Berlins LSVD-Chef Jörg Steinert unter Beschuss
Der LSVD-Bundesvorstand distanziert sich vom Geschäftsführer des Berlin-Brandenburger LSVD, Jörg Steinert
UPDATE (3.7.2019): Wenn am Donnerstag in Spandau die Regenbogenflagge gehisst wird, ist zwar der Geschäftsführer des LSVD Berlin-Brandenburg Jörg Steinert eingeladen. Reden darf er aber wohl nicht. Grund, hiess es von Seiten Steinerts zunächst, sei ein Foto, das ihn mit dem US-Botschafter Richard Grenell zeigt. Die Wahrheit ist leider eine andere.
Am Mittwoch hat sich der LSVD-Bundesvorstand mit deutlichen Worten vom Geschäftsführer der Berlin-Brandenburger Sektion, Jörg Steinert, distanziert. Alfonso Pantisano, Mitglied im Bundesvorstand, forderte via Facebook sogar seinen Rückzug. Er habe die Community an die Springer-Presse und an die AfD «verraten». Grund: Steinert hat eine Beschwerdemail an die Spandauer Frauenbeauftragte über kritische Fragen nicht nur an die US-Botschaft der Hauptstadt geschickt, sondern auch an die vier Stadträte der Bezirksversammlung Spandau, darunter Andreas Otti von der AfD. Dies ist ein Teil des Problems.
100 Jahre queere Befreiung – danke, Magnus Hirschfeld!
Ein anderer Teil ist Steinerts fragwürdige Informationspolitik. Ich habe Ende Juni einen Artikel verfasst unter dem Titel «Spandau brüskiert LSVD-Vertreter – wegen Foto mit Richard Grenell». Dieser basierte auf der Aussage Steinerts gegenüber MANNSCHAFT, die Spandauer Frauenbeauftragte habe kritische Fragen gestellt, basierend auf einem Foto mit US-Botschafter Richard Grenell. Tatsächlich ging es aber um mehr:
Fischer nahm auch Steinerts bzw. die Rolle des LSVD Berlin-Brandenburg im Streit um das offizielle Mahnmal für verfolgte Lesben in der Gedenkstätte Ravensbrück sowie die Auseinandersetzung um Arbeitsbedingungen beim Bildungs- und Sozialwerk des berlin-brandenburgischen LSVD zum Anlass, ihn zu fragen, ob es eine gute Idee sei, Steinert bei der Flaggenhissung in Spandau zu Wort kommen zu lassen.
In meiner Funktion als Chefredakteur der MANNSCHAFT Deutschland, habe ich nun einen offenen Brief Mail an Jörg Steinert geschrieben, den ich bei Facebook veröffentlicht habe. Darin räume ich einerseits den Fehler ein, Steinert Aussagen vertraut zu haben, und bitte ihn andererseits, auf sein Erscheinen bei der Flaggenhissung am Donnerstag zu verzichten:
«Du hast mir gegenüber gesagt, das Verhalten von Juliane Fischer sei beleidigend, Du hast ihr Demokratieverständnis angezweifelt. Ich glaube vielmehr, das Gegenteil ist der Fall, wenn ein LSVD-Funktionär Kritik an seiner Arbeit für Majestätsbeleidigung hält. Ich würde es darum gut finden, wenn Du morgen der Flaggenhissung in Spandau fernbliebest, um die Würde des Momentes nicht durch den Streit um Deine Person zu gefährden.»
Mangel an Professionalität und gutem Stil In einer Pressemitteilung des LSVD-Bundesvorstands vom Mittwoch heisst, man bedauere die öffentliche Auseinandersetzung zwischen der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirks Spandau Juliane Fischer und Jörg Steinert im Zusammenhang mit dem Hissen der Regenbogenflagge. «Für uns als Bundesvorstand gehört zur Professionalität und gutem Stil dazu, immer zuerst das persönliche Gespräch zu suchen und auch auf vielleicht als unberechtigt empfundene Kritik souverän und verantwortungsvoll zu reagieren, vor allem wenn die Kommunikation im bilateralen, nicht-öffentlichen, Mailverkehr gesucht wurde. Nach unserer Ansicht ist das hier zum Schaden aller Beteiligten versäumt worden. Das haben wir auch dem Vorstand des LSVD Berlin-Brandenburg sowie seinem Geschäftsführer Jörg Steinert mitgeteilt.»
Die Fragen aus dem Bezirksamt Spandau waren nicht angemessen
Steinert gibt sich uneinsichtig. Am Donnerstagmorgen verkündete er via Facebook im Namen des Vorstands des LSVD Berlin-Brandenburg: «Die Fragen aus dem Bezirksamt Spandau, die in Vorbereitung auf den Termin zum Hissen der Regenbogenflagge gestellt wurden, waren nicht angemessen. Das haben wir öffentlich kritisiert. Der Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg ist davon überzeugt, dass der Geschäftsführer einer überparteilichen Bürgerrechtsorganisation, wie es der LSVD ist, staatliche Stellen öffentlich kritisieren darf.»
