Affenpocken: Bestellter Impfstoff könnte knapp bemessen sein

Schwulenverband kritisiert Stigmatisierung

Mpox (Foto: CDC)
Mpox (Foto: CDC)

Deutschland will sich wappnen für den Fall, dass Impfungen wegen einer weiteren Ausbreitung der Affenpocken nötig werden. Bis zu 40 000 Dosen Pockenimpfstoff seien bestellt worden. Aber reicht das?

Die angekündigten bis zu 40 000 Dosen eines Pockenimpfstoffs zur etwaigen Anwendung gegen Affenpocken in Deutschland könnten laut dem Präsidenten der Gesellschaft für Virologie knapp bemessen sein. «Dennoch ist das ein guter Anfang, insbesondere für Impfungen im Bereich bekannter Infektionscluster, wodurch man das Ausbruchsgeschehen wahrscheinlich deutlich eingrenzen kann», sagte Ralf Bartenschlager vom Universitätsklinikum Heidelberg der Deutschen Presse-Agentur. «Wir wissen nicht, wie sich der Ausbruch weiter entwickelt. Deshalb sollte man zügig mit diesen Impfungen beginnen. Bei weiterer Verbreitung des Erregers wird das Eindämmen sonst immer schwieriger.»

Präventive Impfung von Risikogruppen soll geprüft werden  Der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sagte der Rheinischen Post (Mittwoch), eine präventive Impfung von Risikogruppen sollte geprüft werden. «Darüber wird derzeit nachgedacht und das könnte möglicherweise sinnvoll sein.» Zu einer möglichen Impfung der gesamten Bevölkerung sagte Mertens: «Das ist derzeit sehr wenig wahrscheinlich.»

Wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag gesagt hatte, sind für den möglichen Fall einer weiteren Ausbreitung der Affenpocken «bis zu 40 000 Dosen» Pockenimpfstoff bestellt worden. Das Vakzin namens Imvanex sei in den Vereinigten Staaten gegen Affenpocken zugelassen (in der Schweiz dagegen nicht – MANNSCHAFT berichtete). Es gehe darum, vorbereitet zu sein auf eventuell nötige Impfungen von Kontaktpersonen von Infizierten. In Grossbritannien läuft dies bereits.

Bei bis zu 40 000 Dosen müsse man sehen, wie weit man damit komme, sagte Bartenschlager. «Pro Person sind zwei Dosen im Abstand von 28 Tagen nötig.» Es dauere also einige Wochen, bis sich eine angemessene Immunität ausgebildet habe. Insofern brauche man für das Impfen eigentlich einen gewissen zeitlichen Vorlauf. Zudem sei die Frage, wie schnell die Dosen geliefert werden können. «Wir arbeiten hier wieder gegen die Zeit.» Zu bedenken sei, dass im Frühsommer viele Events anstehen, wo sich das Virus verbreiten könne.

Angesichts dieser Ausgangslage müsse man zunächst die Weiterübertragung des Erregers durch eine gezielte Aufklärung, Information zum Thema sowie geeignete Verhaltensmassnahmen – Stichwort Risikominimierung – reduzieren: Bei Verdacht auf Affenpocken müssten sich Menschen selbst isolieren. Gesichert Infizierte sollten sich bis zur Ausheilung der Hautveränderungen wie Pusteln und Bläschen isolieren. Auch Kontaktpersonen mit hohem Übertragungsrisiko sollten sich bis zum Ende der Inkubationszeit von bis zu drei Wochen in Quarantäne begeben, sagte Bartenschlager.

Zu Imvanex, der in der EU bisher nur gegen Menschenpocken zugelassen ist, sei die Datenlage dünn, sagte der Virologe. Annahmen zu möglichen Schutzeffekten auch bei bereits infizierten Menschen basierten auf sehr kleinen Fallzahlen und Tierversuchen – man dürfe aber von einer guten Wirksamkeit ausgehen. Vor der Anwendung in Deutschland müsse die Europäische Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung auf Affenpocken erweitern – möglich sei aber auch der Einsatz im sogenannten Off-Label-Use.

Affenpocken werden laut Robert Koch-Institut (RKI) durch engen Körperkontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Fälle wurden bisher insbesondere bei Männern diagnostiziert, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Das Gesamtrisiko durch die Erkrankung wird von Gesundheitsbehörden für Personen mit mehreren Sexualpartnern als moderat und für die breitere Bevölkerung als gering eingeschätzt. Nach RKI-Angaben verschwinden die Symptome in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen von selbst, aber bei einigen Personen könnten sie zu medizinischen Komplikationen und zum Tod führen.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen kritisierte am Dienstag gegenüber dem ZDF, in der Kommunikation von RKI und Gesundheitsminister Karl Lauterbach komme zu kurz, dass sich selbstverständlich auch Heteros infizieren können. Man müsse deutlicher kommunizieren, dass auch heterosexuelle Sexualkontakte zu einer Übertragung führen können.

Da das nicht geschehe, übersehe man nicht nur das Gesundheitsrisiko für heterosexuelle und andere Menschen. Es sei auch diskriminierend, kritisiert auch der Lesben- und Schwulenverband. LSVD-Sprecher Markus Ulrich erklärte gegenüber dem ZDF, nicht umsonst habe u.a. bereits die Deutsche AIDS-Hilfe vor genau diesem Effekt gewarnt (MANNSCHAFT berichtete). «Viele schwule Männer nehmen die jetzige Kommunikation des RKI und Gesundheitsministeriums sowie die Diskussion in der Öffentlichkeit jedoch genauso wahr.»

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