„Staatlich sanktionierte Homophobie“ in den D-A-CH-Ländern
Am Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie (IDAHOT) befasst sich der Deutsche Bundestag erneut mit den Gesetzentwürfen der Opposition und des Bundesrats zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Sie wird auf Antrag der Grünen im Plenum diskutiert. Realistisch ist ein Fortschritt in der Sache allerdings auch am heutigen Gedenktag nicht. Kürzlich zeigte sich in den deutschsprachigen Nachbarländern Österreich und der Schweiz, dass man sich dort wohl ebenfalls noch auf eine längere Wartezeit einstellen muss.
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) spricht von einem „zermürbenden Kasperltheater auf Kosten von Lesben und Schwulen“ und forderte die Gleichheitsbefürworter in der Großen Koalition auf, auf eine Freigabe der Abstimmung zu drängen, schließlich gebe es im Parlament eine klare Mehrheit gegen Diskriminierung und für Gleichstellung.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Mit dem bestehenden Eheverbot wird signalisiert, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen gegenüber heterosexuellen als minderwertig gelten.[/perfectpullquote] LSVD-Sprecher Axel Hochrein wies darauf hin, dass es bei der Ehe für Alle nicht um Sonderrechte gehe. Die Gleichheitsbefürworter in der Großen Koalition „sollten sich aus der Geiselhaft einer homophoben Sperrminorität in der CDU/CSU befreien“. Mit dem bestehenden Eheverbot werde signalisiert, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen gegenüber heterosexuellen als minderwertig gelten. „Das ist staatlich sanktionierte Homophobie in Reinformat.“
Appell an CDU-Landesschef Günther
Der schwule Grünen-Politiker Volker Beck appellierte an den schleswig-holsteinischen CDU-Landesvorsitzenden und voraussichtlich künftigen Ministerpräsidenten Daniel Günther, er solle seine Landesgruppe in der Union bitten, heute „mit Opposition und SPD zu beschließen, die Ehe für alle umzusetzen und die seit über drei Jahren immerwährende Vertagung im Rechtsausschuss zu beenden.“ Schließlich, so Beck, stehe im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, „dass rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, beseitigt werden“ sollten. „Dass Herr Günther die Eheöffnung umsetzen will, ist zu begrüßen – aber es gibt keinen Grund, das erst in der nächsten Wahlperiode zu tun.“ Wenn es Günther ernst damit sei, die Gleichstellung voran zu treiben, so Beck, müsse er „jetzt Druck auf seine Partei machen“.
SPÖ hält ÖVP die Treue
Auch in Österreich, wo gleichgeschlechtliche Paare immerhin Kinder gleichberechtigt adoptieren können (dies geht auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zurück) geht es in Sachen Eheöffnung nicht voran: Zwar sind die Tage der rot-schwarzen Koalition gezählt und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist ein erklärter Verfechter der Ehe für alle, dennoch stimmte seine Partei am gestrigen Dienstag im Nationalrat nicht gegen den Noch-Partner ÖVP. Dabei hatte SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim zuvor die Zustimmung seiner Partei zur Ehe auch für homosexuelle Paare bekräftigt und erklärt: „Ich kann nur zu 100 Prozent zustimmen“.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Die Heirat von homosexuellen Paaren bedroht weder die traditionelle Familie, noch hat sie sonstige negative Konsequenzen[/perfectpullquote]
Die Grünen hatten beantragt, eine Frist für die Behandlung des Themas vor dem Sommer zu setzen. Einzig Grüne und Liberale (NEOS) stimmten dafür. Nikolaus Scherak (NEOS) hatte betont, es sei Zeit, gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich die Ehe zu ermöglichen. Menschen sollen nicht mehr aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Die Heirat von homosexuellen Paaren bedrohe weder die traditionelle Familie, noch habe sie andere negative Konsequenzen. Die ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker hielt dagegen, man habe in den vergangenen Jahren bereits einiges für gleichgeschlechtliche Paare getan: So könnten Eingetragene Partnerschaften nun am Standesamt geschlossen werden.
Auch in der Schweiz sieht es momentan so aus, als müssten schwule und lesbischen Paare noch mindestens zwei Jahre auf eine Eheöffnung warten.
Die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) weist am heutigen IDAHOT daraufhin, dass sie dafür eintrete, dass „der Gesetzgeber einzelne Familienmodelle, Lebensformen oder auch sexuelle Orientierungen weder bevorzugt noch benachteiligt“. Denis Kläfiger, Koordinator der BDP-Gleichstellungsgruppe, sagte gegenüber der MANNSCHAFT, man werde sich „mit aller Kraft für eine Öffnung der Ehe für alle einsetzen“ und zwar über die Gesetzesebene: „Bei einem Referendum müsste nur die Mehrheit des Volkes darüber entscheiden, und das können wir gewinnen. Auf Verfassungsebene dagegen müsste auch die Mehrheit der Kantone Ja sagen. Da wird es heikel.“ Vor zweieinhalb Jahren hatten sich allerdings sieben von neun BDP-Nationalräten für die (inzwischen knapp gescheiterte) CVP-Initiative «Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe» ausgesprochen, die die Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Bundesverfassung verankern wollte.
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