshops an. Ein Grossteil davon ist auf Englisch. Welche Themen sind bei queeren Menschen besonders beliebt und wie sind Eure bisherigen Erfahrungen damit? Wir haben leider keine Möglichkeit nur unser queeres oder straightes Publikum zu befragen. Unser Ziel ist es, das Thema Sexualität für alle zugänglich zu machen. Wir machen aber regelmässig anonymisierte Umfragen bei unseren Kund*innen. Da sind jedes Mal besonders Leck-Techniken und Sexpositionen für alle Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierungen, inklusive Prostata-Stimulation und Strap-On-Sex, äusserst beliebt.
Was können Mitglieder der LGBTIQ-Community in Euren Workshops genau lernen? Sehr vieles! Wir arbeiten mit vielen queeren Expert*innen zusammen und grundsätzlich kann von Trans & Cis Anatomie, Blowjobs, Strap-On-Sex und Anal-Douching, bis hin zu Themen wie Consent (Anm. d. Redaktion: dass im Bereich Sexualität die für sich persönlich gezogenen Grenzen aller Beteiligten eingehalten werden) viel Wissen mitgenommen werden.
Ein weiteres Beispiel ist Eifersucht in nicht-monogamen Beziehungen.
Gibt es weitere Themenerweiterungen, die Ihr in diesem Bereich plant? Oh ja, das wird sicherlich so schnell nicht aufhören. Wir haben eine Masterclass zum Thema «Coming out as an adult, bisexuality and gender exploration» in Planung.
Zuerst wolltest du und dein Co-Founder Maximilian Horwitz eine Entspannungs-App auf den Markt bringen. Bevor Ihr dann mit «Cheex» an den Start gegangen seid, habt Ihr für das Thema zuerst im engeren Freundeskreis vorgefühlt. Wie gross war die Überwindung in diesem Bereich tätig zu sein? Ich bin so ein Typ, ich rede immer ganz gerne aber bis ich dann etwas durchziehe dauert es ewig. Deshalb bin ich froh, dass wir so ein gutes Team haben und Max ist das genaue Gegenteil von mir. Der ist eher zurückhaltend aber dafür zieht er es durch.
Am Anfang haben wir viel Recherche betrieben und ich hatte das Thema dann eigentlich schon zu den Akten gelegt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt auch noch einen anderen Job bei einer Catering Firma aber es hat mich nicht losgelassen, da mich so viele Leute immer wieder darauf angesprochen haben. Dann habe auch ich durchgezogen (lacht).
Ich hatte eher das Gefühl, dass die Menschen kein Hindernis waren. Ich habe natürlich auch mit meinen Eltern darüber gesprochen, auch über das Geschäftsmodell und was wir verändern wollen und die fanden das auch total cool. Klar gab es auch Kritiker*innen aber ich fand eher, dass uns alle super unterstützt haben. Max hatte da seinen Job schon längst gekündigt.
Erotik und Pornografie regen die Fantasie an auch über eigene Vorstellungen von Sexualität hinaus zu blicken. Gibt es ein spezielles Thema, aus dem Bereich LGBTIQ, dass sich einer aussergewöhnlich hohen Nachfrage erfreut? Interessanterweise ist BDSM so ein Thema, das auf vielen Seiten die Nummer Eins ist. Das ist bei uns nicht so und liegt eher im Mittelfeld. Aber alles rund um das Thema Queerness ist für die Community sehr spannend, wie Blowjob-Themen, Geschlechteridentitäten und generelle Inhalte dazu. Dieser Content wird total oft gelesen und angeklickt. Ein Punkt den ich nicht erwartet hätte ist zum Beispiel, dass Menschen mit Penis nicht nur Menschen mit Vulven anschauen sondern dass das Interesse auch für die andere Seite vorhanden ist. Das finde ich total cool zu sehen und auch Frauen gucken gerne Queer-Pornos mit Männern und Männern.
Es gibt aber natürlich auch Schattenseiten: Pornosucht und Abhängigkeit durch Filme, die oft realitätsfern sind und die Intimität negativ beeinflussen können. Die Justus-Liebig-Universität in Giessen forscht in diesem Bereich uns es gibt Schätzungen, dass ca. 5% der männlichen Bevölkerung unter sexueller Sucht leiden. Das ist sicherlich auch eine Gefahr für sehr junge Menschen. Wie ist deine Empfehlung für einen angemessenen Umgang?