Hier nun zum ursprünglichen Artikel: Am 1. Juli eröffnen der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) mit der Vorstandsvorsitzenden der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid Nikutta, und LSVD-Landesgeschäftsführer Jörg Steinert die Pride Weeks in Berlin durch Hissen der Regenbogenflagge. Erstmals seit 10 Jahren kann die Flagge wieder am Dienstsitz des Regierenden flattern. Baustellenbedingt wurden die Flaggenhissungen in den vergangenen Jahren am U-Bahnhof Nollendorfplatz statt.
Auch in Spandau (1920 nach Gross-Berlin eingemeindet) wird nun die Flagge gehisst: Für den 4. Juli wurde Steinert zu einer kleinen Festrede beim Flaggenhissen eingeladen. Nun darf er aber wohl nicht dort reden. Das möchte die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Bezirksamtes, Juliane Fischer, verhindern. Grund: Steinert habe sich mit dem US-Botschafter und Trump-Vertrauten Richard Grenell getroffen. Tatsächlich gibt es ein Foto, das auf dem Schwul-Lesbischen Stadtfest 2018 entstanden ist, das Steinert neben Grenell in freundschaftlicher Pose zeigt.
Wie passt das für Sie zu den Themen Vielfalt, Toleranz & Respekt, die wir mit dem Hissen der Fahne einfordern?
Wörtlich schrieb Fischer nun an Steinert: «Sie sind auf einem Foto mit Richard Grenell zu sehen, der selbst unter den Republikanern noch weit rechts steht. Wie passt das für Sie zu den Themen Vielfalt, Toleranz und Respekt, die wir mit dem Hissen der Fahne einfordern?»
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Steinert ärgert sich über die «unverschämte E-Mail“. Gegenüber der B.Z. sagte er: «Ich bin seit 13 Jahren hauptberuflich beim Lesben- und Schwulenverband tätig, aber das Demokratie- und Amtsverständnis der Gleichstellungsbeauftragten aus Spandau ist auch für mich neu.» Darum schickte er an die Spandauer Gleichstellungbeauftragte eine Protestnote: «Sie wollen mein Gespräch mit dem US-Botschafter nun zum Anlass nehmen, den LSVD und mich persönlich von der Regenbogenflaggenhissung auszuschliessen? Ihr Demokratieverständnis ist erschütternd.»
Der offen schwule Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, nannte das Vorgehen bei Facebook «absurd»: Ausgerechnet den LSVD «mit der regenbogenbunten Moralkeule erschlagen» zu wollen. Die Frauenbeauftrage passe besser ins Zeitalter der Inquisition, so Evers.
https://www.facebook.com/berlingestalter/posts/2520165757995165?__xts__[0]=68.ARCltqHPjupxUxDQUpyoi8i3_uVZ9kUDq_1XVmdFJpSpR-a_sXuDObWbAoM2LdS7O_r4hauHxi3h2PMOlhm8Qu4vX1vutSaCfuQZCI9yF0xVum7_21bPxePSlYdZQ2fiE_rDM7xYijmeGO8paccPYAE4gBNCmNITZO_YKkodX2ZRdCTyBcOG9gnB18eVlGOr-VqCCGf_lk1Bd0ly467mKGGbH-G9F44ELUtHhif6nWu2ozEps4l13NSdSEUpmVyf9lX_JTQZNzgRO_zTJPUAplUl-XhCx6BY56jZ3Gn-mbnFycIocKrF8TjHwFL3Tr52FFT7uDBx8i5Oc2V55t_5Z5n-3w&__tn__=-R
Juliane Fischer verteidigte sich am Donnerstag in einer Mail, die sie an Steinert schrieb; sie habe lediglich «Fragen gestellt». das sei in gewisser Weise auch ihr Job. Steinert genügt das nicht. Er findet das Vorgehen beleidigend und forderte im Gespräch mit MANNSCHAFT eine Entschuldigung von Fischer sowie eine offizielle Einladung des Bezirksamtes.
Schwuler «Mayor Pete» will Trump aus dem Weissen Haus werfen
Zwei Fotos mit Richard Grenell hatten im vergangenen Jahr für Aufregung gesorgt. So hatte sich auch Jörg Litwinschuh-Barthel, der Geschäftsführer der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Arm in Arm mit dem rechtspopulistischen US-Botschafter auf dessen CSD-Empfang in Berlin-Dahlem gezeigt. Nach der Veröffentlichung der Bilder auf Facebook gab es massive Kritik aus der Community, und Litwinschuh-Barthel entschuldigte sich. Er habe aus persönlicher Eitelkeit sein eigentliches Anliegen konterkariert, mit Richard Grennell in einen kritischen und selbstbewussten Dialog eintreten zu wollen. Dies bedauerte er. «Den Dialog mit dem Botschafter und weiteren konservativen Kräften setze ich fort», erklärte er noch.
Am 20. und 21. Juli findet das lesbisch-schwule Stadtfest in Berlin statt – auch MANNSCHAFT ist diesem Jahr mit einem Stand vertreten. Es folgen der CSD auf der Spree, der interreligiöse CSD-Gottesdienst in der St.-Marienkirche, der Dyke March und das CSD-Gedenken. Abschliessender Höhepunkt ist die Pride-Demo am 27. Juli 2019.
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