Vorwürfe im Bundestag: «Union macht Selbstbestimmung verächtlich»
Parlamentarischer Schlagabtausch um Vorfälle an der Uni Göttingen
Nach dem Vorfall an der Universität Göttingen machen sich Koalition und Opposition im Bundestag gegenseitig Vorwürfe.
Der Bundestag hat am 26. Juni fraktionsübergreifend die Vorfälle an der Universität Göttingen verurteilt.
Am 19. Juni hätte dort ein Referat über das Selbstbestimmungsgesetz stattfinden sollen. Dieses musste jedoch abgesagt werden (MANNSCHAFT berichtete). Protestierende Student*innen hatten so viel Lärm gemacht, dass die CDU-Abgeordnete Mareike Wulf ihren geplanten Vortrag nicht halten konnte und den Hörsaal schliesslich in Begleitung der Polizei verlassen musste. Verletzungen oder Sachbeschädigungen gab es gemäss Polizeisprecher keine.
Rund 260 Studierende hatten sich im und vor dem Hörsaal versammelt, pfiffen mit Trillerpfeifen, riefen laut, klopften an Fensterscheiben und trommelten auf Tische. Der CDU-nahe Studentenverband RCDS hatte die Politikerin eingeladen und auch über die sozialen Medien für den öffentlichen Vortrag geworben. Bereits im Vorfeld gab es Kritik an dem Auftritt. Die Polizei war vor Ort, da gemäss ihren Angaben in den sozialen Medien zu Protestaktionen aufgerufen worden war.
Obwohl die Bundestagsabgeordneten die Vorfälle verurteilten, machten sich Koalition und Opposition gegenseitig Vorwürfe. Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU) warf der Koalition vor, «sich schweigend wegzuducken, wenn eine Kollegin mundtot gemacht wird». Die Grünen-Abgeordnete Marlene Schönberger beklagte hingegen: «An der hässlichen Debatte rund um Selbstbestimmung, liebe Kollegen von der Union, sind Sie nicht ganz unschuldig.»
«In einer Demokratie muss es immer möglich sein, miteinander zu streiten, ohne sich niederzubrüllen», sagte Schönberger weiter, betonte allerdings auch: «Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht Mitglieder der Union Selbstbestimmung verächtlich machen.» Die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär (CSU) sprach hingegen von «woker Selbstgerechtigkeit» und warf den Grünen vor: «Sie fühlen sich allen anderen gegenüber moralisch überlegen.»
Die Universität Göttingen teilte mit, dass sie generell von allen Akteur*innen im Sinne der Meinungsfreiheit erwarte, auch abweichende und provokant vorgetragene Äusserungen zu tolerieren und auszuhalten. «Protest zu äussern, ist legitim, aber eine eingeladene Rednerin daran zu hindern, ihre Meinung überhaupt vorzutragen, entspricht nicht unserer Vorstellung von Diskussion», hiess es in einer Mitteilung.
Das Selbstbestimmungsgesetz, dass Mitte Mai den Bundesrat passierte und im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, sieht vor allem Erleichterungen für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen vor. Sie sollen künftig erheblich einfacher den Geschlechtseintrag und den Vornamen behördlich ändern lassen können. Statt einer Gerichtsentscheidung und Gutachten braucht es dann nur noch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt.
Mehr: Justizminister Beat Jans: Verbesserung für nicht-binäre Personen «braucht Zeit» (MANNSCHAFT berichtete)
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