Billy Eichner hat «Hollywoodfilm wie ‹Bros› nie für möglich» gehalten
Jetzt endlich in den deutschsprachigen Kinos
Eine schwule Hollywood-Romanze mit ausschliesslich queerem Cast: Der Film «Bros» ist in vielerlei Hinsicht «historisch», sagt Hauptdarsteller Billy Eichner im Interview.
Bislang war der schwule Komiker und Schauspieler Billy Eichner vor allem unter Comedy-Insidern eine Hausnummer. Mit queerem, bösem Humor begeisterte er ein Nischenpublikum, sei es mit der Strassen-Gameshow «Billy on the Street» oder der Serie «Difficult People». Nun ist er bereit für den Mainstream: als Hauptdarsteller und Drehbuchautor mit der schwulen Liebeskomödie «Bros».
Billy, eine schwule Mainstream-RomCom, produziert von einem grossen Hollywood-Studio, das hat es bislang nicht gegeben. Hast du geglaubt, dass es eines Tages so weit kommt? Eigentlich war ich immer ein hoffnungsvoller, selbstbewusster und ehrgeiziger Mensch. Aber in diesem Fall muss ich doch sagen, dass ich einen Film wie «Bros» nicht wirklich für möglich gehalten hätte. Und es ist paradox, dass es einen Hetero brauchte, um die Sache Realität werden zu lassen.
Die erste Idee zum Film hattest gar nicht du? Nein, der Auslöser war der Regisseur Nick Stoller, mit dem ich das Drehbuch geschrieben habe. Er meldete sich bei mir, weil er wieder eine romantische Komödie drehen wollte – und zur Abwechslung mal mit zwei Männern. Bei Licht betrachtet war das nicht aussergewöhnlich, schliesslich haben er und der ebenfalls heterosexuelle Produzent Judd Apatow in ihren Komödien immer schon Personen ins Zentrum gerückt, die nicht den klassischen Hollywood-Held*innen entsprachen. Denken wir an Seth Rogen in «Knocked Up – Beim ersten Mal», Amy Schumer in «Dating Queen» oder Kumail Nanjiani in «The Big Sick». Allerdings hielt ich die beiden für verrückt, als sie überzeugt davon waren, ein riesiges Studio wie Universal Pictures für das Projekt gewinnen zu können.
Warum? Weil mir meine 20 Jahre als offen schwuler Mann in Hollywood gelehrt hatten, dass man zwar – mit viel Glück – leidlich erfolgreich sein kann, aber es eine Decke gibt, die nicht zu durchbrechen ist. Zumindest nicht, ohne dass man sich verbiegt und dem anpasst, was dem Hetero-Massenpublikum an Queerness vermeintlich zuzumuten ist. Deswegen war meine erste Ansage an Nick: Ich will den Film unbedingt machen, aber wir müssen diese Geschichte authentisch und ehrlich erzählen. Es reicht nicht, «When Harry Meets Sally» zu nehmen und sie durch zwei Schwule zu ersetzen.
Gleich zu Beginn von «Bros» zeigst du ein fürchterliches Meeting zwischen deinem Protagonisten und einem Hollywood-Produzenten. Ist das autobiografisch? Naja, ich habe es ein bisschen übertrieben, um es witziger zu machen. In Wirklichkeit bin ich nie empört aus einem Büro gestürmt. Obwohl ich es manchmal gerne getan hätte. Ich und viele meiner Schauspiel-, Komik- oder Autoren-Freund*innen aus der LGBTIQ-Community haben vermittelt bekommen, dass das, was wir zu bieten haben, zu queer ist. Die Botschaft war oft: Wir wollen eure Geschichten, denn ohne geht es heutzutage nicht mehr, aber bitte nicht so.
«Heteros spielen gerne die tragischen, gequälten Queers, denn damit hat man gute Oscar-Chancen.»
Was die Authentizität angeht, ist «Bros» recht offenherzig, etwa in Sachen Grindr-Dates, Gruppensex und Co. Gab es Szenen oder Dialoge, die du gegen den Widerstand des Studios oder auch Nicks durchkämpfen musstest? Tatsächlich nicht. Aber bevor der Film nicht in den Kinos läuft, rechne ich jederzeit mit dem Anruf, dass irgendeine Sexszene zu gewagt sei. Keine Ahnung, was hinter meinem Rücken diskutiert wurde. Doch zu mir hat nie jemand gesagt: Das geht nicht, das ist zu schwul, das ist zu viel für Heteros. Klar gibt’s in «Bros» ein paar Sachen zu sehen, mit denen ein paar nicht-queere Zuschauer*innen womöglich noch nie in Berührung kamen. Aber das ist auch gut so. Abgesehen davon sind gerade Judd Apatows Komödien wie «Bridesmaids» oder «The 40-Year-Old Virgin» bekannt für einen Humor, der weit geht und nicht unbedingt kinderfreundlich ist. Warum hätten für uns andere Regeln gelten sollen?
