Baku – die Stadt der lodernden Flammen
Die Zweimillionenstadt Baku am Ufer des Kaspischen Meeres ist ein Schmelztiegel der Kulturen
Spätestens seit dem Eurovision Song Contest ist die Hauptstadt Aserbaidschans auch in der LGBTIQ-Community bekannt. Touristisch ist die spannende Metropole am Rande Europas aber bis heute ein unbeschriebenes Blatt. Auch kann man dem Land nicht unbedingt nachsagen, übermässig gayfriendly zu sein.
An der Kreuzung zentraler Handelsrouten zwischen Ost und West war Aserbaidschan während vieler Jahrhunderten eine wichtige Station für Reisende auf dem Weg von Europa nach Persien, Indien oder China. Die exponierte Lage zwischen verschiedenen wichtigen Weltregionen und der grosse Erdölreichtum haben jedoch dazu geführt, dass sich immer wieder Grossmächte um dieses Territorium stritten. Aserbaidschan zählt zu den ersten Ländern, die mit der industriellen Produktion fossiler Brennstoffe begannen.
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Bereits im frühen Mittelalter war Öl das wichtigste Exportprodukt. So berichtete Marco Polo im 13. Jahrhundert, dass Karawanen Öl aus Baku in weite Teile Arabiens sowie bis nach Indien brachten. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte in Aserbaidschan ein riesiger Ölrausch ein und wurde die Gegend rund um Baku dank enormer Produktionssteigerungen quasi über Nacht zum weltgrössten Erdölfördergebiet. Dies bescherte dem Land Reichtum und Fortschritt. So wurde im Mai 1918 die Aserbaidschanische Demokratische Republik ausgerufen, die als eines der weltweit ersten Länder das Frauenwahlrecht einführte. Doch bereits nach 23 Monaten zukunftsorientierter Freiheit folgte die Eroberung des Landes durch die Sowjetunion. Nach der Verstaatlichung der gesamten Erdölindustrie lieferte Aserbaidschan fortan rund 75% des von der UdSSR benötigten Öls.
Nach dem Austritt aus der Sowjetunion im Oktober 1991 und dem darauffolgenden politischen Chaos brach die Ölförderung kurzzeitig zusammen. Längst zählt Öl aber wieder zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen des Landes und hat der Reichtum aus den grossen Erdöl- und Gasvorkommen Baku in eine spannende Stadt der Kontraste verwandelt.
Ein Hauch von Orient In der verwinkelten Altstadt von Baku, die fast vollständig von einer schützenden Mauer umschlossen ist, erzählen die kunstvoll verzierten Wohnhäuser, Moscheen und Monumente die Geschichte einer längst vergangenen Zeit. Einen Rundgang durch das zum Weltkulturerbe gehörende Stadtzentrum, das Itscheri Schecher genannt wird, beginnt man am besten beim Jungfrauenturm. Der Name dieses Gebäudes stammt von einer Prinzessin, die sich vor langer Zeit aus einem Fenster des Turms ins Kaspische Meer gestützt haben soll, um einer arrangierten Ehe zu entgehen. Auch wenn der fast 30 Meter hohe Wehrturm nicht sonderlich eindrücklich wirkt, lohnt sich ein Besuch dieses historischen Gebäudes. Die Aussicht über die Altstadt und das Kaspische Meer, die sich von der Plattform auf dem Dach des Turms bietet, ist grandios. Von hier aus kann man anschliessend gemütlich bis zum weitläufigen Shirvanshah-Palast schlendern, der auf einem der Hügel Bakus thront.
In den Innenräumen dieser Anlage, deren Ursprünge bis ins Jahr 1411 zurückreichen, kann auch eine interessante Ausstellung über die alten Traditionen Aserbaidschans besichtigt werden. Zurück in den Gassen Alt-Bakus lässt sich fast nach jeder Kurve etwas Neues entdecken – so findet man nebst Tempeln, Minaretten, Karawansereien und Badehäusern auch unzählige Restaurants, Teehäuser, Teppichhändler und Souvenirshops.
Gay Life Im Jahr 2000 wurde ein aus Sowjetzeiten stammendes Gesetz abgeschafft, das homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte. Auch wenn Homosexualität in Aserbaidschan seither legal ist, wird sie von der Gesellschaft noch immer tabuisiert. Einer der Hauptgründe hierfür ist die Religion – die meisten Menschen sind schiitische Muslim*innen. Aber auch das Festhalten an alten Traditionen und ein stark im Alltag verankerter Konservatismus haben bisher verhindert, dass sich die öffentliche Meinung bezüglich Homosexualität spürbar geändert hat.