Meine Empfehlung ist ganz klar: Pornografie ist immer nur inspirierend und kann niemals die Realität ersetzen. Das sollte eigentlich für alle klar sein. Für uns ist es das oberste Credo, Menschen zu schützen.
Unsere Seite ist anders als die vielen «User-gernerated-Content»-Seiten. Daran muss muss man sich erst einmal gewöhnen denn wir nutzen verschiedene Formate. Zwischendurch wird immer mal ein Artikel oder ein Tutorial angezeigt und dadurch wird eine ganz andere Relation zum Thema Sexualität geboten. Das dient als Inspiration, die man mit seiner Partnerin oder seinem Partner ausprobieren kann.
Das hat schon einen schützenden Effekt und wird ausserdem auch überall erklärt. Falls User*innen dennoch eine Pornosucht entwickelt haben, verweisen wir an Organisationen an die man sich bei Bedarf wenden kann.
Pornografie kann süchtig machen. Das wird nicht verschleiert und darüber klären wir auch auf und das sollte auch jede verantwortungsvolle Plattform machen. Das ist total wichtig und wie mit allen Sachen im Leben, sollte man alles in Massen geniessen.
Was wäre für Nutzer*innen im Vorhinein wichtig zu wissen, um eine gesunde Balance für die Nutzung von «Cheex» zu finden? Es wäre vorher wichtig, sich mit der eigenen Sexualität einmal auseinanderzusetzen: Was mag ich, was mag ich nicht und wie stehe ich eigentlich zu der analogen Sexualität und nicht nur zu den Inhalten, die ich in der digitalen Welt sehe?
Ein weiterer Punkt betrifft die aktuelle Situation des eigenen Sexuallebens. Es gibt Menschen, die leben in einer Partnerschaft und leben ihre Träume nur im inspirierenden, pornografischen Teil aus. Dann stellt sich die Frage warum es nicht gelingt, die Fantasie in das reale Leben zu integrieren? Das kann an der Kommunikation liegen und da kann ein langsames Herantasten helfen.
Wir haben viele User*innen die ihren Account zusammen mit der Partnerin oder dem Partner benutzen. Die melden sich dann gemeinsam zu Workshops an, was ich total schön finde, auch ältere Paare.
Die schreiben uns häufig, dass sie durch «Cheex» nochmal ihr Sexualleben zurückgewonnen haben. Manchmal sagen aber auch Bilder mehr als 1000 Worte und das ist etwas, was Pornografie richtig gut kann.
Kommen wir zu erfreulicheren Zahlen: Ihr habt bereits siebenstellige Umsätze erwirtschaftet. Welche Pläne habt Ihr für die Zukunft von «Cheex»? Das sieht immer sehr schön aus mit den Umsatzzahlen. Wir haben natürlich auch hohe Kosten (lacht), aber wir haben ein gesundes Geschäftsmodell und das ist cool und sehr schön zu sehen. In der Zukunft werden wir vermehrt in unser Produkt investieren und mehr in die Personalisierung gehen. Das hat den Vorteil, dass Menschen eher sehen können was sie interessiert und wir wollen auch weiterhin das Sehverhalten mit beeinflussen und weiter Diversität zeigen. Es ist sehr wichtig, dass User*innen deutlich mehr abgeholt werden und deutlich schneller Zugang zu ihrer eigenen Sexualität finden. Daran arbeiten wir.
Sexuelle Freiheit ist Euer Ziel. Was würdest du dir für die Gesellschaft wünschen? Ich würde mir wünschen, dass alle offener über das Thema Sexualität sprechen und dass Menschen sich weniger schämen. Ich merke, Menschen lieben es, darüber zu sprechen. Es ist etwas was sie bewegt und wozu fast alle einen emotionalen Zugang finden.
Es ist auch sehr wichtig früh genug mit den eigenen Kindern über Sexualität zu sprechen, ohne Tabuisierung. Das führt dazu, dass Menschen sich mit dem eigenen Körper und der Verschiedenheit glücklicher fühlen. Das sind die ersten Schritte, auch um selber ein Umdenken im Kopf stattfinden zu lassen.
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