Spendenrekord: Mehr als 500.000 Euro für ukrainische LGBTIQ
Ein Lichtblick in dunklen Zeiten, freut sich das Bündnis Queere Nothilfe
Zwei Monate nach Gründung zieht das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine Bilanz: Nie hat die deutsche Community mehr Geld gesammelt.
Hilfsorganisationen leisten effektive Nothilfe bei Katastrophen und Krisen. Doch bestimmte Menschen und Gruppen haben besondere Anforderungen, zum Beispiel an eine für sie sichere Unterbringen oder auch an medizinische Versorgung. Zu ihnen gehören auch Mitglieder der LGBTIQ-Community, eine aufgrund von Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt häufig traumatisierte und besonders schutzwürdige soziale Gruppe.
Auf ihre Bedürfnisse können grosse Hilfsorganisationen nur bedingt eingehen. Deswegen haben sich direkt nach Kriegsausbruch am 24. Februar (MANNSCHAFT berichtete) zahlreiche Organisationen aus der LGBTIQ-Community in Deutschland zum bundesweiten Bündnis Queere Nothilfe Ukraine zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, LGBTIQ in Notlagen zu unterstützen.
Nebst Petition mit klaren Handlungsaufforderungen an die Bundesregierung zum Schutz von LGBTIQ sammeln die Initiator*innen Spenden, um Betroffenenen bei der Versorgung und Evakuierung zu helfen. Zwei Monate nach Gründung verzeichnet das Bündnis Spendeneinnahmen von über einer halben Million Euro – mehr sei bislang bei einer LGBTIQ-spezifischen Spendenaktion in Deutschland in einem ähnlichem Zeitraum noch nicht eingesammelt worden, heisst es.
Zugleich wachse mit jedem Kriegstag der Bedarf an weiteren Hilfeleistungen. «Die Spendensumme zeigt, dass sehr vielen Menschen, Unternehmen und Organisationen die spezifische Notlage von LGBTIQ bewusst und ein eigenes Engagement eine Herzensangelegenheit ist. Ein Lichtblick in dunklen Zeiten. Wir hoffen, die Spendenbereitschaft mit unserer Aufklärungsarbeit hoch halten zu können, denn aktuell können wir vielen noch nicht helfen und möchten deshalb unsere Arbeit in der Ukraine stark ausweiten – zum Beispiel die Versorgung von queeren Notunterkünften», so Sören Landmann, Mitinitiator des Bündnis Queere Nothilfe Ukraine und Vorsitzender des Aktionsbündnis gegen Homophobie.
Aufklärungsarbeit für Unterstützer*innen aber auch für LGBTIQ, die auf der Flucht sind oder diese planen, leiste das Bündnis nach eigenen Angaben u.a. auf Facebook sowie Instagram und lässt aktuell die Personen zu Wort kommen, die sich bei den Spender*innen bedanken möchten.
«Ich bin schwul, ich habe eine LGBTIQ-Organisation um Hilfe gebeten. Sie haben mir viel geholfen. Sie haben mir erstmal etwas Geld gegeben, für Lebensmittel. Ich konnte Lebensmittel und Proviant kaufen. Jetzt habe ich eine Unterkunft gefunden, die billigste, die es gab, und ich habe die Organisation gebeten, mich auch dabei zu unterstützen. Ich bin den LGBTIQ-Organisationen in Deutschland sehr dankbar für ihre Hilfe. Wir brauchen sie wirklich sehr. Wir sind verwirrt, wir wissen gar nicht, was wir tun sollen und für jede Hilfe sind wir dankbar», bedankt sich Serhey aus Kyjiw in einem Video.
«Wegen des Krieges sind wir in eine sehr komplizierte finanzielle Lage geraten. Hier funktioniert nichts mehr, die Sirenen heulen ständig und dann musst du in einen Keller oder einen Unterschlupf rennen. Und mit einem kleinen Kind ist das sehr, sehr schwierig. Aber wir geraten nicht in Panik und versuchen, durchzuhalten. Ein grosses Dankeschön an alle Menschen aus Deutschland, die uns unterstützen. Ohne euch wären wir verloren», sagt Marta aus Bila Zerkwa im selben Video.
Das Aktionsbündnis hat sich darauf geeinigt, Spenden für Soforthilfe in der Ukraine zu priorisieren und dann Hilfe in an die Ukraine angrenzenden Nachbarländern zu leisten. «In Deutschland sehen wir die Fürsorge- und Versorgungspflicht bei der Bundesregierung und konzentrieren uns daher vor allem auf Vor-Ort-Unterstützung in Kooperation mit lokalen und uns bekannten LSBTIQ*-Vereinen und Initiativen. So können wir bei der dringend notwendigen Versorgung queerer Menschen in der Ukraine sowie bei ihrer Evakuierung unterstützen, aber auch bei individuellen Notlagen flexibel und schnell reagieren», erklärt Sasha Gurinova, Referentin für Internationales bei der Deutschen Aidshilfe und Mitglied im Finanz-Team des Bündnisses Queere Nothilfe Ukraine.
Zur dringend notwendigen Versorgung gehört die Grundversorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten wie Schmerzmitteln, HIV-Medikamenten und Hormonpräparaten für trans Menschen, aber auch die Beschaffung von Matratzen, Drogerie- sowie Hygieneartikel oder Powerbanks. Diese Hilfeleistung erhalten Geflüchtete in sogenannten Sheltern, sprich provisorisch eingerichteten Notunterkünften. Die Unterstützung vor Ort kann dann durch die Kooperation mit LGBTIQ-Organisationen in der Ukraine sichergestellt werden wie etwa auf nationaler Ebene durch Insight, KyivPride, Gay Alliance Ukraine, Tochka Opori, Avante, Alliance Global, Sphere, Gay Forum Ukraine, Liga oder regional mit Gruppen wie Gender Z in Saporischschja und «Ty ne odin» («Du bist nicht allein») aus Schytomyr. Die Organisationen verteilen die vom Bündnis gelieferten Hilfsgüter.
Das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine und seine Mitgliedsorganisationen unterstützen ebenfalls bei der Vermittlung in sichere Unterkünfte in (Ost-)Europa sowie Deutschland, assistieren bei Behördengängen und Anmeldeverfahren und bieten umfassende Info- und Beratungsangebote in mehreren Sprachen an, die Menschen in Not vor Ort oder auf der Flucht unterstützen sollen. Zudem werden 50 Prozent der Spendengelder für langfristige Hilfe zurückgestellt.
Die Unterstützung kann weitergehen, als Aufruf zur Spendenbeteiligung und beim Unterzeichnen der Petition.
Das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine ist ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen aus der LGBTIQ-Community in Deutschland. Es unterstützt queere Menschen, die aus der Ukraine fliehen mussten oder noch im Land sind.
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