Immerhin: Homophobe Gesetze wie in Russland und Kirchenoberhäupter, die mit Kreuzen gegen Schwule und Lesben hetzen, findet man hier nicht. Allerdings werden gleichgeschlechtliche Paare in Aserbaidschan rechtlich nicht anerkannt. Im September 2017 ist es in Baku bei mehreren Polizeirazzien gegen die LGBTQ-Community zu mehr als 100 Verhaftungen gekommen. Aufgrund massiver internationaler Proteste wurden die in Gewahrsam genommenen Menschen jedoch bald wieder auf freien Fuss gestellt.
Der Community machten die Vorfälle erneut bewusst, dass sie in Aserbaidschan nicht frei und unbehelligt leben können. Viele von ihnen führen deshalb ein sorgfältig abgestimmtes Doppelleben. Selbst in Baku gibt es derzeit keine offiziellen Bars, Clubs, Treffpunkte oder Veranstaltungen für LGBTIQs. Seit einigen Jahren markiert die Website gay.az eine Präsenz für Schwule, Lesben, Bisexuelle und trans Personen im Land und bietet der Community eine virtuelle Plattform. Gay-Apps wie Grindr sind in Aserbaidschan nicht gesperrt und deshalb ebenfalls beliebt, um Gleichgesinnte kennen zu lernen.
Petrodollars und Flammentürme Baku hat sich seit der Jahrtausendwende rasant entwickelt. Hierzu hat insbesondere eine neue Pipeline in die Türkei beigetragen, die seit 2006 die Ölexporte erleichtert und im Gegenzug Geld ins Land strömen lässt. Dank der Petrodollars präsentiert sich auch die an die Altstadt anschliessende Fussgängerzone grosszügig und sauber. Diejenigen Bewohner*innen, die vom Boom am meisten profitiert haben, können sich hier in Edelboutiquen mit ausländischen Markenprodukten eindecken. Dass aber auch heute noch viele Bürger*innen unter der Armutsgrenze leben, bleibt einem im Stadtzentrum verborgen.
Was dafür besonders auffällt, sind die Flame Towers, ein Hochhauskomplex aus drei Büro- und Hoteltürmen, der wie eine Krone die Stadt überragt. In den Abend- und Nachtstunden erweckt eine einzigartige Lichtshow die Türme zum Leben und es scheint, als würden gewaltige Flammen über Baku emporsteigen. Nicht weit von den Flammentürmen entfernt erreicht man die sogenannte Kristallhalle, die direkt am Ufer des Kaspischen Meeres liegt. Mit dem Bau dieses riesigen Prestigegebäudes, das 2012 als Austragungsort für den Eurovision Song Contest (ESC) diente, hat Aserbaidschan eine kostspielige Imagekampagne betrieben. Das Ziel: Man wollte dem Land, das immer wieder wegen missachteter Menschenrechte, mangelnder Pressefreiheit und grassierender Korruption in den Schlagzeilen war, ein positiveres Image verpassen.
Modern und homofreundlich? Der Plan, sich als modernes und freundliches Land zu positionieren, ist jedoch nur teilweise aufgegangen. So bekräftigte Aserbaidschan auf der einen Seite zwar, dass alle Gäste aus Europa beim ESC willkommen seien – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Religion oder ihren politischen Ansichten. Andererseits kam es kurz nach dem ESC zu Polizeirazzien gegen die LGBTIQ-Community sowie zur Schliessung von Schwulenclubs. Diese Vorfälle zeigen, dass es in Gesellschaft und Staat doch nicht zu einem nachhaltigen Umdenken bezüglich des Umgangs mit Minderheiten kam.
Auf einen Blick
Anreise Die ukrainische Fluggesellschaft Ukraine International bietet Flüge ab Zürich und diversen deutschen Städten nach Baku an. flyuia.com
Beste Reisezeit In den Sommermonaten von April bis Oktober herrschen angenehme Temperaturen. Die Winter können hingegen kühl und regnerisch sein.
Sprache Die offizielle Landessprache ist Aserbaidschanisch. Vielerorts kann man sich jedoch auch gut mit Englisch und Russisch durchschlagen.
Einreise Schweizer und EU-Bürger benötigen einen gültigen Reisepass sowie ein e-Visum. Dieses kann online beantragt werden und berechtigt zu einem Aufenthalt von bis zu 30 Tagen.
Sicherheit Aserbaidschan gilt als politisch stabil und die Hauptstadt Baku als relativ sicher. Von einem Besuch der Region Nagorno-Karabach entlang der Grenze zu Armenien wird hingegen abgeraten.
Weitere Informationen: azerbaijan.travel
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