Vor 20 Jahren starb die unsterbliche Diva Hildegard Knef

Ulrich Michael Heissig verkörpert seit 25 Jahren ihre «Zwillingsschwester»

09.12.1996: Die Schauspielerin Hildegard Knef stellt in Berlin Entwürfe für ihre eigene Modekollektion «Knef Fashion» vor (Foto: Andreas Altwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++)
09.12.1996: Die Schauspielerin Hildegard Knef stellt in Berlin Entwürfe für ihre eigene Modekollektion «Knef Fashion» vor (Foto: Andreas Altwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++)

Der Todestag der deutschen Schauspielerin, Chansonsängerin und Autorin Hildegard Knef jährt sich zum 20. Mal. Der Berliner Schauspieler Ulrich Michael Heissig verkörpert auf der Bühne seit 25 Jahren die mittlerweile 96-jährige, fiktive Zwillingsschwester Irmgard Knef. Er macht sich Gedanken darüber, was uns von der unsterblichen Diva blieb.

Hildegard Knef starb am 1. Februar 2002. An den Folgen eines Lungenemphysems. Eine zarte alte Dame, gekennzeichnet von den vielen Krankheiten, die sie im Laufe ihres Lebens ertragen und erdulden musste, mit denen sie zu leben und die sie zu besiegen hatte. Eine fragile Power- und Steh-auf-Frau voller Energie. Die ihr innen wohnende energetische Kraft ermöglichte es ihr, ein äußerst vielseitiges, produktives und künstlerisch wertvolles Oeuvre zu erschaffen.

Eine Jugend im Trümmerfeld Lieder und Liedtexte von zeitloser Schönheit, Brisanz und Lebensklugheit. Nicht bescheiden, sondern fordernd: «Für mich soll’s rote Rosen regnen». Alltagsphilosophische Betrachtungen, selbstironisch mit dem Galgenhumor der Trümmerfrau und ohne falsches Pathos: «Von nun an ging’s bergab».

Hildegard oder Hilde, manchmal gar Hildchen, Knef stammte aus der Generation – die noch zu jung war, um echte Schuld und Mitverantwortung für den Nationalsozialismus tragen zu müssen – die aber alt genug war, um lebenslang geprägt worden zu sein von dessen Ideologie, Erziehung und verursachten Weltenbrand. Lebenslang geprägt vom Krieg und seiner unmittelbaren Nachkriegszeit. Vom Überlebenswillen und dem starren «Nach-vorne-Schauen.»

Eine Jugend im Luftschutzkeller während des Krieges und im Trümmerfeld Berlin nach der «bindungslosen Kapitulation».

Verhohlen bewundert Eine junge Frau in der piefigen Wiederaufbauphase der Adenauerzeit. Hilde Knef war die konsequente Alternative zum heimelig-miefig, spiessig-unemanzipierten, sexistischen Frauenbild der 50er- und 60er-Jahre. Keine «Försterliesl» im «Silberwald», sondern cineastische «Sünderin» als Prostituierte, leichtes Mädchen, Stripperin, Agentin, Typ «verruchte Frau von Welt». Hildegard Knef liess den weiten Horizont erahnen und bot Otto und Anna Normalbürger*in in der sonst noch so beschränkten Wohlfühlwelt der alt-bundesrepublikanischen Nachkriegszeit einen markanten Hauch von Weltläufigkeit und Toleranz.

Meine Generation kannte sie von klein auf. Als eine wichtige Figur der Yellow Press und des Gossip. Als manchmal divinös-skuriler Gast in teils dubiosen Talkshowformaten. Als eine der wenigen Weltstars, die Deutschland je hatte und als polarisierende Frau und Künstlerin, über die die Eltern anderer Meinung waren als die Grosseltern. Geliebt und gehasst. Verhohlen bewundert und unverhohlen abgelehnt. Die Frau mit dem unverwechselbaren Image: Der tiefen, verraucht-verruchten Tenorstimme, deren Melodien auch alle Männer in derselben Oktave mitsingen konnten. Eine vielsprachige, vielseitige Frau, die hinter dem Horizont von West-Berlin, von ihrem Leben in London, Paris, New York, L. A. und Florida zu erzählen wusste.

Klar, dass so eine auch für diejenigen sang, die sich in vielen ihrer Texte wiederfinden konnten: Hilde sang für Parias, Ausgestossene, Andersdenkende und -fühlende, für verkannte Diven und aneckende Persönlichkeiten. Eine Sängerin, die Lieder parat hatte für starke und schwache Momente des Lebens. Eine, die für den Wiedererkennungseffekt sorgt. Klar, dass sie bei vielen Schwulen und Lesben hoch im Kurs stand.

Ulrich Michael Heissig als Irmgard Knef
Ulrich Michael Heissig als Irmgard Knef

Vorbild und Vorbotin Die mit der blonden Bubikopf-Löwenmähne und den schwarz-buschigen Doppelwimpern die ihre strahlend grünen Augen besonders betonten. Mit Hut, Baret und Sonnenbrille. Kettenrauchende Chansonnière, mondän, verführerisch weiblich, weil androgyn und geheimnisvoll zugleich. Eine unangepasste, schnoddrig- coole Antispießerin, in Ulm geborene Ur-Berlinerin mit Schnauze, Herz und Verstand, femme fatale mit kühl-intellektuellem Sexappeal als Gegenentwurf zur naiven Blondine, Menschenfreundin mit humanistischer Welt- und Weitsicht, Poetin und autobiographische Romanautorin. Erfinderin des «Outings», bevor es den Begriff überhaupt gab, weil sie ihre Brustkrebserkrankung und ihr Lifting öffentlich machte und offensiv damit umging. Hildegard Knef war Vorbild und Vorbotin, Sprachrohr und Kumpanin. So vieles, was bleibt. So vieles, was die jüngeren Generationen wieder für sich neu entdecken und interpretieren können.

20 Jahre tot, aber noch so lebendig in ihren Werken und in ihrem Nachwirken! Hildegard Knef for ever!

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