Vom Broadway nach Bern: «Torch Song» von Harvey Fierstein

Ein Theaterstück über Respekt für schwule Lebensweisen

Der Berner Cast von «Torch Song». In der Mitte: Protagonist Arnold Beckoff (Fabian Netos-Claus). (Bild: Theater Central)
Der Berner Cast von «Torch Song». In der Mitte: Protagonist Arnold Beckoff (Fabian Netos-Claus). (Bild: Theater Central)

Schwule Liebe, Ehe und Familie: «Torch Song» galt als Revolution am Broadway der Achtzigerjahre. Nun feiert das Theaterstück von Harvey Fierstein Premiere in Bern.

Am 9. Oktober feiert «Torch Song» in Bern Premiere. Das Theaterstück aus der Feder des US-amerikanischen Schauspielers Harvey Fierstein feierte 1982 in New York Premiere und avancierte dank grossem Publikumserfolg schnell zum Broadway – der Traum eines jeden Theaterschaffenden.

Die Geschichte dreht sich um Arnold Beckoff, einen jüdischen schwulen Mann, der in New York City lebt und als Dragqueen auftritt. Er sehnt sich nach dem Mann fürs Leben, mit dem er ein Adoptivkind grossziehen kann. Als seine anmassende Mutter zu Besuch kommt, wird ihm jedoch bewusst, dass er noch etwas anderes bitter benötigt: Respekt. Er gibt sich alle Mühe, ihr zu zeigen, dass er im Leben alles richtig macht. Doch sie sieht in ihrem Sohn nur eines: Seine feminine Art und eine in ihren Augen unnötige Zurschaustellung seiner Sexualität.

«Torch Song» brachte Themen auf die Bühne, die in den frühen Achtzigerjahren noch weit davon entfernt waren, akzeptiert zu sein: die gleichgeschlechtliche Ehe und die Adoption durch schwule Paare. Das Stück dreht sich aber auch um Treue und Familienwerte sowie um Eltern, die sich mit der Sexualität ihres erwachsenen Kindes auseinandersetzen müssen. In der Uraufführung von «Torch Song» schlüpfte Harvey Fierstein – damals einer der wenigen offen schwulen Schauspieler überhaupt –gleich selbst in die Rolle von Arnold Beckoff und holte damit den Tony Award für besten Schauspieler. Fierstein schrieb das Textbuch zu «La Cage aux Folles» (MANNSCHAFT berichtete) und ist in Hollywood-Filmen wie «Mrs. Doubtfire» und «Independence Day» zu sehen. Mit Cyndi Lauper schrieb er das Musical «Kinky Boots» (MANNSCHAFT berichtete).

«Hätte ich ‹Torch Song› Anfang der Achtziger am Broadway gesehen, wäre Harvey Fierstein mein erklärter Held geworden», sagt Alec Broennimann, Regisseur der Inszenierung im Theater am Käfigturm in Bern. In Serien und Filmen seien queere Lebensweisen heute immer präsenter. «Als Autor, Schauspieler und Produzent war Harvey Fierstein meines Erachtens ein entscheidender Wegbereiter für diese Möglichkeiten. Die Community verdankt ihm, dass die schwule Lebensweise zum ersten Mal auf die grosse Bühne gebracht wurde und den Weg in die Popkultur gefunden hat.»

Theatermacher Alec Broennimann inszeniert «Torch Song» gemeinsam mit Stefan Hugi und Carol Wiedmaer. (Bild: zvg)
Theatermacher Alec Broennimann inszeniert «Torch Song» gemeinsam mit Stefan Hugi und Carol Wiedmaer. (Bild: zvg)

Obwohl das Stück aus den Achtzigerjahren stammt, seien das zentrale Thema des gegenseitigen Respekts auch heute noch relevant, so Broennimann. «Für Arnold wird es ein Kampf um Leben und Tod. Er bleibt sich selbst treu und würde so weit gehen, seine Mutter aus seinem Leben zu verbannen, sollte sie ihm keinen Respekt entgegenbringen können.»

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Dass «Torch Song» auch für ein heterosexuelles Publikum spannend ist, bewies der durchschlagende Erfolg am Broadway. «Das Stück hat alles, was mich als Mensch, Theatergänger und Regisseur interessiert», schwärmt Broennimann. «Es hat Tiefgang, ist unterhaltsam und hat wunderbar gezeichnete Figuren. Ich konnte gar nicht anders als dieses Stück Broadway nach Bern zu bringen.»

«Torch Song» spielt in einem Zeitraum zwischen zwei einschneidenden Ereignissen der LGBTIQ-Geschichte. 1973 stimmte das Kuratorium des amerikanischen Psychiatrieverbandes ohne Gegenstimme darüber ab, Homosexualität von seiner Liste der psychischen Störungen zu entfernen. In den Achtzigern folgte die AIDS-Krise, die zu einer erneuten Ausgrenzung vor allem von schwulen Männern führte. «Obwohl ein Charakter wie Arnold Beckoff – eine Dragqueen, die sich nach einem engagierten, liebevollen Ehemann und einer eigenen Familie sehnt – für viele jetzt normal erscheint, schrieb Fierstein zu jener Zeit Science-Fiction», sagt Broennimann. «Moisés Kaufman, Regisseur des Broadway-Revivals von ‹Torch Song›, argumentiert, dass das Stück nicht nur vorhergesagt hat was passieren wird, sondern auch massgeblich durch Visualisierung geholfen hat, diese Zukunft zu konstruieren. Die Geburtsschmerzen, die diese neuen Möglichkeiten der LGBTQI+-Gemeinschaft ermöglicht haben, dürfen nicht in Vergessenheit geraten.»

«Torch Song» läuft während neun Vorstellungen vom 9. Oktober bis 1. November 2020 im Theater am Käfigturm in Bern. Mehr Informationen: theater-central.ch

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