Sportlerinnen-Paar outet sich: «Wir haben so viel Liebe gespürt»
Bezüglich Akzeptanz von lesbischen Athletinnen ist der Fussball der Leichtathletik voraus
Die Leichtathletin Lilly Nägeli und die Fussballnationalspielerin Aurélie Csillag machen ihre Beziehung öffentlich und erhalten durchweg positive Reaktionen. Das sei nicht immer der Fall gewesen.
Am 17. Oktober wagten die Leichtathletin Lilly Nägeli und die Fussballerin Aurélie Csillag den Schritt an die Öffentlichkeit und sprachen über ihre Beziehung. Wie Lilly gegenüber MANNSCHAFT sagt, gab es auf das mediale Coming-out ausschliesslich erfreuliche Reaktionen. « Die vielen positiven Rückmeldungen und die Unterstützung haben uns wirklich sehr berührt», sagt sie. «Wir haben so viel Liebe, Wärme und Ermutigung von so vielen von euch gespürt, und dafür sind wir zutiefst dankbar.» In der Vergangenheit sei das aber nicht immer so gewesen.
Bevor sich Lilly und Aurélie mit einem Porträt im Tages-Anzeiger outeten, habe es auf Instagram auch abfällige Kommentare gegeben, die ihre Beziehung infrage stellten. «Ihr sündigt», «Was ihr macht, ist nicht richtig» oder anstössige Sprüche wie «Wollt ihr einen Dreier?» gehören zu den Reaktionen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Manchmal sind es nur Kotz-Emojis. Immer sind es Männer, die hinter diesen Kommentaren stecken. «Eigentlich ist es erschreckend», sagt Lilly über die Häufigkeit dieser Angriffe gegenüber der Zürcher Tageszeitung.
Im Alltag sorgen die Blicke der Mitmenschen für Verunsicherung bei Lilly und Aurélie – zum Beispiel, wenn sie bei der Bushaltestelle Händchen halten oder bei einem Bauernhof ein Eis kaufen. Wenn die beiden 21-Jährigen eine solche Verunsicherung spüren, dann ziehen sie ihre Hände zurück.
Aurélie spielt für den FC Basel und die Schweizer Nationalmannschaft. Lilly ist 800m- und 1500m-Läuferin, startet für den LC Uster und gehört zum Kader der Swiss Starters Future. Die beiden Frauen lernten sich an der United School of Sports kennen, einer Schule für Leistungssportler*innen.
Dort kreuzten sich ihre Wege im Krafttraining. Während Aurélie schon früh wusste, dass sie auf Frauen steht, hatte Lilly zu dieser Zeit noch einen Freund und war zunächst eingeschüchtert von der prominenten Fussballerin. Ihre Beziehung begann nach dem Ende von Lillys damaliger Partnerschaft, heute wohnen sie zusammen in Zürich.
«Wenn eine Fussballerin mit einer Frau zusammen ist, sagt niemand: ‹Oh, mein Gott!›»
Aurélie Csillag
Im Frauenfussball, in dem Aurélie sozialisiert wurde, gilt gleichgeschlechtliche Liebe als normal und wird weitgehend akzeptiert. «Wenn eine Fussballerin mit einer Frau zusammen ist, sagt niemand: ‹Oh, mein Gott!›», sagt sie gegenüber dem Tages-Anzeiger. Prominente Vorbilder wie Megan Rapinoe, Ramona Bachmann und Lara Dickenmann stehen für diese Offenheit.
Im Gegensatz dazu erlebte Lilly in der Leichtathletik, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen oft noch überraschen. «In der Leichtathletik ist es eher: ‹Oh, krass›», sagt sie. Besonders bei Wettkämpfen empfinde sie eine gewisse Unsicherheit, wenn Aurélie sie vor Ort unterstützt. Sie ertappt sich dann jeweils dabei, wie sie sich Gedanken darüber macht, wie sie ihre Partnerin begrüssen soll. «Es ist eine Beklemmtheit da. Ich bin nicht sorgenlos», sagt sie gegenüber dem Tages-Anzeiger. Wer einmal abwertende Blicke erlebt hat, wird vorsichtig. Anders ist es, wenn Lilly ein Fussballspiel von Aurélie besucht. «Vielleicht ist es einfacher für mich, weil ich dann Gast in ihrer Welt bin.»
Aurélie und Lilly betonen, dass der Frauenfussball ein sicheres Umfeld für homosexuelle Athletinnen bietet, während es in Einzelsportarten wie der Leichtathletik schwieriger ist, sich offen zu zeigen. «Wir sind ausgestellter und zum Teil ganz alleine», erklärt Lilly und weist auf den Druck hin, den perfekte Selbstinszenierung und Abhängigkeit von Sponsoren auf Einzelathletinnen ausüben. «Wenn die Nati 0:7 verliert, verliert sie als Team. Vielleicht hängt es mehr damit zusammen, als man denkt.»
Trotz der negativen Erlebnisse lassen sich die beiden Athletinnen nicht entmutigen. Sie möchten offen über ihre Beziehung sprechen, um anderen gleichgeschlechtlichen Paaren Mut zu machen. «Ich schlafe besser, wenn ich weiss, dass ich mich nicht verstecke», sagt Lilly. Aurélie ergänzt, dass sie die abwertenden Reaktionen in Teilen der Gesellschaft nicht davon abhalten werden, weiterhin offen zu ihrer Liebe zu stehen.
Wie Lilly gegenüber MANNSCHAFT sagt, habe das positive Echo auf das Coming-out Mut gemacht und Hoffnung gegeben. «Hoffnung, dass wir eines Tages nicht mehr darum kämpfen müssen, ernst genommen zu werden oder Anfeindungen ausgesetzt sind, nur weil wir sind, wer wir sind und wen wir lieben», sagt sie. «Wir werden weiterhin offen und stolz leben und lieben, nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere, die vielleicht Angst haben, ihre Liebe zu zeigen.»
Lesbische Fussballstars unterschreiben offenen Brief gegen Saudi-Sponsor der FIFA (MANNSCHAFT berichtete).
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