Tod des schwulen Drogenkuriers – «Tatort» wieder Quotensieger
Der Fall kam diesmal aus Freiburg
Eine Patchworkfamilie mit zwei fast erwachsenen Kindern: Über Jahre hinweg ein gut eingespieltes Team. Doch als der beste Freund des Sohnes tot aufgefunden wird, kommen Dinge zum Vorschein, die die Eltern nie für möglich gehalten hätten.
Von Anne Stein, dpa
Beim ARD-Sonntagskrimi schwanken die Zuschauerzahlen derzeit ordentlich: Der Schwarzwald-«Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder» mit Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner hat am Sonntagabend im Schnitt 7,56 Millionen Zuschauer*innen vor den Bildschirm geholt. Das entsprach einem Marktanteil von 27,4 Prozent ab 20.20 Uhr (wegen einer längeren «Tagesschau» angesichts von Türkei- und Bremen-Wahl) und brachte dem Ersten den Quotensieg in der Primetime. In den vergangenen Wochen waren zum Beispiel «Tatorte» aus Kiel, Dortmund und Bremen wesentlich stärker, Fälle aus Zürich und Berlin aber auch deutlich schwächer.
Und darum ging es: Heimlich gelebte Homosexualität und Rassimus, Klimakrise, Nachwirkungen der Corona-Pandemie und Mutproben im Internet. In der Patchworkfamilie Schenk-Wolf schien lange alles normal zu sein. Zoé, die Tochter des Vaters Paul Wolf aus einer früheren Beziehung, ist zum Studieren ausgezogen. Benno, der Sohn der Mutter Miriam Schenk, steht kurz vor dem Abitur und wohnt noch bei der Familie. Doch als Bennos bester Freund tot aufgefunden wird, sind alle erschüttert und ratlos.
Auch «Tatort»-Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und Kommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) müssen die Verstrickungen erst einmal durchschauen und die Puzzleteile zusammensetzen. Das Erste zeigte die Folge «Das geheime Leben unserer Kinder» am Sonntag um 20.20 Uhr.
Während Tobler und Berg im Umfeld des toten Christopher Gnabri ermitteln und dazu immer wieder die Schenk-Wolfs aufsuchen, merkt auch die Familie selbst, dass es gut gehütete Geheimnisse in ihren Reihen gibt und sie sich gegenseitig mehr zutrauen, als ihnen lieb ist. «Ich weiss nicht, ob das irgendwas zu bedeuten hat, aber an einem von Bennos Hoodies war wahnsinnig viel Blut», sagt Vater Paul zu seiner Lebensgefährtin.
Doch Benno ist für das «Tatort»-Team zunächst nicht erreichbar. In der Schule hat er sich wegen Migräne krankgemeldet und auch die Eltern wissen erst einmal nicht, wo er steckt. «Er ist einer der Jugendlichen, die nach dem ewigen Homeschooling Schwierigkeiten hatten, sich wieder an den Schulalltag zu gewöhnen», sagt seine Lehrerin.
Das Rätsel bleibt. Tobler und Berg fragen sich: Warum musste Christopher sterben? Seine Mutter sagt, es habe keinen Ärger gegeben: «Christopher war ein guter Junge. Hat mir mit allem geholfen. Hat sich für mich mit Ämtern angelegt. Mir den Grossteil seines Lehrlingsgehalts gegeben.» Doch die Hinweise verdichten sich, dass Christopher in die Freiburger Drogenszene verwickelt war und sein Tod möglicherweise etwas damit zu tun haben könnte. Und nicht nur die Kinder scheinen Geheimnisse vor ihren Eltern zu haben – auch die Erwachsenen in der Patchworkfamilie sind nicht so offen und ehrlich, wie sie sich geben.
Die Kluft zwischen Eltern und Kindern erlebt Tobler auch auf persönlicher Ebene: Ihre Nichte kommt nicht mit ihren Eltern zurecht und lebt für einige Tage bei der Kommissarin. Die Jugendliche macht Videos und lädt sie in sozialen Netzwerken hoch. Denn sie möchte Influencerin werden. Für Berg ist das vollkommen unverständlich; er kommentiert die Art und Weise, wie junge Menschen heute teilweise Geld verdienen wollen, nur mit einem grummeligen: «Bloss wir Grasdackel versuchen’s weiter mit ehrlicher Arbeit.»
Das Publikum blickt beim Anschauen des Films durch die Brille der Älteren auf die junge Generation. Sie hat ganz eigene Vorstellungen vom Leben, während die Erwachsenen häufig in ihrem Alltag festhängen. Ein Berufswunsch wie Influencerin passt nicht in die Welt der Eltern und wird müde belächelt. Wie sehr die Welten voneinander getrennt sind, wird durch einen geteilten Bildschirm visualisiert. Das Publikum kann auf diese Weise sehen, was verschiedene Figuren gleichzeitig tun, es aber nicht voneinander wissen.
Generationenforscher Rüdiger Maas sagt, es sei gerade mit Blick auf die sozialen Netzwerke normal, dass die Erwachsenen einen ganz anderen Bezug dazu hätten als ihre Kinder. Denn während die Jugendlichen mit den neuen Technologien aufgewachsen seien, seien die Eltern damit erst im Erwachsenenalter in Berührung gekommen, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.
Trotzdem sei es wichtig, Verständnis füreinander zu schaffen. Maas empfiehlt: «Einfach mal der anderen Generation zuhören – ohne Wertung.» Einerseits müssten sich die Älteren zurücknehmen, andererseits müssten die Jüngeren den Älteren die Chance geben zu erklären, warum sie bestimmte Sachen stören oder sie Dinge anders sehen. Man müsse sich also einfach mal in den anderen reinversetzen.
Im «Tatort» erfährt das Publikum erst am Ende des Films, was die Jugendlichen wirklich beschäftigt. Es zeigt sich: Die Generation ist doch nicht so naiv und oberflächlich, wie es im ersten Moment für die Erwachsenen scheint.
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