Du sagtest mal, dass du anfangs davon ausgegangen warst, dein Filmpartner würde von einem prominenten Hetero-Schauspieler verkörpert werden. An welchem Punkt fiel die Entscheidung, dass im Gegenteil alle Rollen mit LGBTIQ-Schauspieler*innen besetzt werden? Ich war sicher, dass sie einen Hetero als meinen Lover besetzen würden. Schliesslich war das in Hollywood immer so: Wenn im Mainstream-Kino eine queere Figur im Mittelpunkt steht, wird sie von einem heterosexuellen Star gespielt. Man hat sich daran gewöhnt. Doch siehe da: Als die Gespräche über die Besetzung losgingen, stand früh die Idee im Raum, dass der Mann an meiner Seite ein geouteter schwuler Schauspieler sein solle. Und zu meiner Begeisterung waren von Apatow bis hin zu den Universal-Verantwortlichen alle der gleichen Meinung. Das ist schon historisch, wenn man sich die Geschichte der grossen Studio-Produktionen ansieht.
Aber dass nun selbst die Hetero-Figuren in «Bros» von queeren Darsteller*innen verkörpert werden, ist natürlich auch ein bewusst gesetztes Zeichen, oder? Klar, aber es gibt verschiedene Gründe, warum ich diese Besetzung gut fand und Nick vorschlug. Wenn wir schon Filmgeschichte schreiben, dann richtig. Und natürlich ist es toll, Kolleg*innen aus der Community Jobs geben zu können. Gleichzeitig hatten wir alle das Gefühl, uns mit diesem Kniff künstlerisch mehr Freiheiten zu verschaffen. Zum Beispiel wenn es darum geht, uns selbst aufs Korn zu nehmen. Heteros spielen gerne die tragischen, gequälten Queers, denn damit hat man traditionell gute Oscar-Chancen. Aber sich lustig zu machen über die LGBTIQ-Gemeinschaft, würden sich heutzutage viele nicht mehr trauen. Wir selbst dagegen haben damit kein Problem, und so wurde «Bros» durch die Besetzung auch noch ein bisschen lustiger.
Du spielst Bobby, einen schwulen jüdischen New Yorker. Ist die Rolle autobiografisch? Der Film ist stark beeinflusst von Dingen, die ich selbst – oder mein Freundeskreis – erlebt habe. Einzelne Momente sind also autobiografisch inspiriert. Trotzdem ist vieles ausgedacht – Bobby und ich sind alles andere als deckungsgleich. Und die zentrale Beziehung im Film basiert auf keiner meiner eigenen, das sollte ich vielleicht betonen.
Ist die wunderbare Anekdote wahr, die du im Film über einen Theaterbesuch als Kind zum Besten gibst, mit deinen Eltern neben dir und lauter nackten Männern auf der Bühne? Ja, das ist so ähnlich tatsächlich passiert, wenn auch nicht so pointiert wie im Film. Ich hatte das Glück in New York City aufzuwachsen und liberale, verständnisvolle Eltern zu haben, die mit mir oft an den Broadway und in andere Theaterstücke gegangen sind. Dass ich schon in jungen Jahren schwule Figuren auf der Bühne gesehen habe, war prägend für mich. Dadurch gewann ich ein fast blindes Vertrauen in die Tatsache, dass mein Schwulsein kein Hindernis für eine Karriere im Showgeschäft sein würde. Zwar stellte sich später heraus, dass es zwischendurch doch ein Hindernis war. Aber ich glaube, mein Selbstverständnis in dieser Branche war gesünder als das vieler Kolleg*innen.
Und wo wir gerade bei deinen coolen Eltern sind: Stimmt es, dass sie dir eine Bar Mitzwa mit Madonna-Motto geschmissen haben? Korrekt. Meine Madonna-Bar-Mitzwa war legendär, da sprechen die Leute heute noch drüber. 1991 als 12-jähriger mit diesem Motto zu feiern, war eine Ansage. Ganz schön mutig, oder? Ich war meiner Zeit voraus. Denn wer hätte ahnen können, dass die Dame im Jahr 2022 dank eines «Vogue»-Remixes von Beyoncé mal cool sein würde?
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